Unions-Affäre: Das Transparenzproblem von CDU und CSU
Fast einer von fünf Bundestagsmitgliedern sieht Lücken bei den Spenden-Regeln für Parteien und Abgeordnete. In einer exklusiven CORRECTIV-Befragung sagten 147 Abgeordnete, dass die gegenwärtigen Gesetze nicht ausreichen. Ausgerechnet die Mitglieder der Union sehen wenig Änderungsbedarf. Nur ein einziger CDU-Politiker spricht sich für mehr Transparenz aus. Heute diskutieren SPD und Union über schärfere Gesetze für Parteien und Abgeordnete.
Gleich mehrere Korruptions-Skandale erschüttern derzeit die Union. Doch nach einer wenige Wochen alten CORRECTIV-Befragung ist das Problembewusstsein innerhalb von CDU und CSU gering: Zwar halten 147 Abgeordnete im Bundestag die derzeitigen Transparenzregelungen bei Spendenzahlungen für nicht ausreichend, also knapp 20 Prozent. Innerhalb der Union aber spricht sich einzig der Essener Abgeordnete Matthias Hauer für „Einschränkungen“ von Direktspenden an Abgeordnete aus. Alle anderen Mitglieder der Union haben sich zufrieden mit den geltenden Regeln geäußert oder gar nicht erst auf die CORRECTIV-Anfrage geantwortet.
CORRECTIV hatte die Umfrage kurz vor Auffliegen der aktuellen Affäre der Union im Februar an alle 709 Mitglieder des Bundestags verschickt sowie auch an ehemalige Abgeordnete aus der laufenden Legislaturperiode. Darin bat CORRECTIV die Abgeordneten im CrowdNewsroom anzugeben, ob sie in den vergangenen fünf Jahren Abgeordnetenspenden erhalten haben und ob sie die derzeitigen Spendenregeln für Abgeordnete und Parteien ausreichend finden.
Nur 34 Abgeordnete der Union reagieren auf Anfrage
Knapp die Hälfte aller Bundestagsmitglieder, rund 300, antworteten. Davon sieht wiederum knapp die Hälfte die Notwendigkeit, das Parteiengesetz zu reformieren. Die Antworten sind hochaktuell angesichts der gegenwärtigen Korruptionsvorwürfe gegenüber CDU-Politikern sowie der Korruptionsaffäre der AfD. Derzeit stehen drei Abgeordneten der CDU/CSU-Fraktion, Georg Nüßlein, Nikolas Löbel und Mark Hauptmann sowie der Staatssekretär Thomas Bareiß unter Verdacht, sich bei krummen Geschäften mit Corona-Masken persönlich bereichert oder Interessenkonflikte nicht ausgewiesen zu haben.
Auffällig ist der jeweilige Anteil der Parlamentarier und Parlamentarierinnen, die auf die CORRECTIV-Umfrage geantwortet haben: So haben bei den Grünen und den Linken mehr als 80 Prozent der Abgeordneten reagiert, bei der SPD war es über die Hälfte. Von der CDU/CSU-Fraktion haben sich dagegen nur etwas über 13 Prozent zurückgemeldet – das sind prozentual noch weniger als bei der AfD, die immerhin auf 17 Prozent kam. Die einzelnen Antworten beinhalten teilweise konkrete Angaben zu erhaltenen Spenden. Sie werden in den kommenden Wochen gemeinsam mit dem Netzwerk von CORRECTIV.Lokal ausgewertet.
Der Fokus der Umfrage lag auf Direktspenden an Abgeordnete, bei denen die Transparenzpflichten deutlich lockerer sind als bei den klassischen Parteispenden. In jüngster Zeit haben verschiedene Spendenskandale aufgezeigt, wie Lücken im Parteiengesetz bewusst ausgenutzt werden. Um diese Schlupflöcher zu thematisieren, hat CORRECTIV die Umfrage bereits Wochen vor der aktuellen Affäre der Union angestoßen.
Spenden-Regeln: Opposition fordert schon länger Verschärfungen
Am deutlichsten fordern Abgeordnete der Linken und der Grünen bei der CORRECTIV-Umfrage Verschärfungen. Fabio de Masi, finanzpolitischer Sprecher der Linken spricht sich dafür aus, „Spenden ab 500 Euro zu veröffentlichen“, wie es seine Partei in einem Beschluss auch festhält. Die Linken fordern außerdem ein generelles Verbot von Unternehmensspenden.
Aus den Antworten der SPD-Abgeordneten ergibt sich ein gemischtes Bild: Parteichefin Saskia Esken plädiert gegenüber CORRECTIV klar dafür, „Abgeordnetenspenden grundsätzlich“ zu verbieten. Die SPD gestattet es eigenen Abgeordneten nicht, Spenden direkt anzunehmen. Dies soll auch per Gesetz verankert werden, fordern mehrere SPD-Abgeordnete. Von rund 100 Antwortenden aus der Partei, sagten aber auch 16 Abgeordnete, dass sie mit den geltenden Regeln zufrieden seien.
Inzwischen aber kommen die Abgeordneten aufgrund der aktuellen Skandale auch im Bundestag nicht mehr um das Thema herum: Aktuell diskutieren die Parteien über eine Verschärfung der Transparenzpflichten für Abgeordnete. Umstritten ist, wie umfassend härtere Regeln eingeführt werden sollen. Mehrere Parteien fordern jetzt, das Parteiengesetz zu ändern und höhere Transparenz-Anforderungen zu Nebeneinkünften und Spendenzahlungen zu definieren.
Heute diskutieren SPD und Union über neues Parteiengesetz
Die SPD hat konkrete Entwürfe für Änderungen am Abgeordnetengesetz, dem Strafgesetzbuch und dem Parteiengesetz vorgelegt. Diese Vorschläge beinhalten neben Themen wie Nebeneinkünften auch umfassende Verschärfungen der Spenden-Regeln für Abgeordnete und Parteien. So möchte die SPD nicht nur Direktspenden an Abgeordnete verbieten, sondern auch die Veröffentlichungspflicht in Rechenschaftsberichten von 10.000 Euro auf 2.000 Euro senken.
Zudem sollen zukünftig auch Einnahmen aus Sponsorings offengelegt werden. Aus dem Inneren der SPD heißt es, dass eine Änderung der Gesetze noch vor der Sommerpause angestrebt wird. Am Freitag (12.3.) trafen sich dazu SPD und Union. Die Beratungen zogen sich über mehrere Stunden und waren bis zur Veröffentlichung dieses Textes noch nicht abgeschlossen.
Auch Sophie Schönberger, Leiterin des Instituts für Parteienrecht und Parteienforschung an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, hält eine Überarbeitung des Parteiengesetzes für notwendig. Eine Veränderung der internen Regeln innerhalb der Parteien reiche nicht aus, sagt die Juristin: „Wenn man die Umsetzung der Regeln allein in die Hände der Parteien gibt, ist das wenig effektiv.“
Auch eine Absenkung der Veröffentlichungsgrenzen für Spenden sieht sie skeptisch. Damit sei es immer noch möglich, die Regeln zu umgehen; zum Beispiel indem man 1.999 Euro statt 2.000 Euro spendet: „Die Regelung schafft also mehr Transparenz, ist aber kein großer Wurf.“ Schönberger sieht neben den diskutierten Vorschlägen eine andere zentrale Lücke im Parteiengesetz: „Parallelaktionen sind das wichtigste Thema, das man angehen sollte.“
AfD-Spendenaffäre zeigt Gesetzeslücken
Mit Parallelaktionen sind finanzielle Hilfen gemeint, die nicht direkt an Parteien fließen, sondern über Umwege in Wahlkämpfe oder an einzelne Politiker fließen und dabei nicht transparent gemacht werden. Offiziell darf eine Partei nicht in solche Maßnahmen eingebunden sein. Sonst können Spender auf diese Art anonym Parteien oder einzelne Abgeordnete unterstützen. Darum dreht sich im Wesentlichen die AfD-Spendenaffäre. Ein Verein hatte über mehrere Jahre für die AfD mit millionenschweren Kampagnen geworben.
Da das Parteiengesetz derartige Parallelaktionen nicht regelt, verweisen Vertreter des AfD-Unterstützer-Vereins selbstbewusst darauf, dass die Geldspender anonym bleiben könnten. Denn angeblich gebe es keine Verbindung zur AfD. Sollten Verbindung bestehen, drohen der Partei hohe Strafen. Die Recherchen zur AfD-Spendenaffäre zeigen, dass die bisher zugelassenen Lücken im Parteiengesetz strategisch genutzt werden.