Auskunftsrechte

„Untauglich“

Der Gang zum Gericht hat sich gelohnt: Nur fünf Prozent der geforderten Gebühren bleiben übrig in dem Verfahren gegen das Bundesministerium des Innern, das ich gemeinsam mit dem freien Journalisten Niklas Schenck und dem DJV geführt habe.

von Daniel Drepper

In Zukunft müssen Behörden besser begründen, warum sie welche Gebühren für IFG-Antworten verlangen.© Ivo Mayr

Es geht um das Informationsfreiheitsgesetz (IFG) und einen Antrag zu Akten der Sportförderung. Anstelle von 14.952,20 Euro müssen Niklas und ich jetzt nur noch 736,60 Euro für unsere Einsicht in die Akten zahlen, wir bekommen also mehr als 14.000 Euro zurück.

Vor den Olympischen Spielen 2012 in London hatten Niklas und ich Einsicht in Akten der Sportförderung beantragt, darunter die berühmt-berüchtigen Zielvereinbarungen der Sportverbände. Das Ministerum hatte diesen Antrag auf 66 Einzelanträge gestückelt. Die Richter bescheinigten dem BMI nun in der diese Woche veröffentlichten Urteilsbegründung, sich in unserem Fall mit der willkürlichen Stückelung des Antrags rechtswidrig verhalten zu haben. Das Verwaltungsgericht stellt fest, dass die „Erhebung von Gebühren in Höhe von insgesamt 12.031,25 Euro nicht im Einklang mit dem Informationsfreiheitsgesetz“ steht.

„Schallende Ohrfeige“

Das ist eine Grundsatzentscheidung, die in Zukunft vielen anderen Bürgern und Journalisten helfen dürfte. Der DJV bewertet das Urteil als „schallende Ohrfeige für die Behörde.“

Das Ministerium hatte den Ende 2011 gestellten IFG-Antrag in fünf Olympiastützpunkte, 27 Sportverbände und 34 Zielvereinbarungen unterteilt und daraus 66 Einzelbegehren abgeleitet. Die Richter in Berlin machen in ihrer Begründung des Urteils vom 10. Juli 2014 deutlich: Nicht jede von der Verwaltung gefundene interne Aufteilung eignet sich als Abgrenzung von Informationsbegehren. Die 66 Themengebiete seien genauso „untauglich“, wie es z.B. die Anzahl von beantragten Jahren oder die Anzahl von betroffenen Akten gewesen wäre.

Zusätzlich zu den Gebühren hatte das BMI gegenüber den Journalisten noch Auslagen in Höhe von über 2.000 Euro für Kopien geltend gemacht. Auch diese hält das Gericht für rechtswidrig, da es an einer Rechtsgrundlage fehle, die die Erhebung von Auslagen rechtfertige.

Gebühren dürfen nicht abschrecken

In der Urteilsbegründung betonen die Richter, dass „Gebühren auch unter Berücksichtigung des Verwaltungsaufwandes so zu berechnen sind, dass der Informationszugang wirksam in Anspruch genommen werden kann.“ Es darf also niemand von möglichen Gebühren abgeschreckt werden. Das Informationsfreiheitsgesetz soll allen Bürgern Zugang zu demokratischer Teilhabe ermöglichen.

Für zukünftige Anfragen nach dem Informationsfreiheitsgesetz wichtig: „Liegt nur ein Antrag vor, der sich zudem auf einen einheitlichen Lebenssachverhalt bezieht, muss deshalb gebührenmäßig von nur einem einheitlichen Informationsbegehren ausgegangen werden.“ Die Botschaft: kein willkürliches Aufspalten. „Der Umstand, dass die Aufteilung sachlich vertretbar ist, ist für die Abgrenzung von Informationsbegehren nämlich untauglich“, schreibt das Gericht.

Die 66 Bescheide hatte uns das Ministerium über das Frühjahr 2012 verteilt zugeschickt, teilweise mehrere Bescheide auf einmal, in durchmischter Reihenfolge. Widerspruch musten wir für jeden Bescheid einzeln anmelden, per Fax. Teils warteten wir auf die Bescheide weit länger als ein halbes Jahr, die Widerspruchsfrist betrug dann jeweils vier Wochen. Letztlich meldeten wir für zwei Bescheide nicht rechtzeitig Widerspruch an.

736,60 statt 0 Euro

Eine Bitte, die Widersprüche trotzdem anzuerkennen (schließlich hatten wir ja auch allen anderen 64 Bescheiden einzeln widersprochen), lehnte das BMI ab. So kommt es, dass wir schlussendlich nur gegen 64 der 66 Bescheide Widerspruch eingelegt haben und nun doch noch 736,60 zahlen müssen. Sonst hätten wir durch diese Gerichtsentscheidung jeden einzelnen Cent wiederbekommen.

Dieser kleine Fehler kostet uns zwar etwas (privates) Geld, ändert aber zum Glück nichts an der grundsätzlichen Entscheidung des Gerichtes. Das hat klar gemacht, dass die Praxis des BMI gegen geltendes Recht verstößt.

Auf Seiten von Journalisten und Bürgern

Damit ist das Verwaltungsgericht Berlin ganz auf Seiten von Journalisten und Bürgern, die nach Informationsfreiheits- oder Pressegesetzen Anfragen an Behörden stellen können. „In der jetzt vorliegenden Urteilsbegründung sagt das Gericht deutlich, dass Behörden potentielle Antragsteller nicht mit ihren Gebühren abschrecken dürfen“, erklärt Dr. Anja Zimmer, Geschäftsführerin des DJV-NRW und selbst Juristin in einer aktuellen Pressemitteilung. „Endlich wird klargestellt“, freut sie sich, „dass Gebühren so bemessen werden müssen, dass der Zugang zu Informationen auch tatsächlich genutzt werden kann.“

Wegen der grundsätzlichen Bedeutung des IFG-Verfahrens hat das Verwaltungsgericht Berlin die Berufung zugelassen (AZ VG 2 K 232.13).

Auf den Seiten des Wächterpreises gibt es alle Hintergründe zu unserer Story über die Zielvereinbarungen des deutschen Sports.

Wir hatten vor gut drei Wochen über das Urteil berichtet, damals gab es jedoch noch keine Urteilsbegründung.

Die Urteilsbegründung des Verwaltungsgerichtes Berlin veröffentlichen wir nun in voller Länge.

Urteil Kosten IFG VG Berlin