Europa

Glaube und Geld: Wie die religiöse Rechte aus den USA Europa finanziell unterwandert

Die Alliance Defending Freedom (ADF) kämpft gegen Abtreibungen und LGBTQ-Rechte. CORRECTIV-Recherchen zeigen: Die Ausgaben der Gruppe in Europa steigen rapide. Kurz vor den EU-Wahlen berühren die Zahlen einen heiklen Punkt: Inwieweit lassen sich Europas Demokratien von dunklen Geldflüssen beeinflussen?

von Gabriela Keller , Miriam Lenz

Foto: Robert Haas / picture alliance / SZ Photo
Der Kampf gegen Abtreibungen gehört zu den zentralen Anliegen der mächtigen Alliance for Freedom. DIeses Anliegen teilt sie mit rechten, religiösen Netzwerken in Deutschland. Foto: Robert Haas / picture alliance / SZ Photo

Als vor zwei Jahren in Amerika das historische Urteil Roe v. Wade unter Beschuss gerät und damit das landesweite, liberale Abtreibungsrecht, schaltet sich auf der anderen Seite des Atlantik die AfD-Spitzenpolitikerin Beatrix von Storch in die Debatte ein; sie schöpft offenbar Hoffnung auf neue Zeiten, fürchtet aber Gegenwehr. In einem Statement warnt sie vor einer „fanatisierten Abtreibungslobby“, vor „öffentlichem Meinungsterror“, und sie sieht diesen Kampf auch hierzulande voraus: „Was in den USA jetzt passiert, wird auch in Deutschland kommen.“

In den USA ist die Rechtslage inzwischen gekippt: Fast 50 Jahre lang garantierte das Urteil Roe v. Wade den Frauen in den USA ein Recht auf Schwangerschaftsabbrüche. Dass dies nicht mehr gilt, ist vor allem einer weit rechten, religiösen Gruppe mit guten Verbindungen ins Trump-Lager zuzuschreiben.

Die „Alliance Defending Freedom“ (ADF) ist eine Art Mischung aus fundamental-christlicher Lobbytruppe und hoch aggressiver Anwaltsfirma. Seit Jahrzehnten greift die Gruppierung Rechte von Frauen und den gesetzlichen Schutz von homosexuellen und Trans Menschen an. In Amerika und international.

Wie eine aktuelle CORRECTIV-Recherche zeigt, treibt die Organisation den Kulturkampf von rechts zunehmend auch in Europa voran – mit sprunghaft steigenden Budgets. Die Steuerunterlagen der Allianz belegen einen massiver Zuwachs ihrer Zahlungen in den vergangenen Jahren in Europa: 2021 setzte sie demnach in Europa rund 5,2 Millionen Dollar ein, umgerechnet gut 4,8 Millionen Euro. Das ist gut doppelt so viel wie noch 2018. Zwischen 2011 und 2021 summierte sich der Geldstrom der  Gruppe  auf fast 28 Millionen Euro.

Dunkle Geldflüsse aus den USA in Richtung Europa

Politiker und demokratische Aktivisten schlagen Alarm: „Das ist eine Menge Geld, und damit lässt sich viel erreichen“, sagt Kenneth Haar, Experte für Finanzen und soziale Gerechtigkeit bei der lobbykritischen Organisation Corporate Europe Observatory in Brüssel, die ebenfalls zu den Finanzströmen der ADF recherchiert hat. „Im Moment schwimmt die amerikanische Rechte im Geld. Sie hat Mittel in einem Ausmaß zur Verfügung, das wir so noch nicht gesehen haben.“

Im Vorfeld der EU-Wahlen berühren die Zahlen einen heiklen Punkt in der Politik und werfen die Frage auf, inwieweit sich Europas Demokratien mit dunklen Geldern beeinflussen lassen – also über Finanzströme aus unbekannten Quellen. Ende April erst sorgten verdeckte Zahlungen aus Russland an den AfD-Spitzenkandidaten Maximilian Krah und den AfD-Bundestagsabgeordneten Petr Bystron für Schlagzeilen.

Auch die religiöse Rechte aus den USA mischt in Europas Politik im Hintergrund mit – das ist öffentlich einsehbar: Laut EU-Transparenzregister setzte der internationale Ableger der Alliance Defending Freedom zwischen Mitte 2022 und Mitte 2023 insgesamt 650.000 Euro nur für politisches Lobbying ein.

Damit organisiert die Gruppe zum Beispiel Briefings, Konferenzen und Hintergrundrunden in den EU-Institutionen – oft zu Themen, die harmlos klingen: Ein Informationsgespräch mit EU-Abgeordneten zu „Menschenwürde“, Kampagnen zu „Menschenrechten“ und „Religionsfreiheit“. Fraglich ist, ob die Angaben vollständig sind. Die Angaben in dem Register werden nicht kontrolliert. Die Organisation Transparency International wertete 2020 die Einträge von EU-Abgeordneten zu ihren Lobbytreffen aus und stieß auf lückenhafte Veröffentlichungen – gerade bei rechten Parteien.

Suche nach Verbündeten im konservativ-bürgerlichen Lager

Bei näherem Blick auf die Termine von ADF International sticht aber hervor: Verbündete sucht die Allianz offenbar eher im konservativ-bürgerlichen als im weit rechten Lager – dort scheint die Organisation mit ihren Themen punkten zu können: Mehrfach trat sie bei Events mit Mitgliedern der EVP-Gruppe auf, zu der auch CDU/CSU gehören, etwa bei Konferenzen zum angeblichen Handel mit „Organen“ von Föten in den USA oder zu Todesstrafe und religiöser Verfolgung in Nigeria.

Es gibt nach CORRECTIV-Recherchen aber auch Aktivitäten der Organisation in Deutschland: Vor allem in religiösen Kreisen der CDU kam es zu Kontakten, über Anti-Abtreibungs-Proteste ergeben sich Verbindungen in das Umfeld der AfD.

Nach außen inszeniert sich die ADF als Menschenrechtsorganisation, die sich für Christen in aller Welt einsetzt. Dass sie sich weltweit für ein Rollback nach rechts eintritt und gezielt LGBTQ-Rechte auszuhöhlen versucht, mag vielen zunächst nicht bewusst sein.

Der einflussreiche Arm der konservativen Christen

Die Ausgaben für das Lobbying im engeren Sinne sind ein Bruchteil des gesamten Budgets der Alliance Defending Freedom für Europa. Was damit passiert, welche Organisationen sie bezuschusst und welche Initiativen sie finanziert, hält sie geheim. Die Steuerunterlagen zeigen nur, wie viel Geld sie in Europa ausgibt – nicht aber, wer es annimmt.

Auch, aus welchen Quellen das Geld stammt, ist unklar: Als Non-Profit muss die Gruppe in den USA keine Steuern zahlen und darf die Identität ihrer Spender verschweigen.

Auf Anfrage von CORRECTIV antwortet Alliance Defending Freedom International nicht zu Fragen nach den Empfängern ihrer Gelder. Nur so viel: „Die uns anvertrauten Ressourcen fließen in die Arbeit zur Verteidigung von Menschenwürde und Freiheit weltweit“, teilt ein Sprecher mit. „Wir beteiligen uns an rechtlicher Interessenvertretung mit einem Fokus auf den Schutz der Meinungs- sowie Religionsfreiheit, dem Schutz des Lebens und der Familie.“ Aktuell engagiere sich die ADF an 1800 Prozessen und Projekten in 100 Ländern.

Argumente für Staaten, die Trans Menschen sterilisieren möchten

Die Macht der Alliance Defending Freedon ist enorm, und sie geht strategisch vor: Der New Yorker nannte sie den einflussreichsten „juristischen Arm“ der konservativen Christen in den USA. Die US-Initiative Southern Poverty Law Center bezeichnet sie als „Hate Group“. In Europa liefert sie juristische Rechtfertigungen für Staaten, die Trans Menschen bei einer Geschlechtsangleichung zu einer Sterilisierung zwingen und stellte sich an die Seite von Ländern wie Belize und Jamaika, die homosexuellen Sex als Straftat definieren.

ADF International weist die Vorwürfe zurück: Sie habe sich „nirgendwo für die Kriminalisierung von Homosexualität“ eingesetzt und verurteile „kategorisch“ Zwangssterilisierungen. Einer ihrer Schriftsätze sei „vorsätzlich“ falsch interpretiert worden:  Man unterstütze lediglich das Recht europäischer Länder, „im Rahmen ihrer Zuständigkeit und im Zuge des demokratischen politischen Verfahrens eigene Gesetze zu erlassen.“

In Amerika arbeitet die Alliance Defending Freedom seit Mitte der 90-er Jahre daran, die politische Landschaft über Grundsatzurteile zu verändern und den Diskriminierungsschutz von LGBTIQ-Personen und die Selbstbestimmungsrechte von Frauen auszuhebeln. Laut ihrer Website beschäftigt die ADF in den USA knapp 90 Anwälte, brüstet sich mit 4.500 kooperierenden Rechtsexperten und 15 Siegen vor dem Supreme Court.

Polarisierte Rechtslage für ungewollt Schwangere in den USA

Wie weit die Macht der christlichen Hardliner geht, zeigte sich im Juni 2022, als der Supreme Court das historische Urteil „Roe v. Wade“ aufhob. Für die religiöse Rechte war das Ende des nationalen Abtreibungsrechts ein Triumph – und die Alliance for Freedom brüstete sich mit dem Erfolg: ADF-Anwälte hatten für den Staat Mississippi die Grundlage für einen weitaus restriktiveren Entwurf geschrieben und vor Gericht durchgesetzt.

Seither dürfen die Bundesstaaten ihre Regeln selbst festlegen, und für ungewollte Schwangere hat sich die Lage in vielen Regionen dramatisch verschlechtert. Das amerikanische Guttmacher-Institute stellte eine „zunehmend polarisierte“ Rechtslage fest, in 15 Bundesstaaten sind Abtreibungen inzwischen bis auf Ausnahmefälle praktisch verboten.

Zusammenarbeit mit Stiftungen aus dem Umfeld von Orbán

Die Strategie von ADF International in Europa spiegelt ihr Vorgehen in den USA: Dabei scheint sie sich vor allem auf Länder wie Ungarn oder Polen zu konzentrieren, wo die religiöse Rechte ohnehin stark ist: In Ungarn tritt die Gruppe als Partner von Stiftungen und Thinktanks auf, hinter denen das Orbán-Regime steht, etwa dem „Mathias Corvinius Collegium“.

Auch in Polen verbündete sich die Allianz mit Abtreibungsgegnern: Dort bleibt Frauen der Zugang zu Abtreibungen seit 2020 fast vollständig verwehrt, selbst bei fehlgebildeten Föten. Vorangegangen war jahrelanges intensives Lobbying – maßgeblich vorangetrieben von der erzkatholischen Denkfabrik Ordo Iuris. Nach Recherchen des polnischen Investigativmediums VSquare hatte die Stiftung in Warschau einen gewichtigen Partner mit guten Beziehungen in die polnische Politik an ihrer Seite: Alliance Defending Freedom International.

In Deutschland mischen Anwälte von ADF International ebenfalls in Gerichtsprozessen mit: Hier ist der Leipziger Anwalt Felix Böllmann unterwegs im Auftrag der Organisation: In den vergangenen Jahren unterstützte die Allianz untere anderem einen Apotheker aus Berlin, der sich aus religiösen Gründen weigerte, die „Pille danach“ zu verkaufen. ADF International sprang zudem einem Ehepaar aus Südhessen zur Seite, das seine Kinder jahrelang nicht in die Schule schickte.

„Still beten“ vor einer Beratungsstelle in Pforzheim

Hilfe von der Organisation bekam zudem eine Katholikin aus Pforzheim, die als Leiterin einer Abtreibungsgegner-Gruppe „Mahnwachen“ vor einer Beratungssstelle von Pro-Familia abhalten wollte. Als die Stadt den Protest an der Stelle untersagte, zog die Frau mit Unterstützung von ADF international vor Gericht. Dort scheiterte sie zunächst. Das Gericht berief sich auf die Persönlichkeitsrechte der Frauen, die dort offenbar angesprochen wurden und sich belästigt fühlten. ADF International protestierte gegen die Entscheidung und sprach von Einschränkung der Religionsfreiheit; die Aktivisten hätten vor der Beratungsstelle nur Transparente hochhalten und „still beten“ wollen.

Die Organisatorin des Protests legte Berufung ein und setzte sich im August 2022 in zweiter Instanz durch. Wie ADF international CORRECTIV mitteilt, habe das Gericht entschieden, „dass aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht der Schwangeren kein Anspruch auf prinzipiellen Konfrontationsschutz folgt.“ In einer Pressemitteilung nannte eine ADF-Rechtsberaterin das Urteil einen „klaren Sieg“, nicht nur für die Klägerin, sondern „für alle, die für den Schutz grundlegender Menschenrechte eintreten.

In den USA hat der Rechtsruck an den Gerichten unter Donald Trump günstige Bedingungen für die Alliance Defending Freedom geschaffen. Trump selbst hat seinen Rückhalt in konservativ-christlichen Kreisen seit seinem Amtsantritt vor sieben Jahren ausbauen können; der ehemalige Kopf der ADF, Michael Farris, unterstützt ihn offen. Hinzu kommen personelle Verflechtungen mit dem republikanischen Lager. Der Trump-Loyalist und Sprecher des Repäsentantenhauses, Mike Johnson, ist ehemaliger ADF-Anwalt.

Das Budget der Organisation ist in den vergangenen Jahren explodiert. Aus den Steuerunterlagen geht hervor, dass sich ihre Einnahmen seit 2011 fast verdreifacht haben und 2022 mehr als 104 Millionen Dollar erreichten.

Weit rechte Gruppen aus den USA stocken ihre Budgets auf

Die ADF ist nicht die einzige fundamentalistisch-christliche Gruppe aus den USA, die in Europa Einfluss sucht: Die Plattform Open Democracy deckte 2020 auf, dass rund 30 christliche rechte Gruppen aus den USA zwischen 2007 und 2018 insgesamt 280 Millionen Euro für Aktivitäten weltweit ausgegeben haben, davon mindestens 50 Millionen in Europa.

Die aktuelleren Zahlen zeigen nun, dass die Budgets weiter angestiegen sind. Die Alliance Defending Freedom lag zuletzt im Vergleich zu anderen religiösen Gruppen weit vorne.

Schon seit zehn Jahren unterhält die ADF eine Zweigstelle in Wien und Büros in Brüssel, London und Straßburg. Es gibt Hinweise, dass die Gruppe auch gezielt die Nähe von Politikerinnen und Politikern in der EU sucht. Anfang April machte eine Konferenz mit dem Titel „National Conservativism“ in Brüssel Schlagzeilen – einer der Sponsoren war das Orbán-nahe Mathias-Corvinus-Collegium, das mit der Allianz seit Jahren kooperiert.

Chaos um eine Konferenz und ein PR-Coup für die Rechten

Die Sprecher und Referenten kamen aus dem rechtskonservativen bis rechtsextremen Spektrum, etwa: Orbán selbst, der deutsche Ex-Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen, der französische Rechtsextremist Éric Zemmour – und Paul Coleman, Direktor von ADF International in Wien.

„Wir müssen die Alliance Defending Freedom in einem breiteren Kontext sehen“, sagt Kenneth Haar von Corporate Europe Observatory. „Republikanische Kreise versuchen, Veränderungen in Europa zu befördern.“ Die Konferenz in Brüssel sei ein Beispiel: „Sie vernetzen sich und zeigen sich oft auf Events, deren Organisatoren versuchen, eine Einheit von weit rechten Gruppierungen herzustellen.“

Auffällig ist: Vertreter der AfD waren bei dem Treffen nicht angekündigt – die Partei scheint international nicht einmal im rechten Spektrum mehr ein gern gesehener Gast. Der Gegendruck war ohnehin hoch: Zwei Veranstaltungsorte sagten das Event in praktisch letzter Minute ab, am dritten unterbrach die belgische Polizei das Treffen kurz nach seinem Beginn. Der Bürgermeister des Bezirks Saint-Josse in Brüssel, Emir Kir, berief sich auf „Sorge um die öffentliche Ordnung“. Per Eilverfahren entschied ein Gericht in Brüssel, dass das Verbot nicht zulässig war; sie konnte deswegen am folgenden Tag weitergeführt werden.

Für die Organisatoren war das ein PR-Coup: ADF international gab in einer Stellungnahme bekannt, die Organisatoren vor Gericht entscheidend gestützt zu haben, sprach von „autoritärer Zensur“ und feierte die Entscheidung des Gerichts als „Sieg der Redefreiheit“.

„Wenden Sie sich gerne an mich und meine Kollegen“

Seit langem präsentieren sich die religiösen Aktivisten als Vorkämpfer für Religionsfreiheit. Diese Rhetorik klingt anschlussfähig und kommt offenbar auch in Teilen der Union gut an: Im November 2021 stellte sich die Alliance Defending Freedom erstmals öffentlich in Deutschland vor – Seite an Seite mit dem CDU-Bundestagsabgeordneten Albert Stegemann. Stegemann kommt aus aus Niedersachsen, ist eigentlich Agrarpolitiker und sagte der Alliance Defending Freedom International „in konkreten Fällen von verfolgten Christen“ die Unterstützung des „Stephanuskreises“ zu, wie christliche Internet-Medien 2021 berichteten.

Der Stephanuskreis hat sich nach eigenen Angaben dem „Schutz verfolgter Christen“ und der „Religionsfreiheit“ verschrieben. Zu den Mitgliedern zählen rund 30 Unionspolitiker und -politikerinnen, darunter Julia Klöckner, Jens Spahn und die Vorsitzende Monika Grütters.

CDU-Politiker Stegemann trat mit Vertretern der Organisation bei einer Pressekonferenz in Berlin auf: Der Stephanuskreis wolle „gemeinsam mit ADF International noch stärker auf die Situation verfolgter Christen aufmerksam machen“, sagte er dort laut der Pressemitteilung von ADF International.

Auf einem Portal im Internet erschien seine Rede im Ganzen, demnach bot er an, „Anregungen“ mitzunehmen und diese auch beim Europäischen Parlament vorzubringen. Die Vertreter von ADF International lud er demnach vollmundig ein: „Kommen Sie zu uns, wenden Sie sich an mich, wenden Sie sich auch an andere Kollegen im Stephanuskreis.“

Geteilte Anliegen mit der „Demo für alle”

Stegemann bestreitet diese Aussagen auf Anfrage von CORRECTIV nicht. Wie der Kontakt zustande kam? Der Abgeordnete schreibt, der Stephanuskreis habe ihn gebeten, an dem Termin teilzunehmen. ADF International sei ihm „als international tätige Menschenrechtsorganisation“ vorgestellt worden, „die sich für Glaubensfreiheit aller Menschen einsetzt“. Über die Gruppe habe er sonst wenig gewusst: „Die übrigen Aktivitäten der ADF waren mir nicht bekannt und diese unterstütze ich nicht.“ Von weiteren Terminen werde er daher absehen.

Die Unionsfraktion des Bundestages äußerte sich auf Anfrage von CORRECTIV nicht.

Ob die Alliance Defending Freedom Personen oder Organisationen in Deutschland mit Geld unterstützt, lässt sich öffentlich nicht überprüfen. Feststellen lassen sich nur persönliche Kontakte.

Schnittmengen gibt es vor allem beim Thema Abtreibung und der Rückkehr zu einem reaktionären Familienbild: Ihre Kernanliegen teilt die Allianz etwa mit der Organisation „Demo für alle“: Seit 2014 gehen bei den Protesten in mehreren Städten Menschen gegen Homo-Ehe, Abtreibungen und „Frühsexualisierung“ auf die Straße: Organisiert werden die Demos von Vereinen, die in der Anfangsphase der Proteste ins direkte Umfeld der AfD-Politikerin Beatrix von Storch führten.

Diskussion mit dem ADF-International-Anwalt auf Youtube

Die Anschrift im Impressum der „Demo für alle“ war zunächst dieselbe wie die ihres Abgeordnetenbüro. Auf Anfrage von CORRECTIV dazu antwortet von Storch nicht. Der aktuelle Trägerverein des queerfeindlichen Protestbündnisses heißt Ehe-Familie-Leben e.V. und teilt über eine Anwaltskanzlei mit, die „Demo für alle“ werde seit 2015 „vollständig unabhängig“ von Beatrix von Storch und den mit ihr verbundenen Vereinen geführt. Die „Demo für alle“ sei „überparteilich, überkonfessionell und unabhängig.“

Auf Youtube hat „Demo für alle“ eine Interviewreihe veröffentlicht. Dort diskutierte eine Moderatorin mit verschiedenen Gästen unter dem Titel: „Mitmütter und Mehreltern: Familie im Fadenkreuz“; als einer der Interviewpartner taucht der Leipziger ADF-Anwalt Felix Böllmann auf, sein Thema: Die traditionelle Familie als „Grundstein jeder überdauernden Gesellschaft“ aus Sicht des Völkerrechts.

Auf Anfrage teilt der Trägerverein mit, er habe dafür bei ADF International einen Referenten angefragt: „ADF International ist eine internationale Menschenrechtsorganisation, die sich insbesondere für das Menschenrecht auf Leben, auf Meinungsfreiheit und für die Rechte der Familie einsetzt“, und dies entspreche den Anliegen von Ehe-Familie-Leben e.V. Mit der Organisation gebe es einen „gelegentlichen Austausch“ aber „bisher keine praktische Zusammenarbeit“.

Die AfD plädiert nun für strenge Regeln bei Abtreibungen

Als die „Demo für alle“ im Februar 2019 ein Symposium organisierte, war ebenfalls ein Referent von Alliance for Freedom International dabei; auch hierfür sei die Einladung von dem Verein „Ehe-Familie-Leben“ ausgegangen. Dort diskutierten rechte und religiöse Gäste unter der Überschrift: „Elternrecht versus Staat: Wohin führen Kinderrechte im Grundgesetz“. Auf der Bühne stand Laurence Wilkinson, ADF-Rechtsberater, der laut Website über „aktuelle Fälle von Elternrechtsverletzungen in Europa“ referierte.

Anklang fand die Veranstaltung offenbar auch in Teilen der AfD: Die Einladung verbreitete die Gruppe „Christen in der AfD“ auf ihrer Website.

Die AfD hat ihre Haltung zu Abtreibungen deutlich verschärft. Als die Partei 2016 über ihr Grundsatzprogramm abstimmte, scheiterte ein Vorstoß der „Jungen Alternative“, der eine Verschärfung der Regelungen vorsah. Laut Medienberichten stimmten vor allem Frauen dagegen. In ihrem aktuellen Europawahl-Progamm spricht sich die Partei deutlich für Restriktionen aus: Abtreibungen müssten eine „absolute Ausnahme“ sein, heißt es dort: Aktuell versuchten, „einflussreiche Gruppierungen“ in der EU, Schwangerschaftsabbrüche zur „Normalität“ zu erklären. Dieser „grotesken Banalisierung“ der „Kindstötung“ werde die AfD „entschieden entgegentreten“.


In dem Beitrag wurden Angaben zu dem Gerichtsprozess der Klägerin aus Pforzheim nachträglich korrigiert. In der ursprünglichen Fassung stand, der ADF-Anwalt Felix Böllmann habe die Frau gerichtlich vertreten. Dies trifft nicht zu,  ADF international hat die Klägerin und ihren Anwalt aber in dem Verfahren unterstützt. Ergänzt wurde außerdem die Tatsache, dass die Klägerin sich in einem zweitinstantlichen Verfahren durchsetzen konnte. Darüber hinaus haben wir die Einordnung der Analyse von Transparency International zum EU-Transparenzregister präzisiert, um deutlich zu machen, dass die Organisation die Veröffentlichungen von Parlamentariern zu Lobbytreffen geprüft hat, nicht die von Lobbyorganisationen.