Euros für Ärzte

„Geld interessiert mich nicht“

Rund 20.000 Ärzte und Heilberufler haben sich entschieden, offen zu legen, welche Vergütungen sie von Pharmafirmen bekommen haben. Sie sind in unserer Datenbank zu finden. Bundesweit das meiste Geld kassierte nach dieser Liste Hans Christoph Diener. Rund 200.000 Euro hat er im vergangenen Jahr von verschiedenen Pharmafirmen bekommen. Wir haben darüber mit ihm gesprochen.

von Hristio Boytchev

© Daniel Bockwoldt/dpa

Dieser Text erscheint gleichzeitig auf „Spiegel online“. 


Es ist nicht einfach, Hans Christoph Diener zu erreichen. Montags schreibt er per Mail, er sei diese Woche noch in Asien. Am Donnerstag veröffentlicht CORRECTIV die Datenbank mit den Namen von 20.000 Ärzten, die Geld von der Pharmaindustrie erhalten haben. Diener führt die Liste an, rund 200.000 Euro hat er im Jahr 2015 erhalten. Schlagartig interessieren sich viele Medien für ihn. Noch am gleichen Tag gibt er dem WDR ein Interview. Also kontaktieren wir ihn erneut, und siehe da, nun werden auch wir vorgelassen

Er sagt, es ärgere ihn, dass er die Liste anführt. „Das kriegt plötzlich eine andere Dimension, das klingt so, als würde ich das Geld für Urlaub und Champagner ausgeben.“

Doch das Gegenteil sei richtig: Der Großteil der Zusatzeinnahmen fließe nicht in seine eigene Tasche. Sondern er gebe sie an das Uniklinikum weiter, für Forschungsstellen. Das gehe seit über zehn Jahren so. Es habe damit begonnen, dass er ein Kopfschmerzzentrum aufgebaut habe, das Verluste machte. Also habe er das Defizit mit seinen Zusatzverdiensten ausgeglichen.

Diener ist eine Koryphäe in der Medizin: An der Uniklinik in Essen hat er 27 Jahre die Abteilung für Neurologie geleitet; erst im Frühjahr diesen Jahres, mit 65, hat er sich von diesem Posten zurückgezogen und eine Forschungsprofessur ebendort angetreten. „Geld interessiert mich nicht“, sagt Diener. „Ich habe ein Haus und zwei Autos.“ Eine Ferienwohnung und eine Yacht brauche er nicht. Schon vor Jahren habe er die Zusatzeinnahmen durch Privatpatienten zu einem großen Teil an das Klinikum überführt, um die Wissenschaft zu fördern. „Forschung liegt mir am Herzen“, sagt Diener. „Die kommt schnell zu kurz.“

Den Großteil seiner Einnahmen erhalte er für die Beratung bei großen Medikamentenstudien. Außerdem trete er häufig als Redner auf. „Ich mache 100 Vorträge im Jahr“, sagt Diener. Sein Honorar betrage um die 1500 Euro pro Auftritt. Wobei nicht alle Vorträge bezahlt seien. Er betont, dass jede seiner Einnahmen vertraglich geregelt sei – und dass das Justiziariat der Klinik, manchmal auch der Landesrechnungshof, die Verträge prüfe. In 27 Jahren habe es nie eine Beanstandung gegeben.

Diener ist einer der führenden Neurologen in Deutschland. Sein Lebenslauf enthält eine schier endlose Liste von Aktivitäten: Gesellschaften, denen er angehört, häufig als Vorstand; Zeitschriften, zu deren Herausgeberkreis er gehört; Ärzten, deren Promotion oder Habilitation er betreut hat. Ein Mediziner mit Macht und Einfluss – gerade auch durch seine Rolle bei der Verfassung von Leitlinien.

Leitlinien bestimmen, welche Therapien und Medikamente bei einer Erkrankung erste Wahl sind. Diener hat die Leitlinien-Kommission für Neurologie vor einem Vierteljahrhundert mit initiiert, viele Jahre lang geleitet und in dieser Zeit über 100 Leitlinien mit verabschiedet. Und sich dafür wegen möglicher Interessenkonflikte oft Kritik anhören müssen.

Allein von Boehringer-Ingelheim hat er 2015 rund 150.000 Euro erhalten. Wollen Pharma-Firmen mit solchen Zahlungen Einfluss auf ihn ausüben? Diener glaubt das nicht. Ihnen gehe es um seine Tätigkeit. „Jedem Honorar steht eine Gegenleistung gegenüber“, sagt er, „die von unserem Justiziar als angemessen eingestuft werden muss.“ Und überhaupt: Er selbst verschreibe ja gar keine Medikamente. Und die Deutsche Gesellschaft für Neurologie habe strenge Richtlinien, um Interessenkonflikte zu vermeiden.

Sein Fazit: „Ich habe kein ethisches Problem, weil das Geld nicht an mir hängen bleibt.“ Auch im nächsten Jahr werde er sich für eine Veröffentlichung entscheiden.  „Ich kann das nicht mehr verstecken.“ Überhaupt begrüße er Transparenz. „Ich habe nichts zu verbergen“, sagt Diener, „ich habe immer mit offenen Karten gespielt.“

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