Neue Rechte

„100 Minuten Propaganda“: Rechtsextreme drehen Imagefilm über Björn Höcke

Sie machen Filme für Höcke, die AfD und die rechtsextreme Szene. Hinter dem „Filmkunstkollektiv“ verbergen sich rechtsextreme Aktivisten und Mitglieder der „Identitären Bewegung“.

von Martin Böhmer

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AfD-Politiker Björn Höcke ließ sich vom „Filmkunstkollektiv“ in Szene setzen. Collage: Ivo Mayr / Correctiv (Quelle: Picture alliance & unsplash.com)

Björn Höcke hackt Holz. Der Thüringer Himmel im Abendrot. Schnitt. AfD-Wahlkampfauftakt im thüringischen Arnstadt, Höcke erhält tosenden Applaus, im Off läuft eine Rede des Rechtsextremisten. Dann endet der Film. Mehr als 90 Minuten lang haben Zuschauerinnen und Zuschauer romantisierende Bilder gesehen, ganz nah dran an Höcke und wie er vermeintlich wirklich ist – nicht so, wie ihn die angebliche „Lügenpresse“ zeigt.

Den Film auf Björn Höckes Youtube-Kanal hat das „Filmkunstkollektiv“ produziert. Doch wer steht dahinter? Die CORRECTIV-Recherche zeigt, dass auch langjährige Mitglieder der rechtsextremen „Identitären Bewegung“ für das „Filmkunstkollektiv“ verantwortlich sind. Unter anderem arbeiten der Compact-TV-Chef, ein Teilnehmer des NPD-Jugendkaders und der Gründer eines Finanzdienstleisters der Neuen Rechten für die Gruppe. Und Björn Höcke und andere AfD-Leute ließen sie ganz nah an sich heran.

Es ist ein weiterer Beweis dafür, wie eng die AfD mit Identitären und rechtsextremen Aktivisten aus dem politischen Vorfeld zusammenarbeitet. Mit einer Bewegung also, die laut Verfassungsschutz ein vermeintlich homogenes Volk propagiert und die zuletzt auch durch dubiose Kampfsportkurse aufgefallen sind. Diese sollen die „Wehrhaftigkeit“ der Aktivisten vergrößern.

„Die Schönheit des Widerstands“: Rechtsextreme Haus-und-Hof-Filmer für die AfD

Das „Filmkunstkollektiv“ will nach eigenen Angaben die „Schönheit des Protests“ einfangen und dies aus Überzeugung, nicht als Auftragsarbeit machen. Es wechseln sich Aufnahmen im Gegenlicht, in Zeitlupe, in Schwarz-Weiß ab, die Musik ist selbst komponiert – es sind aufwändige Produktionen, keine verwackelten Handy-Videos für TikTok. Dahinter steht eine Strategie: Schöne Bilder und hoher Produktionsaufwand sollen dem Inhalt offenbar Seriosität verleihen. Doch in den Filmen werden Rechtsextremisten gezeigt. Und mit Björn Höcke wird die Galionsfigur des völkisch-nationalen Kurses innerhalb der AfD porträtiert.

Die Gruppe ist Teil einer großen Maschinerie, die für die Partei so wichtig ist: Von Tiktok und Youtube, über Telegram bis Straßenflyer wird jeder Kanal für die eigenen Inhalte genutzt. „Das alternative Mediensystem erzeugt für die AfD ein alternatives Wahrheitssystem“, sagt Politik- und Kommunikationsberater Johannes Hillje, der sich seit Jahren mit der Medienstrategie der AfD befasst. „Mit Filmen, Bildern und Nachrichten entsteht eine permanente Bestätigung und Bestärkung des rechtsradikalen Weltbildes der AfD“, so Hillje. Sie seien eine „Lebensversicherung für die AfD“. Gerade die Film- und Bildproduktion spiele eine große Rolle für Social Media, wo audiovisuelle Inhalte Reichweite bringen und Meinungen schaffen.

Auch das „Filmkunstkollektiv“ hat dies offenbar erkannt. Der Vorstand des im März 2021 gegründeten Vereins besteht aus drei Männern: Simon Kaupert, Paul Klemm und Torsten Görke.

Sie alle sind Größen in der rechtsextremen Szene. Kaupert wurde als Gründer des Würzburger Pegida-Ablegers „Wügida“ bekannt, seine politische Heimat fand er unter anderem bei der NPD-Jugendorganisation „Junge Nationalisten“. Klemm arbeitet beim rechtsextremen Compact-Magazin als TV-Chef, beim „Filmkunstkollektiv“ wird er als „Bindeglied zu alternativen Medien“ geführt. Und Görke gründete „Schanze Eins“ mit, laut niedersächsischem Verfassungsschutz eine Art Geldgeberfirma der „Identitären Bewegung“, um etwa Immobilien für Identitäre zu erwerben. Dass Görke Teil der Gruppe ist, wird nur durch die Vereinssatzung deutlich, auf der Homepage will er offenbar nicht mit Namen auftauchen.

Fest verankert im rechtsextremen Umfeld

Für das „Filmkunstkollektiv“ tritt Kaupert als Leiter auf. Andere aktive Mitglieder werden auf der Homepage nur mit Vornamen genannt, einer nur unter einem Alias. Manche Aktive werden nicht einmal unter „Team“ aufgeführt.

So etwa ein Kameramann. Er produzierte Bilder aus dem Höcke-Film und teilte Eindrücke auf seinem Instagram-Profil. Der Kameramann ist Teil der Identitären-Regionalgruppe „Reconquista 21“ und der Jungen Alternative in Karlsruhe. Außerdem wurde er kürzlich wegen Volksverhetzung zu sechs Monaten Haft auf Bewährung verurteilt, weil er mit zwei Verbündeten ein „Remigrations“-Banner auf dem Dach eines Stuttgarter Schwimmbads ausrollte. Der Kameramann nahm zudem an rechtsextremen Vernetzungstreffen unter anderem beim politischen Vordenker Götz Kubitschek teil.

Er ist nur ein Beispiel dafür, wie gut vernetzt die Macher des „Filmkunstkollektivs“ sind. Auch Politikberater Hilje stellt fest: „Das Filmkunstkollektiv ist im Umfeld der Identitären Bewegung entstanden.“

Dabei betont das Kollektiv stets, dass es aus Überzeugung arbeitet und keine Auftragsarbeiten erledigt. Unentgeltlich arbeiten sie aber dennoch nicht: So rief Höcke schon im Mai 2021 zur Spende an das „Filmkunstkollektiv“ auf, als die Gruppe die Proteste gegen die Corona-Maßnahmen begleitete. Bis heute reißt die Unterstützung nicht ab: Erst kürzlich teilte der Berliner AfD-Abgeordnete Thorsten Weiß mit, dass er Förderer der Gruppe wird. Weder das „Filmkunstkollektiv“ noch die AfD wollten sich auf CORRECTIV-Anfrage zu der Zusammenarbeit äußern.

Das „Filmkunstkollektiv“ verkauft das Andocken an die AfD als großen Sieg. Gerne brüsten sich auch die Kameraleute mit ihrem Erfolg: „Dieser Film ist für uns Ehre & Privileg“, schreiben die Höcke-Filmer zur Premiere. Oder: „Einige unserer Künstler hatten das Privileg, Björn Höcke während des Wahlabends der Landtagswahlen in Thüringen begleiten zu dürfen.“

Rechtsextremismus-Experte Hillje: „Das sind 100 Minuten Propaganda“

Die Gruppe dreht aber nicht nur Filme: Unter anderem organisierte sie während der Corona-Pandemie eine „Protestkarte“. Das „Filmkunstkollektiv“ dokumentierte und filmte, wo gegen die Corona-Maßnahmen protestiert wurde und später, wo die sogenannten Bauern-Proteste stattfanden.

„Das Filmkunstkollektiv agiert wie eine strategische Medienagentur. Bei den Corona- und Bauern-Protesten suchten sie nach Einfallstoren für rechtsextreme Inhalte zur breiten Öffentlichkeit“, sagt Politik- und Kommunikationsberater Johannes Hillje.

Insgesamt sei laut Hillje der Aufbau eines eigenen Mediensystems für die AfD wichtiger als für andere Parteien: „Alternative Medien sind Teil des populistischen AfD-Mythos, dass der Mainstream den Menschen die Wahrheit verschweige.“ Laut Hillje lebe die AfD lebe von Verschwörungserzählungen und rechtsextremer Ideologie, die in alternativen Medien propagiert, aber in journalistischen Medien hinterfragt werden.

So ist es nicht überraschend, dass Björn Höcke sich vom „Filmkunstkollektiv“ begleiten ließ. Über den Höcke-Film sagt Hillje: „Das sind 100 Minuten Propaganda.“

Redaktion: Annika Joeres, Justus von Daniels
Faktencheck: Anna Kassin
Grafik: Ivo Mayr

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