Kein Filter
für Rechts

Wie die rechte Szene Instagram
benutzt, um junge Menschen
zu rekrutieren

»Die Mädels sind für das schöne Bild verantwortlich«, so offen sagt es eine Insiderin. Es sind vor allem Frauen, die Nutzer auf Instagram mit ästhetischen Bildern und subtilen Botschaften in die rechte Szene ziehen sollen. Emojis als Reichsflagge, Hashtags wie #heimatverliebt und AfD-Politiker, die für ein rechtes Modelabel posieren oder Accounts von Rechtsextremen folgen: Unsere Analyse tausender Instagram-Accounts zeigt, wie die rechte Szene auf der vermeintlich unpolitischen Plattform junge Menschen verführt. Und dass Instagram kaum etwas dagegen unternimmt. Eine Recherche in fünf Teilen.

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Rap, Kampfsport und Merchandise

Wie Rechte mit Instagram Geld verdienen

  • Björn Höcke posiert wie ein Werbeträger mit einem Poloshirt einer nationalistischen Marke unter dem Motto „Trag, was Du fühlst!“. 
  • Durchtrainierte Männer werben für ein rechtsextremes Kampfsportevent namens „Kampf der Nibelungen“. 
  • Rapper, die beim Verfassungsschutz auf dem Radar stehen, verkaufen mithilfe von Instagram ihre Musik.
  • Sie nutzen die Plattform, um ihre rassistischen Botschaften zu verbreiten und dabei Geld zu verdienen.

„Eine sehr schöne Wanderung im Westerwald“, lautet die Beschreibung des Instagram-Bildes, auf dem wir einen jungen Mann sehen, der eine große Deutschlandflagge hält, am Ufer eines Sees steht und in die Ferne blickt. Der rechte Fuß ruht auf einem Stein. Gepostet hat es Leon aus Rheinland-Pfalz.

Begleitet wird das Foto von Hashtags wie #Vaterlandsliebe (offenbar auch zum Westerwald) und #JungeAlternative. Wir stehen noch am Anfang unserer Recherche und fragen uns: Wie kann es sein, dass ein junger Mann, der in Kommentaren zu anderen Bildern aufgrund seiner Hautfarbe rassistisch diskriminiert wird, ein solches Foto hochlädt? Dass er die Jugendorganisation einer Partei unterstützt, die selbst offen rassistisch auftritt?

Leons Instagram-Account zeigt dieses Foto mit der deutschen Flagge. (Screenshot und Verpixeln: CORRECTIV)

Doch nicht nur deswegen werden wir stutzig. Leon verwendet in seinem Accountnamen zu diesem Zeitpunkt das Kürzel „.nds“, das uns auch bei anderen Accounts begegnet. Erst später werden wir herausfinden, dass die Abkürzung für „Neuer Deutscher Standard“ steht. Als wir im Herbst wieder auf Leons Profil landen, sehen wir dort ein Foto mit ihm und dem rechtsextremen Rapper „Chris Ares“ auf der Demonstration gegen die Corona-Politik in Berlin Ende August. Der Rapper hatte das Kürzel in der Community etabliert.

Ungläubig scrollen wir weiter durch Leons Account. Ein anderes Foto zeigt ihn in einem Selfie vor einem Spiegel, Leon setzt sich und das T-Shirt in Szene. „Hey Leute, ich habe mir letztens ein Shirt der neuen patriotischen Marke @peripetie_shop gekauft, bestellt doch auch mal was 😁 👍“, schreibt er. Das T-Shirt zeigt einen Phönix. Leon bekommt mehr als 160 Likes für den Post und mehrere positive Kommentare. „Ehrenbürger, du bist einer von uns!🇩🇪 💪🏻“, kommentiert ein Account.

Leons Account ist nicht der einzige mit dem Kürzel „.nds“ – und auch nicht der einzige mit einem Shirt von „Peripetie“ – eine Marke, für die AfD-Politiker Björn Höcke auf Instagram posiert. Schöne Bilder, lustige Clips, Hochglanz: Instagram wirkt manchmal wie eine unpolitische Plattform. Aber die Rechten und Rechtsextremen suchen gezielt über Instagram junge Anhänger – auch, weil sie mit ihnen Geld verdienen können. Unsere Recherche zeigt, wie Rap, Kampfsport und Polohemden eine Schlüsselrolle dabei spielen.

Dieser Text basiert auf den Ergebnissen aus unserer Recherche zum Netzwerk der rechten Szene auf Instagram. Unsere Stichprobe besteht aus etwa 4.500 Accounts, die wir in verschiedene Kategorien aufgeteilt haben. Für diesen Text haben wir fast 500 Accounts der Bereiche „Lifestyle, „Kampfsport/Fitness, „Musik, „Merchandise“ und „Fußball untersucht. Im ersten Teil unserer Reihe zeigten wir, wie junge Frauen strategisch als Influencerinnen in Szene gesetzt werden, um ihre Ideologie über Hashtags und Instagram-Posts zu verbreiten.

Rechtsextreme Rapper und ihre Community

Der Account von Leon zeigt dessen Verbundenheit zu rechtem deutschem Rap – Leon sieht sich offenbar als Teil der Community, die gerne Lieder von den bekannten Vertretern „Chris Ares“ und „Prototyp“ anhören. „Ares“ heißt mit bürgerlichem Namen Christoph Aljoscha Zloch. Kai Naggert, ein Aktivist der „Identitären Bewegung“ aus Nordrhein-Westfalen, steckt hinter „Prototyp“.

Beide geben an, Mitglieder eines Labels mit dem Namen „Neuer Deutscher Standard“ zu sein, tatsächlich wird die Musik jedoch über das Label „Arcadi Musik veröffentlicht. Ihre Instagram-Accounts haben rund 23.000 (Zloch) bzw. 8.000 Follower (Naggert).

Der Account des Rappers „Prototyp ist, wie aus unserer Datenanalyse hervorgeht, einer der wichtigsten Verbindungsaccounts. Wie eine Spinne im Netz. Bei ihm laufen die Stränge der verschiedenen Communitys aus AfD-Umfeld, IB, Medien und Patrioten zusammen.

Das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz stuft Rapper Zloch als Rechtsextremisten ein, wie es CORRECTIV gegenüber bestätigt. In einem Bericht über das erste Halbjahr 2020 heißt es: „Ares steht der rechtsextremistischen ‚Identitären Bewegung‘ nahe. In Liedtexten, Musikvideos und Vlogs verbreitet er deren Symbolik und Ideologie.“ In einem seiner Lieder propagiere er den „rechtsextremistischen Verschwörungsmythos des sogenannten ‚Großen Austausches‘“, der zum Ziel habe, die europäische Bevölkerung durch Migranten zu verdrängen. In einem anderen Song verwende er antisemitische Codes. 

„Heuschrecken“ kämen nach Europa, um dort eine „Mischrasse zu erzeugen, rappt Zloch im Lied „BRDigung. Für Deutschland bedeute dies, so heißt es in einem Lied mit dem Titel „Intro: „Schau gut hin, denn sie wollen uns jetzt vernichten.

Die bayerischen Verfassungsschützer erläutern auf Anfrage von CORRECTIV die Rolle von Instagram für rechtsextreme Rapper wie Zloch oder Naggert. „Die sozialen Medien spielen in der heutigen Strategie von Rechtsextremisten grundsätzlich eine große Rolle.“ Neben Telegram diene Zloch vor allem Instagram als „Sprachrohr“ – über diese Plattform verkündete er seinen Umzug nach Sachsen. „Ein Schwerpunkt seiner Aktivitäten dürfte derzeit vor allem auf Instagram liegen“, wo Zloch „vor allem über seine Bilder“ mit der Community kommuniziere – zumindest bis Ende September.

Am 25. September verkündete „Chris Ares” in einem Instagram-Beitrag seinen Rückzug aus der Öffentlichkeit. (Screenshot und Verpixeln: CORRECTIV)

Dann nämlich kündigte Zloch in einem Instagram-Post an, mit seiner Musik und den öffentlichen Auftritten aufzuhören. Darin hieß es, dies sei „der einzig konsequente Weg nach dem „Moment des Zweifelns, in dem er im Jahr 2020 immer wieder mit seinem Umfeld Gespräche über die Zukunft geführt habe. Vorher hatte er alle anderen Posts gelöscht. Er entfolgte auch allen Accounts. Alle Inhalte und Verbindungen waren aber in unserer Datenbank vorhanden. 

Bei der Analyse der Begriffe und Hashtags, die die Rapper häufig verwenden, stach heraus: Bei „Prototyp“ taucht das Kürzel „nds“ am häufigsten in den Posts auf. Es ist die Abkürzung für einen von Zlochs Songs mit dem Titel „Neuer Deutscher Standard“ und das eigene Label. Zlochs Account verwendete den Hashtag #Deutschrap am häufigsten nach seinem Künstlernamen – wahrscheinlich um seine Lieder als legitimen Teil des Genres darzustellen. 

Über den Arcadi-Verlag haben wir die beiden Rapper zu ihren Instagram-Accounts befragt. Von „Chris Ares“ wollten wir wissen, wie er dazu steht, vom Bayerischen Verfassungsschutz als Rechtsextremist eingestuft zu werden. Eine Antwort haben wir nicht erhalten.

Ansonsten finden sich viele selbstreferenzielle Hashtags (#NeuerDeutscherStandard, #ChrisAres, #ndsfam) in den Posts der beiden politischen Aktivisten, die sich als Rapper geben. Aber auch politischere Hashtags wie #Volk, #Vaterland (beide bei Zloch), dazu #heimatverliebt bzw. #identitär (bei Naggert) finden sich in unseren Ergebnissen. Daran zeigt sich, dass die Rapper ein junges patriotisches Publikum mit ihrer Musik ansprechen wollen – dafür brauchen sie eine Community.

„Wenn du ein Teil unserer Gruppe sein willst, dann zeig es nach außen!“

Hier machten wir eine interessante Entdeckung: Zahlreiche der von uns kategorisierten Accounts der rechten Szene verwendeten das Kürzel „.nds“ in ihrem Instagram-Profilnamen oder -Selbstbeschreibungen.  Genau wie Leon. Einige von ihnen waren offensichtlich minderjährig.

Maik Fielitz hilft uns dabei, diese Entdeckung einzuordnen. Er ist wissenschaftlicher Referent am Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft Jena und beschäftigt sich mit Rechtsextremismus in sozialen Medien. Er hat dazu gemeinsam mit Holger Marcks vor kurzem ein Buch mit dem Titel „Digitaler Faschismus: Die sozialen Medien als Motor des Rechtsextremismus“ veröffentlicht.

„Durch die Verwendung solcher Erkennungszeichen sollen die Leute dazu aktiviert werden, sich zur Gruppe und den dahinterstehenden Ideen zu bekennen. Das geht dann schon einen Schritt weiter als bloße Sympathie. Das heißt konkret: Wenn du Teil sein willst, zeig es nach außen”, erklärt Fielitz.

Dass im Umfeld der beiden Rapper eine eigene Community mit eigenem Erkennungszeichen entstanden ist, ist selbst für den Wissenschaftler Fielitz etwas Neues.

Auf dem Account von „Chris Ares” gab es vor seinem Rückzug häufiger Bilder mit „Prototyp” (ganz links) zu sehen. (Screenshot und Verpixeln: CORRECTIV)

Auf den mittlerweile gelöschten Fotos von „Chris Ares“ sah man Zloch und Naggert häufig bei verschiedenen Aktivitäten kumpelhaft auftreten und sich gegenseitig verlinken. Ausgehend von diesem „Buddy-Format“, wie Fielitz es nennt, nutzte Zloch die Plattform, um direkt mit Fans zu interagieren. „Einige der Follower mögen die Musik, andere sehen das politische Potenzial. Für die recht professionelle Selbstinszenierung dieses rechtsextremen Aktivisten ist Instagram die Basis. Indem er das Celebrity-Format der Plattform bedient, macht er politischen Aktivismus zum Lifestyle.“ 

Weil Zloch und Naggert Musik und Merchandise-Artikel auf Instagram bewerben, dient ihnen die Plattform auch dazu, Einnahmen zu erzielen. Sie versuchen, ihre Zielgruppe auf einer persönlichen Ebene anzusprechen und sie zu inspirieren, eine Musik oder ein neues T-Shirt zu kaufen. Diese Strategie geht auf: Fans und Unterstützer der beiden posten auf Instagram Bilder von sich in „Chris Ares“-T-Shirts oder mit Tonträgern.

In der Beschreibung eines Bildes bei Naggert steht: „Egal, was uns in Zukunft erwartet: Wir bleiben standhaft! Egal, wie hart sie uns bekämpfen: Wir werden härter sein!“ Es ist dieses Verständnis von Wehrhaftigkeit, das uns speziell in Fotos begegnet, in denen junge Männer ihre trainierten Oberarme in die Kamera halten. Neben rechtem Deutschrap sind offenbar Fitness- und Kampfsport relevante Themen, über die Rechte und Rechtsextreme auf Instagram Aufmerksamkeit erzielen wollen.

Ein Kampfsportevent für Neonazis: Der „Kampf der Nibelungen“

„Es wird über 15 Kämpfe geben!“– der Dortmunder Rechtsextremist Alexander Deptolla wirkt vorfreudig, als er in einem Instagram-Livestream über die diesjährige Ausgabe des Kampfsportevents „Kampf der Nibelungen“ (KdN) spricht. Deptolla trägt Kurzhaarschnitt und trinkt alkoholfreies Bier – im Video sprach er Anfang September mit einem Gesprächspartner über den KdN 2020. Der Gesprächspartner heißt Philipp, einer der Hauptakteure der Neonazi-Gruppe „Wardon21. Er trinkt einen Proteinshake.

Beide machen Scherze, Deptolla beantwortet Fragen, alles wie in einem normalen Instagram-Livestream. Nur, dass es hier um ein rechtsextremes Kampfsportevent geht.

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Noch im Vorjahr hatte die Stadt Ostritz in Sachsen die Austragung verboten. Ursprünglich war das Event in diesem Jahr für den 10. Oktober 2020 geplant, allerdings ohne Publikum – die Kämpfe sollten offenbar vorher aufgezeichnet und dann als Livestream gesendet werden. Deptolla gibt Einblick in die Überlegungen zuvor: „Wie könnte man es realisieren, dass der KdN trotz Corona stattfindet? (…) Wie kann man den Leuten attraktiven Kampfsport zeigen?“ Man füge sich den geltenden Verordnungen, schließlich seien sie „gesetzestreue Bürger“, sagt der Neonazi von „Wardon21“. Er und Deptolla lachen.

Am 26. September, zwei Wochen vor dem geplanten Ausstrahlungstermin, verbot die Polizei eine Veranstaltung des KdN in Magdeburg, bei der offenbar die Kämpfe aufgezeichnet werden sollten. Trotz des staatlichen Verbots hielten Deptolla und seine Mitorganisatoren am geplanten Termin fest und verkündeten, dass sie weiterhin am 10. Oktober online streamen wollen. 

Ob und wie der Livestream für den KdN am morgigen Samstag stattfindet, war bei Redaktionsschluss unklar.

Der Account von „Kampf der Nibelungen” warb auf Instagram für Online-Tickets. (Screenshot: CORRECTIV)

„Rechtsextreme Kampfertüchtigung“ statt Sportevent

Der „Kampf der Nibelungen“ ist das größte Kampfsport-Event der militanten Neonazi-Szene Westeuropas. Auf der Homepage steht, dass eine Teilnahme an den meisten „Fight Nights“ in Deutschland „allzu oft mit dem abverlangten Bekenntnis zur freien demokratischen Grundordnung“ stehe oder falle – der KdN sieht Kampfsport nicht „als Teil eines faulenden politischen Systems“, sondern als Alternative, die „in die Breite“ getragen werden soll.

In der Verbotsverfügung aus dem letzten Jahr schrieb die Stadt Ostritz laut dem Spiegel, die Veranstaltung habe keinen Sportcharakter, sondern diene der rechtsextremen Kampfertüchtigung und damit der „Vorbereitung eines politischen Kampfes“.

Der Instagram-Account „Kampf der Nibelungen“ hat mehr als 7.000 Followerinnen. Innerhalb des gesamten Netzwerks, das wir im Rahmen unserer Recherche untersucht haben, nimmt der Account eine zentrale Verbindungsfunktion ein – er steht oftmals zwischen zwei Accounts, die sich nicht direkt folgen. Bei KdN laufen also wie beim rechten Rapper Naggert einige der Fäden zusammen – in der Followerliste finden sich Patrioten, gewaltaffine Fußballfans, Kampfsportler und Anhängerinnen der „Identitären Bewegung“.

Wir haben die Organisatoren nach der Bedeutung des eigenen Instagram-Accounts und Verbindungen zu Neonazi-Gruppen gefragt, eine Antwort ist ausgeblieben.

Der Autor Robert Claus beschäftigt sich seit Jahren mit Rechtsextremismus im Sport, vor kurzem hat er das Buch „Ihr Kampf: Wie Europas extreme Rechte für den Umsturz trainiert“ veröffentlicht. Er beobachtet den „Kampf der Nibelungen“ seit dessen Gründung 2013.

Fitness und Kampfsport: Instagram als Medium der Selbstoptimierung

„Das Leitbild des KdN ist eine gewalttätige Männlichkeit. Das Event will für Nationalismus, Wehrhaftigkeit und Fitness stehen und über das soziale Umfeld neue Mitglieder für die Szene ansprechen. Auf ähnliche Weise hat die Szene schon vor 30 Jahren rekrutiert“, erklärt Claus. Neu sei aber mit Instagram die passende Plattform dafür: „Die gut trainierten Körper sollen ein athletisches Vorbild darstellen und die tägliche Kommunikation soll eine soziale Nähe schaffen.“ 

Auch Jugendliche und junge Erwachsene, die nicht zur rechten Szene gehören, zeigen auf Instagram ihre Muskeln – das ist ein gängiges Motiv auf der Plattform. Der KdN-Account greift den Wunsch, immer besser, fitter und stärker zu werden, in seinen Fotos auf.  Dort finde viel Szenevernetzung, aber auch Eigenpromo statt, bemerkt Claus.

Deptolla und sein Team nutzen Instagram auch dafür, für eigene Produkte wie Umhängetaschen oder T-Shirts mit der Aufschrift „Disziplin ist alles zu werben. Auch hier geht es darum, die Zielgruppe zu erreichen und sie dazu zu bringen, Produkte zu kaufen. Auf den ersten Blick ist nicht zu erkennen, dass es sich beim „Kampf der Nibelungen“ um ein rechtsextremes Event handelt.

In einem Video erklärt sich der Rechtsextreme Frank Kraemer von der Band „Stahlgewitter, der die Webseite „Der dritte Blickwinkel betreibt, als Unterstützer des Events. Dort würden „Kampfgeist und „Disziplin vermittelt, sagt er.

Der „Kampf der Nibelungen” machte über Instagram auf Rabattangebote für eigene Merchandise-Artikel aufmerksam. (Screenshot und Verpixeln: CORRECTIV)

Das Leben als Kampf

Man muss schon sehr genau hinschauen und in der Lage sein, die Codes entschlüsseln zu können, um die Referenzen zu verstehen. Der KdN-Account selbst sei allerdings nicht sonderlich politisch, die „Nazisymbolik“ springe „nicht sofort ins Auge“, findet Claus. 

Unsere Daten zeigen: In den Posts der 500 Accounts, die wir für diesen Text untersucht haben, taucht der Hashtag #Kampfgemeinschaft bei verschiedensten Nutzern aus den Bereichen Patriotismus, Musik, Merchandise, Lifestyle und eben Kampfsport auf. „Es gibt eine rechte ‘Kampfgemeinschaft’ rund um den KdN, das sind militante Nazi-Kameradschaften sowie extrem rechte Kleidungslabels, erklärt der Autor.

Instagram-Accounts von Aktiven oder Unterstützerinnen des KdN führen am häufigsten das Wort „Kampf“, entweder als Wort oder Emojis, in ihren Selbstbeschreibungen. Kombiniert man das mit anderen Hashtags wie #Kickboxing oder #Brotherhood, wird deutlich, dass ein gewaltaffines junges (männliches) Publikum angesprochen werden soll. Das Leben als Kampf und Gewalt als Mittel – das sind zentrale Elemente des Rechtsextremismus.

Claus weist auf ein weiteres Phänomen hin, das man bei „Kampf der Nibelungen“ und der Community beobachten könne: „Organisationen wie der KdN stellen sich als lose Netzwerke dar, die nur punktuell zusammenkommen, um Verbote zu vermeiden. Im Grunde ist es aber ein eng vernetztes Milieu, aus dem die Organisationen, Gruppierungen und Initiativen entstehen. Ein Blick in unsere Daten bestätigt diese These: Der KdN-Account folgt NPD-Mitgliedern und Rechtsextremen. Auch zwischen Medienszene und KdN bestehen Verbindungen, beispielsweise zum Lifestyle-orientierten Arcadi-Magazin, das ein junges rechtes Publikum ansprechen soll. 

„Alle zentralen Akteure verweisen auf ihre Telegram-Accounts, wo in kleinerem und geschützterem Rahmen weiter kommuniziert wird“, ergänzt Claus.

Männlichkeitsbilder und Merchandise auf Instagram

Das Interesse junger Menschen an Fitness und Kampfsport nutzt die rechte bis rechtsextreme Szene also, um T-Shirts eines Kampfsport-Events oder Karten für einen Livestream, bei dem Rechtsextreme miteinander kämpfen, zu verkaufen. Dasselbe machen die Rapper mit ihrer Musik. Instagram ist auch eine Marketing-Plattform – und die rechte Szene hat erkannt, wie sie dort Geld machen kann. „Die Verbindung von politischem Aktivismus und Kommerz ist schon fast ein Markenzeichen für die Szene“, meint Rechtsextremismus-Forscher Fielitz.

Die beiden rechten deutschen Rapper Zloch und Naggert betonen in ihren Posts den Wert der Gemeinschaft und der Heimat, um die es sich aus ihrer Sicht zu kämpfen lohnt. Sie nehmen dabei Anleihen bei einem Männlichkeitsbild, das auch beim „Kampf der Nibelungen“ thematisiert wird und unter anderem auf Wehrhaftigkeit und Disziplin setzt.

Welche Rolle Merchandise für die Szene spielt, zeigt sich daran, dass einige Rechtsextreme gar eigene personalisierte Produkte herausbringen, zum Beispiel der Medienmacher und Agitator Heiko Schrang. „Wenn sich Menschen solche T-Shirts kaufen, geht es natürlich um die Identifikation mit der Person, aber auch darum, Unterstützung zu zeigen. Das ist so wie früher, als man sich ein T-Shirt einer Band gekauft hat“, erklärt Fielitz.

„Die Aktivisten reposten dann die Selfies der Sympathisanten, die ihre Shirts tragen und dadurch entsteht eine Form der Interaktion, die beide Seiten in ihrem Handeln bestärkt.“ Auch Organisationen wie die IB verkaufen eigene Produkte. Bei ihr geht es aber weniger um die Identifikation mit einer Einzelperson, sondern mit einer Gruppe.

Über Plattformen wie Instagram sei es nun möglich, eine „parasoziale Ebene zu schaffen. „Man hat das Gefühl, mit einer Person in Kontakt zu stehen, obwohl man sich gar nicht kennt. Darüber werden dann Gemeinsamkeiten geschaffen“, erläutert Fielitz dieses Konzept.

Auch Leon kaufte sich ein Produkt aus der Szene und zeigte sein neues „Peripetie”-T-Shirt seinen Followern auf Instagram. Am Beispiel dieser Marke wird deutlich, wie die rechte Szene auf Instagram vorgeht.

Björn Höcke auf einem Foto des Instagram-Accounts „Peripetie”. (Screenshot und Verpixeln: CORRECTIV

Auf einem Foto des Accounts der Marke hockt der Fraktionsvorsitzende der AfD in Thüringen, Björn Höcke, in einem Polohemd des Labels – er wirkt wie ein Testimonial. „Trage, was Du fühlst!, heißt es in der Bildbeschreibung. Der Shop hat mehr als 2.000 Follower und vertreibt „casual“-Kleidung. In seinem Profil bezeichnet sich der Shop als „patriotisch“ und „konservativ“.

Björn Höcke hat auf eine schriftliche Anfrage von CORRECTIV, warum er mit einem Kleidungsstück der Marke posierte, nicht geantwortet.

Rechtsextreme als Werbeträger auf Instagram

Maik Fielitz sagt dazu: „Höcke ist ein guter Werbeträger, weil er Ikonenstatus in der rechten Szene hat. In diesem Fall agiert er wie ein Influencer.“ Auch andere Influencer der Szene wie „Chris Ares“ und „Prototyp“ posierten in „Peripetie“-Kleidung mit dem Phönix auf der linken Brust.

Rechte und Rechtsextreme machen sich die für Instagram eigene Kommunikation mithilfe von Influencern zunutze, die aus verschiedenen Bereichen stammen: Bei „Peripetie sind es Politik und Musik. Events wie der „Kampf der Nibelungen“ satteln auf den Fitnessboom in der Gesellschaft auf. Musik, Sport und Kleidung sind wichtige Elemente, mit denen Jugendliche wie Leon, ihre Identität ausdrücken. Rechte und Rechtsextreme wissen das und vermarkten sich und ihre Produkte daher auf Instagram – ganz wie Influencerinnen des Mainstreams.

Robert Claus hält fest: „Hinter den ganzen Männerbünden, der Heimattümelei und der Naturorientierung steckt eine gewalttätige rassistische Ideologie. Das muss man sich immer wieder bewusst machen.“

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CORRECTIV ist spendenfinanziert. Unterstützen Sie Recherchen wie diese, um rechte Netzwerke ans Licht zu bringen. Hass und Hetze dürfen nicht im Verborgenen bleiben.

Veröffentlicht am 09. Oktober 2020

Recherche & Texte: Alice Echtermann, Arne Steinberg, Celsa DiazClemens Kommerell, Till Eckert
Datenwissenschaft: Celsa Diaz, Clemens Kommerell
Redaktion: Olaya Argüeso, Justus von Daniels
Design: Benjamin Schubert, Belén Ríos Falcón
Projektmanagement: Marius Wolf
Mitarbeit: Frederik Richter, Jonathan Sachse, Miriam Lenz, Carol Schaeffer, Melina Hemmer
Kommunikation: Katharina Späth, Luise Lange, Bao-My Nguyen, Valentin Zick