Cannabis-Legalisierung

Schwarzmarkt droht, weiter zu bestehen

Kommunale Drogenhilfen warnen: Die Pläne der Bundesregierung könnten zu einem „Cannabis-Einkaufstourismus“ führen.

von David Schraven

kurzmeldung

Bei den kommunalen Drogenhilfen in Nordrhein-Westfalen regt sich Kritik an der Umsetzung der geplanten Cannabis-Legalisierung, die gerade erst ihre erste Hürde im Bundestag genommen hat. Die Legalisierung ist eines der Prestigeprojekte der Ampelkoalition und von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD).

Aus einer Stellungnahme von 24 Drogenhilfen in NRW, die CORRECTIV vorliegt, geht hervor: Sie sehen vor allem die geplante „Säule 2“ als problematisch an. Darin ist geplant, in regionalen Modellvorhaben kommerzielle Lieferketten für Cannabis aufzubauen.

Der Initiativkreis ambulante Drogenhilfe NRW rät von der „Privatisierung des Marktes aus fachlicher Sicht dringend ab“. Bei einem „Vorrang von wirtschaftlichen Interessen zur Kapitalmaximierung sind die gesellschaftlichen und Verbraucherinteressen erfahrungsgemäß nicht primär.“ Dies könne an zahlreichen Beispielen aus der Alkohol- und pharmazeutischen Industrie belegt werden. „Hier werden erhebliche finanzielle Fehlanreize bei einer gewinnorientierten Organisationform gefördert.“

Stattdessen sollten gemeinnützige oder gemeinwohlorientierte Verkaufsformen gefunden werden, bei denen kommunale Beteiligungen denkbar wären. In der Kooperation mit den Verbänden und Kommunen könne dem Schutz der Verbraucher Vorrang eingeräumt werden – etwas, das bei gewinnorientierten Geschäften nicht der Fall sei. Zudem könnten Gewinne aus dem Handel mit Cannabis in die soziale Infrastruktur fließen, um Drogenabhängige später zu versorgen.

Der Initiativkreis warnt bei grundsätzlicher Zustimmung zur Legalisierung vor der Entstehung eines überkommunalen „Cannabis-Einkaufstourismus“, sowie vor „Centern“ mit überkommunaler und überregionaler Bedeutung, sollten die Ideen des Gesundheitsministeriums wie geplant umgesetzt werden, da eine „gleichzeitige Entstehung von Cannabisverkaufsstellen in den einzelnen Kommunen nicht angenommen werden kann“.

Zudem sei davon auszugehen, dass der existierende illegale „Cannabismarkt“ den Verkaufsstellen nicht den bisherigen lukrativen Markt „überlässt“. Hierzu bedürfe es „flankierender Maßnahmen und Konzepte“, schreibt der Initiativkreis ambulante Drogenhilfe NRW.

Erst am Mittwoch hatte der Bundesrat in ersten Lesung des Entwurf des Cannabisgesetztes (CanG) zur Einführung der ersten Säule des Cannabisversorgung in Deutschland an die zuständigen Ausschüsse verwiesen.

Hier soll die Gründung von Cannabis-Vereinen genehmigt werden, in denen bis zu 500 Menschen gemeinsam den Anbau von Cannabis organisieren dürfen. Diese Clubs sollen jeweils für Gebiete erlaubt werden, in denen 6000 Menschen leben. In Berlin-Neukölln etwa dürften bei einer Einwohner-Zahl von 320.000 Menschen 50 Clubs organisiert werden. In Hamburg 300 – und in einer Kleinstadt wie Bottrop 20 Vereine. Jeder Club darf bis zu 50 Gramm Cannabis im Monat an jedes einzelnen seiner Mitglieder herausgeben. Der Verkauf von 25 Gramm am Tag an jeden Nutzer soll legal werden. Das macht eine Kapazität von rechnerisch 300 Kilogramm legalem Cannabis je Club und Jahr, die dieser anbauen und verkaufen darf.

Diese Mengen sind gewaltig.

Zudem warnt der Bundesrat in einer Stellungnahme zum Cannabis-Gesetz davor, dass die Kontrollen zur Einhaltung der strengen Vorgaben für den Betrieb der Anbauvereinigungen durch die Länder und Kommunen nur schwer durchzusetzen seien und die Gemeinden vor große Aufgaben stellen würden.

Nach Ansicht des Bundesrates sei gerade zu Beginn der Cannabislegalisierung mit einem großen Zustrom auf die Anbauvereinigungen zu rechnen, sodass weder die Kapazitäten der Clubs zur Aufnahme von Mitgliedern,noch die Kontrollkapazitäten zur Überwachung der Vereine ausreichen werden. „Dies dürfte, abhängig von den Kosten von Cannabis zu einem hohen Schwarzmarktanteil führen.“

Zudem könnten der teure Verkauf von Marihuana über lizensierte Geschäfte nach Regeln der freien Marktwirtschaft in der Säule 2 des Legalisierungsprogramms „zum Weiterbestehen des aktuellen Schwarzmarktes führen“, schreibt der Bundestag in seiner Stellungnahme. Es käme demnach nicht zu einer Entlastung, sondern eher weiterhin steigenden Belastung der Strafverfolgungsbehörden.

Der Initiativkreis ambulante Drogenhilfe NRW mahnt, eine erfolgreiche Drogenpolitik zur regulierten Freigabe von Cannabis an Erwachsene könne in Gemeinden nur unter Berücksichtigung eines gesellschaftlichen Konsens erfolgen.

Links:

Der Entwurf des Cannabis Gesetzes mit allen Auflagen für die Anbauclubs, sowie die Stellungnahme des Bundesrates:

https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2023/kw42-de-cannabisgesetz-971376

Die erste Lesung zum Cannabis-Gesetz:

https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2023/kw42-de-cannabisgesetz-971376

Das 2-Säulen-Modell der Cannabis-Legalisierung:

https://www.bundesgesundheitsministerium.de/presse/pressemitteilungen/eckpunkte-cannabis-12-04-23

So sollen laut Plan von Gesundheitsminister Karl Lauterbach Jugendliche geschützt werden:

https://www.bundesgesundheitsministerium.de/themen/cannabis/faq-cannabisgesetz-entwurf

Das Schreiben des Initiativkreises der ambulanten Drogenhilfe NRW im Original: Die Stellungnahme als PDF

Quellen