Russland/Ukraine

Sanktionen gegen EU-Ableger russischer Banken: Deutschland setzte sich für Ausnahmen ein

Die EU-Töchter russischer Großbanken können nach wie vor in Europa lukrative Geschäfte machen – hinter verschlossenen Türen setzte sich die Bundesregierung dafür ein, dass die russischen Tochterbanken mit Sitz in der EU nicht vom SWIFT-Zahlungssystem ausgeschlossen wurden. Das belegen interne Dokumente, die CORRECTIV vorliegen.

von Justus von Daniels , Marlene Jacobsen , Jean Peters

Pro Ukraine Demonstration at the White House
Reichen die Sanktionen, wenn einige Banken ausgenommen werden? Deutschland unterstützt die EU offensiv bei Ausnahmen. Foto: Michael Brochstein/ZUMA Press Wire/picture alliance

Der Ausschluss vom internationalen Zahlungssystem SWIFT gilt unter den Wirtschaftssanktionen als schärfstes Schwert. Ohne Zugang zu SWIFT ist Russland vom globalen Finanzmarkt praktisch abgeschnitten und kann über die sanktionierten Banken nur über Umwege Geld von Handelspartnern im Ausland empfangen.

Aber diese Sanktionen gelten nicht für die außerrussischen Tochterbanken Russlands in der EU.

Bei den bisherigen Abstimmungen zu Sanktionen der EU gegen den russischen Finanzmarkt lehnte Deutschland für einige Banken Strafmaßnahmen ab: In einer schriftlichen Weisung wird deutlich, dass Deutschland keinen Ausschluss von russischen Tochterbanken in der EU vom SWIFT-Zahlungssystem wollte. Diese Banken sind rechtlich selbstständig, doch ihre Konzernmütter sind die sanktionierten Banken in Russland. 

Ableger russischer Banken in der EU können ohne Einschränkung Geschäfte machen

CORRECTIV liegen interne Dokumente vor, die zeigen, dass Deutschland nicht nur klare Weisungen für diese Ausnahme vom SWIFT-Ausschluss in die Verhandlungen mit den EU-Mitgliedsstaaten mitnahm. Deutschland machte sich sogar dafür stark, alle Töchter der russischen Großbank VTB von Sanktionslisten auszuschließen. In einer internen Weisung Anfang März 2022 heißt es zur VTB Bank: „Dabei unseres Erachtens für den Moment nicht Listung der EU Töchter, sondern nur der Mutter“.

Das Auswärtige Amt gab den deutschen Vertretern für das Treffen des Ausschusses der Ständigen Vertreter der Mitgliedsstaaten im EU-Rat Anfang März als schriftliche Weisung mit: Deutsches Verhandlungsziel sei „kein de-SWIFTing der außerrussischen Tochterunternehmen“. In anderen Dokumenten heißt es, man solle beim Thema SWIFT „für [eine] zielgerichtete Anwendung […] werben, um unintendierte Auswirkungen zu reduzieren.“ Es heißt, die Sanktionen müssten „uns nicht mehr schaden als Russland.“ Damit folgte die Regierung einem Vorschlag der EU.

Bundesfinanzministerium sieht Verantwortung bei EU-Kommission

Das inhaltlich zuständige Bundesfinanzministerium bestätigte diese Haltung auf Anfrage von CORRECTIV, gibt jedoch der EU-Kommission die Verantwortung. Ein Ausschluss europäischer Töchter russischer Banken von SWIFT sei bereits im Vorschlag der EU Kommission vorgesehen gewesen, man habe nur noch zugestimmt. „Grundsätzlich konzentrieren sich die EU-Sanktionen darauf, den Schaden für die russische Wirtschaft zu maximieren und Gegeneffekte, die die Bündnispartner in ihrer Durchhaltefähigkeit schwächen, möglichst gering zu halten.” 

Weitere inhaltliche Gründe für diese Ausnahmen nennt die Bundesregierung nicht. Das Auswärtige Amt antwortet auf Anfrage von CORRECTIV: „Wir haben uns als Bundesregierung dafür eingesetzt, die Sanktionen gegen russische Banken zu verschärfen. In diesem Sinne sollen aus Sicht der Bundesregierung Banken, die von SWIFT abgekoppelt wurden, auch gelistet werden, so dass ein allgemeines Transaktionsverbot gilt und diese Banken keinen Zugang zu ihren Vermögenswerten in der EU mehr haben, und vice versa.“ 

Kontrollsysteme können die Banken relativ leicht umgehen

Wird eine Bank vom SWIFT-Netz ausgeschlossen, kann sie Überweisungen nur über komplizierte Umwege organisieren. Wird sie als sanktioniert gelistet, können sie in der EU überhaupt keine Transaktionen mehr durchführen und ihr Vermögen wird eingefroren. 

Das bestätigt auch die Bundesbank, die für die Kontrolle der Zahlungsströme in Deutschland zuständig ist: Die Tochterbanken dürfen keine Zahlungen an ihre sanktionierten Mutterbanken weiterleiten. „Fraglich ist, ob die eher schwachen Kontrollen der Bundesbank ausreichen, eine effektive Sanktionsdurchsetzung für alle Konten der russischen Banken sicherzustellen,“ sagt dazu der Finanzexperte Christoph Trautvetter vom Netzwerk Steuergerechtigkeit. Die Tochterbanken können beispielsweise Zahlungen etwa an chinesische Banken senden, die mit einem SWIFT-unabhängigen System das Geld an ebendiese Mutterbanken weiterleiten.

Nach Außen hin brüstet sich die EU mit ihren harten wirtschaftlichen Strafmaßnahmen gegen Russland: „Wir höhlen die Fundamente der russischen Wirtschaft nach und nach aus“, sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen Ende Februar im Hinblick auf den Ausschluss russischer Banken aus dem SWIFT-System. Über die Ausnahmen, die die EU weiterhin zulässt, sagte sie dort nichts.

Wir aktualisieren tagesaktuell, welche individuellen Sanktionen gegen wen verhängt werden und beantworten die wichtigsten Fragen zum Thema.

Die EU hat seit Beginn des russischen Angriffskrieges zehn russische Großbanken aus dem SWIFT-System abgekoppelt – sieben Anfang März sowie drei weitere im Juni. Darunter ist nun auch die Sberbank, Russlands größte Bank. 

Zehn russische Großbanken sanktioniert, die Gazprom-Bank nicht

Inwieweit diese Maßnahmen der russischen Wirtschaft tatsächlich das Fundament wegreißen, ist jedoch umstritten. Ein Grund, weshalb die Sanktionen nicht richtig durchschlagen, ist, dass nicht alle russischen Banken davon betroffen sind. Bekannt ist, dass sie beispielsweise nicht für die Gazprombank gelten, über die die Zahlungen für Gas laufen. Und die europäischen Töchter russischer Großbanken dürfen weiterhin ihren internationalen Zahlungs- und Nachrichtenverkehr über SWIFT laufen lassen.

Nach Recherchen von CORRECTIV haben die von SWIFT ausgeschlossenen russischen Banken in Europa mindestens sieben Tochtergesellschaften, darunter etwa die VTB Bank (Europe) SE in Frankfurt am Main. Weitere Tochterbanken sind in Zypern und Luxemburg angesiedelt. 

Die Ausnahmen stießen innerhalb der EU auch auf Skepsis. Das polnische Außenministerium schreibt auf Anfrage von CORRECTIV: „Russische Banken, einschließlich ihrer in der EU tätigen Tochtergesellschaften, sind ein wichtiges Instrument zur Förderung des russischen Finanzsystems.“ Ihr Management handele normalerweise unter strenger politischer Aufsicht des Kremls, so das polnische Außenministerium. Würde nur ein Teil des russischen Bankensystems abgeschnitten, erleichtere dies „den Wechsel von einer Bank zur anderen und verringert die praktischen Auswirkungen der EU-Sanktionen erheblich.“

Vertreter von Litauen, Tschechien und Dänemark setzten sich laut Sitzungsprotokollen, die CORRECTIV vorliegen, seit März für einen SWIFT-Ausschluss ausnahmslos aller russischen Banken ein. Dabei wird aus den internen Papieren und Nachfragen nicht deutlich, ob damit explizit auch Tochterbanken mit Sitz in der EU gemeint sind.