Faktencheck

Nein, Impfpass und Impfstoffe werden nicht am 20. Oktober in der EU abgeschafft

Mehrere Webseiten behaupten, am 20. Oktober würden sowohl alle Covid-19-Impfstoffe als auch die Impfnachweise „abgeschafft“ werden. Angeblich sehe ein Dekret der Europäischen Kommission vor, dass stattdessen neue Medikamente eingesetzt werden müssten. Das ist erfunden.

von Steffen Kutzner

SCHWEIZ CORONA VACCINE JANSSEN
Laut mehrerer Webseiten werden der Covid-Pass und die Impfstoffe ab 20. Oktober in der ganzen EU abgeschafft. Das ist falsch. (Symbolbild: Picture Alliance / Keystone / Walter Bieri)
Behauptung
Ab dem 20. Oktober würden der Covid-Pass und die Impfung in der gesamten EU abgeschafft, da ein Dekret der Europäischen Kommission stattdessen die Verwendung neuer Medikamente vorsehen würde.
Bewertung
Frei erfunden
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Frei erfunden. Weder der Covid-Pass noch die Impfstoffe werden abgeschafft. Das angebliche Dekret der Europäischen Kommission ist lediglich eine Pressemitteilung, die vielversprechende Kandidaten für Covid-19-Behandlungen nennt.

„Ab dem 20. Oktober werden der Covid-Pass und die Impfung auf dem gesamten Territorium der EU abgeschafft“, wird unter anderem auf der Webseite Free World News behauptet. Grund für die angebliche Abschaffung der Impfstoffe sei ein „Dekret der Europäischen Kommission“. Die EU habe fünf neue Covid-Medikamente genehmigt und das Dekret mache es angeblich zur Pflicht, dass diese verschrieben werden sollen, anstatt Menschen gegen das Coronavirus zu impfen. Daher werde „die Verwendung des Impfstoffs eingestellt“. Diese Behauptung ist jedoch frei erfunden.

Als Quelle für die Behauptung wird im Text ein Link zu einer Webseite namens Tap News Wire angegeben. Dort findet sich jedoch lediglich der nahezu identische Text in englischer Sprache.

Das angebliche Dekret der Europäischen Kommission ist in beiden Texten in französischer Fassung verlinkt. Es handelt sich jedoch nicht um ein Dekret, also einen politischen Erlass ohne Beteiligung des Parlaments, sondern lediglich um eine Pressemitteilung von Juni 2021. Schon der erste Satz darin widerspricht der Behauptung, dass die Impfstoffe abgeschafft würden: „Die Impfung gegen Covid-19 ist der beste Weg, um die Pandemie zu beenden und zu einem normalen Leben zurückzukehren.“ 

Angebliches „Dekret“ ist lediglich eine Pressemitteilung, in der nichts von einer Abschaffung der Impfstoffe steht

In der Pressemitteilung informiert die EU darüber, dass bis Ende 2021 bis zu fünf neue Behandlungsmethoden gegen Covid-19 zugelassen werden sollen: „Bei vier dieser Behandlungen handelt es sich um monoklonale Antikörper, die von der Europäischen Arzneimittel-Agentur kontinuierlich evaluiert werden. Das fünfte ist ein Immunsuppressivum mit Marktzulassung, das auf die Behandlung von Patienten mit Covid-19 ausgeweitet werden könnte.“ 

Zitiert wird auch die EU-Kommissarin für Gesundheit, Stella Kyriakides: „Unser Ziel ist klar: Bis Ende des Jahres weitere zukunftsweisende Kandidaten in der Entwicklung zu identifizieren und mindestens drei neue Behandlungen zuzulassen.“

Davon, dass Impfstoffe vom Markt genommen oder Impfpässe abgeschafft würden, steht nichts in der Mitteilung. Im Gegenteil: Die Gabe von Medikamenten gegen Covid-19 solle zusammen mit der „erfolgreichen Impfstrategie der EU“ eingesetzt werden, um die Übertragung der Krankheit zu verhindern und zu verringern. Auch vom 20. Oktober ist in der Pressemitteilung nicht die Rede. Dieser Stichtag scheint ebenfalls erfunden zu sein.

Wirkung von Ivermectin gegen Covid-19 nicht ausreichend belegt

In dem Artikel von Free World News wird ebenfalls behauptet, dass das Institut Pasteur die Wirksamkeit von Ivermectin, einem Entwurmungsmittel für Rinder, anerkenne. „Eine Einnahme könnte bei manchen Menschen das gesamte genetische Material von SARS Covid-19 [sic] auslöschen.“ Darauf gibt es keinerlei Hinweise. Über Ivermectin hatten wir bereits Anfang September berichtet. US-Behörden warnen davor, Ivermectin einzunehmen. 

Wahr ist lediglich, dass das Institut Pasteur die Wirkung von Ivermectin gegen Symptome von Covid-19 an Tieren getestet hat. Die Viruslast wurde dabei nicht reduziert, der Schweregrad der Infektion wurde jedoch verringert. „Die Ergebnisse der Studie legen nahe, dass Ivermectin als potenzielles Therapeutikum für Covid-19 in Betracht gezogen werden könnte“, heißt es auf der Internetseite des Instituts. Über eine Wirkung beim Menschen sagen die Tierversuche jedoch nichts aus. Davon, dass das Medikament das genetische Material des Virus im menschlichen Körper „auslöschen“ könne, sagt das Institut nichts. Auch diese Behauptung ist anscheinend frei erfunden.

Redigatur: Tania Röttger, Matthias Bau

Update, 12. Oktober 2021: In eine früheren Version dieses Textes hieß es, dass Ivermectin nicht zur Anwendung am Menschen geeignet sei. Es wird jedoch auch bei Menschen als Parasitenmedikament eingesetzt. Es gibt bisher allerdings keine ausreichenden Belege dafür, dass es gegen Covid-19 wirkt.