Coronavirus: Nein, Masken schwächen nicht das Immunsystem
Seit Wochen wird im Netz behauptet, dass das Tragen von Mund-Nasen-Bedeckungen gesundheitsschädlich sei. Auf Facebook kursiert nun ein Beitrag, in dem es heißt: Masken schwächten das Immunsystem und förderten Atemwegserkrankungen. Die Behauptungen sind teils falsch, teils unbelegt.
In einem Beitrag auf Facebook vom 12. Mai wird behauptet, Masken würden krank machen und unser Immunsystem schwächen. Bisher wurde der Beitrag etwa 4.500 Mal auf Facebook geteilt. Die Behauptungen darin sind irreführend
Der Facebook-Beitrag zeigt ein Bild, in dem steht: „Bakterien, Viren sowie Keime aus der Mundhöhle gelangen durch die Maske in die Lunge und sorgen für Atemwegserkrankungen.“
In dem Text, den der Nutzer dazu geschrieben hat, wird der Hals-Nasen-Ohren-Arzt Bodo Schiffmann zitiert. Er habe angeblich über die Masken gesagt, dass sie krank machen würden, weil durch sie verhindert werde, dass Viren, Pilze und Bakterien in den Körper eindringen. Das habe zur Folge, dass das Immunsystem geschwächt werde.
Die Aussage aus dem geteilten Bild und der dazugehörige Text widersprechen sich, sind aber auch für sich genommen falsch und unbelegt.
Erste Behauptung: Bakterien, Viren und Keime aus der Mundhöhle gelangen durch die Mund-Nasen-Bedeckung in die Lunge und sorgen für Atemwegserkrankungen
„Hierfür gibt es keine Hinweise“, schreibt Dominic Dellweg, Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP), auf unsere Anfrage per E-Mail. Normalerweise atme der Mensch durch die Nase ein – wegen der Filterfunktion der Nase und aus Gründen der Atemgaserwärmung und Anfeuchtung. „Eine Maske wird nicht dazu führen, dass Erreger, die bereits in Mund oder Nasenhöhle sind, in die Lunge getragen werden“, schreibt Dellweg.
Es ist allerdings richtig, dass sich durch das Tragen an der Mund-Nasen-Bedeckung Bakterien bilden können. Marieke Degen, Pressesprecherin des Robert Koch-Institutes schrieb in einer E-Mail an CORRECTIV, dass es zu einer Kontamination der Maske mit der Mund-Rachen-Flora kommen könne. „Systemische und vergleichbare Studien gibt es hierzu bislang aber nicht.“
Es ist also möglich, dass sich durch die angesammelte Feuchtigkeit in der Maske Keime vermehren können, allerdings nicht in der Lunge, sondern an der Maske und im Mund-Rachen-Raum.
Ob das dauerhafte Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung das Risiko für Atemwegserkrankungen erhöhen könnte, wurde in einer Studie von 2015 untersucht. Darin ging es eigentlich um die Effizienz von Stoffmasken. Mitarbeiter vietnamesischer Krankenhäuser sollten für die Studie während ihrer gesamten Schicht einen Mundschutz tragen. Eine Gruppe nutzte einen medizinischen Mundschutz, die andere Gruppe einen Stoffmundschutz. Einer Kontrollgruppe wurde freigestellt, ob sie einen Mundschutz tragen wollte – mit dem Resultat, dass sie die Maske weniger lange trugen und außerdem häufiger zu dem medizinischen Mundschutz griffen (PDF, Seite 6).
Das Ziel der Studie war es, zu vergleichen, ob die zwei Maskenarten gleich effektiv sind. Das Ergebnis nach vier Wochen: Die Rate von Atemwegserkrankungen und grippeähnlichen Erkrankungen war in der Gruppe mit Stoffmasken am höchsten (PDF, Seite 1).
In der Diskussion zur Studie heißt es: „Die physikalischen Eigenschaften einer Stoffmaske, die Wiederverwendung, die Häufigkeit und Wirksamkeit der Reinigung sowie die erhöhte Feuchtigkeitsspeicherung können möglicherweise das Infektionsrisiko für HCWs [Anm. d. R.: Health Care Workers] erhöhen“ (PDF, Seite 6).
In dem Text in dem auf Facebook geteilten Bild wird jedoch nicht erklärt, um welche Art von Maske es geht. Die Studie aus Vietnam bezieht sich zudem auf den speziellen Fall, dass eine Stoffmaske stundenlang bei der Arbeit im Krankenhaus getragen wird.
Fazit: Die Behauptung ist unbelegt.
Zweite Behauptung: Mund-Nasen-Bedeckung „tötet“ das Immunsystem, weil sie verhindert, dass Viren, Bakterien und Keime in den Körper gelangen
In dem Text zum Bild auf Facebook wird behauptet, man „töte“ mit den Masken das eigene Immunsystem, weil dadurch der „Zugang“ zu Viren, Pilzen und Bakterien geschwächt sei. Das steht komplett im Widerspruch zur ersten Behauptung und ist zudem nicht korrekt.
„Durch die Mund-Nasenmaske werden Erreger abgefiltert und erreichen so nicht mehr die oberen und unteren Atemwege“, schreibt Dominic Dellweg von der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin per E-Mail. Ein Erreger, der nicht in das Körperinnere eindringe, werde auch keine Immunantwort hervorrufen.
Jedoch: „Eine Schwächung der Immunantwort in dem Sinne, dass das Immunsystem auf ein Antigen schwächer reagiert, ist nicht zu erwarten.“
Fazit: Die Behauptung, dass das Immunsystem geschwächt werde, ist falsch.
Rund um das Thema Masken verbreiten sich in der Corona-Krise zahlreiche irreführende oder falsche Behauptungen, zu denen wir bereits Faktenchecks veröffentlicht haben. Beispielsweise haben wir die falschen Behauptungen geprüft, unter Masken sammele sich gesundheitsschädliches CO2 oder Masken seien gefährlich für Kinder. Die Behauptungen, dass Masken die Sauerstoffversorgung verschlechtern und Lungenkrankheiten fördern, kursierten kürzlich zudem auch in Form eines Flyers auf Facebook und Whatsapp.