Nein, diese Fotos beweisen nicht, dass es Chemtrails gibt
Ein populärer Verschwörungsmythos besagt, dass Flugzeuge Chemikalien in der Atmosphäre versprühen, um das Klima zu beeinflussen. Seit Jahren ist bekannt, dass das nicht stimmt – Kondensstreifen bestehen vor allem aus Wasserdampf. Doch nun kursieren auf Facebook Fotos, die die Existenz von Chemtrails belegen sollen. Wir haben sie überprüft.
Auf Facebook verbreitete ein Nutzer am 18. April einen Beitrag mit 30 Fotos, die angeblich belegen sollen, dass es sogenannte Chemtrails gibt. Sie wurden mehr als 1.700 Mal geteilt.
Hinter dem Begriff Chemtrails steckt der seit Jahren bekannte Verschwörungsmythos, dass von Flugzeugen verursachte Kondensstreifen am Himmel in Wahrheit Chemikalien seien. Diese würden angeblich versprüht, um das Klima zu beeinflussen.
Das Umweltbundesamt hat sich 2011 ausführlich dazu geäußert: Es gibt keinerlei Belege für diese Theorie. Die 30 Fotos in dem Facebook-Beitrag belegen ihre angebliche Existenz nicht. Sie werden teils seit Jahren im Kontext des Chemtrail-Mythos verbreitet.
Umweltbundesamt: Behauptungen über Chemtrails sind „nicht glaubwürdig“
Das Umweltbundesamt (UBA) schreibt: Seit 2004 ein Artikel mit dem Titel „Die Zerstörung des Himmels“ in einer Zeitschrift erschienen sei, erreichten das Amt „zahlreiche Anfragen besorgter Bürgerinnen und Bürger“. In dem Artikel ging es darum, dass im Rahmen geheimer Projekte der USA Chemikalien in die Atmosphäre gebracht werden.
Das UBA recherchierte daher 2011 beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), bei der Deutschen Flugsicherung, dem Deutschen Wetterdienst und dem Bundesministerium für Verteidigung. Keine der Institutionen, die sich umfassend mit dem Thema Wetter und dem Flugverkehr in Deutschland beschäftigen, habe bestätigen können, dass Flugzeuge Chemikalien zur Beeinflussung des Klimas versprühen. „Das Hauptquartier der US-Luftwaffe Europa teilte mit, dass es die beschriebenen Projekte bei der US-Luftwaffe weder gibt noch gegeben hat“, schreibt das UBA.
Theoretische Überlegungen, ob man das Klima mit Hilfe von Chemikalien in der Atmosphäre verändern könne, habe es zwar gegeben. Aber keine dieser Ideen sei umgesetzt worden. Insgesamt seien die Behauptungen über Chemtrails „nicht glaubwürdig“.
Fotos zeigen Kondensstreifen am Himmel
„Auch auf den verschiedenen Fotos, die Bürgerinnen und Bürger dem UBA zusandten, sind nach Erkenntnis des Amtes langlebige Kondensstreifen und Zirruswolken zu sehen“, erklärt das UBA weiter.
Zwei Fotos in dem Facebook-Beitrag (hier und hier) zeigen Muster solcher Kondensstreifen von Flugzeugen am Himmel.
Kondensstreifen entstehen laut Umweltbundesamt durch Wasserdampf, der aus den Triebwerken von Flugzeugen ausgestoßen wird. Ist die Luft ausreichend kalt, bilden sich Wolken. „Bei niedriger Feuchte lösen sich Kondensstreifen rasch wieder auf. Ist die Atmosphäre jedoch hinreichend feucht, können Kondensstreifen länger existieren und weiter wachsen. Unter geeigneten Bedingungen können sie sich zu großflächigen Zirruswolken, die im Falle einer solchen Entstehungsgeschichte Contrail-Cirrus heißen, entwickeln.“ Diese sähen am Himmel flächig und milchig weiß aus.
Kondensstreifen oder Zirruswolken seien zudem kontraproduktiv, um den Klimawandel zu stoppen – denn sie können nach wissenschaftlichen Erkenntnissen selbst das Klima erwärmen.
Laut Umweltbundesamt könnten sich die Wasserdampf-Streifen durch Strömungen in der Atmosphäre verschieben oder verformen. „Da Windrichtung und -geschwindigkeit praktisch nie gleich sind, entstehen aus vormals geraden Mustern gekrümmte Formen. Außerdem fliegen Flugzeuge nicht immer nur geradeaus, sondern auch Kurven, insbesondere während Warteschleifen in Flughafennähe. In diesem Fall können gekrümmte Kondensstreifen entstehen.“
Fotos von Flugzeugen oder Kondensstreifen kursieren seit Jahren im Kontext des Chemtrail-Verschwörungsmythos
Wir haben die Herkunft aller 30 Bilder in dem Facebook-Beitrag überprüft. Die meisten kursieren seit Jahren in Verbindung mit der Chemtrail-Thematik im Netz. Nur bei einem Foto konnten wir den Ursprung nicht ermitteln. Alle anderen Fotos haben nichts mit Chemtrails zu tun.
Die Existenz eines Aufnähers mit der Aufschrift „Team Chemtrail – Spray and Pray“ beweist beispielsweise nicht, dass es Chemtrails wirklich gibt. Man kann den Aufnäher im Internet kaufen, als ironische Anspielung („Damit verwirren Sie garantiert viele Verschwörungstheoretiker!“) und es gibt T-Shirts mit solchen Logos und Schriftzügen.
Das Foto, das offenbar eine Armatur eines Flugzeugs mit der Aufschrift „Chemtrails” und einem Schalter zeigen soll, ist laut Faktencheckern von Snopes ein Fake. Mit digitaler Bildbearbeitung sei der Schriftzug eines Panels eines Flugzeugs verändert worden; normalerweise stehe dort „Sterile Light“.
Die Fälschung sei unter anderem, so Snopes, an der Schriftart erkennbar, die bei dem Wort „Chemtrails“ anders sei als bei den restlichen Beschriftungen auf dem Foto – gut zu sehen am Buchstaben S.
Und eines der Bilder von einem Flugzeug, aus dessen Düsen viel Dampf austritt, fanden wir auf der Webseite „Airliners“ – den Angaben dort zufolge zeigt es eine Boeing von der Fluggesellschaft Emirates. Es handelt sich also um eine zivile Maschine – weshalb so viel Dampf aus ihren Triebwerken austritt, ist unklar.
Auch die weiteren Fotos haben wir überprüft. Sie zeigen:
- Flugzeuge, die Chemikalien gegen Moskitos oder Ölverschmutzung versprühen (zum Faktencheck)
- Tanks mit Wasser als Ballast für Testflüge von Airbus oder Boeing (zum Faktencheck)
- Löschflugzeuge gegen Waldbrände (zum Faktencheck)
- Treibstofftanks von Flugzeugen (zum Faktencheck)
- Patente für Sprühtechnologien für Flugzeuge in anderem Kontext (zum Faktencheck)
- Eine Antenne am Heck eines Militärflugzeugs (zum Faktencheck)
Fazit
Der Facebook-Beitrag mit den 30 Fotos bedient einen bekannten Verschwörungsmythos. Die Fotos, die die Existenz von Chemtrails beweisen sollen, haben wir zurückverfolgt und bei 29 den Ursprung gefunden: Sie zeigen zivile oder militärische Flugzeuge, Löschflugzeuge, Treibstoff- oder Ballasttanks und Kondensstreifen. Keines der Fotos belegt, dass es Chemtrails gibt.
Redigatur: Steffen Kutzner, Till Eckert