Russland/Ukraine

Skandal um deutschen Putin-Biograf: WDR hatte schon 2012 Hinweise zu Seipels Kreml-Nähe

Der Autor Hubert Seipel hatte nach Recherchen von Spiegel und ZDF ab 2018 mindestens 600.000 Euro von einem russischen Oligarchen erhalten. Nun zeigen Recherchen von CORRECTIV und Focus, dass eine E-Mail einer PR-Firma des Kreml an das WDR-Studio in Moskau bereits 2012 für Aufregung sorgte.

von Marcus Bensmann , Jan-Philipp Hein

Die Nähe von Hubert Seipel zu Putin war berüchtigt. Nun wissen wir, er bekam mindestens 600.000 Euro von einem russischen Oligarchen. Aber schon im Februar 2012 gab es eine verräterische Email einer PR-Firma des Kremls. .

Im Februar 2012 kam im ARD-Studio Moskau eine kuriose E-Mail einer PR-Agentur an. Darin bekundet der Absender sein Interesse, das ARD-Porträt „Ich, Putin“ möglichst weit zu verbreiten. Die deutschen Journalisten in Moskau wurden stutzig. Denn es war nicht irgendeine Agentur, die sich in Moskau meldete, es handelte sich um GPlus. Die PR-Profis aus Brüssel hatten damals den Auftrag, die russische Regierung in Europa besonders gut aussehen zu lassen. Für die Mitarbeiter des Moskauer WDR-Studios bestätigte sich ein Verdacht, den sie schon länger gehegt hatten: Wieso gingen Putins PR-Strategen davon aus, dass ein Film des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ein solcher Erfolg für ihren Kunden sein könnte? Das Studio schickte eine Warnung an den WDR nach Köln.

Doch der Film erschien Wochen später am 1. März und damit wenige Tage vor den russischen Präsidentschaftswahlen. Putin wird darin als zupackender und hochintelligenter Anführer gezeichnet – der Retter und ein Segen für das geschundene Russland. Der Macher des Jubelstücks: Hubert Seipel.

Seipels Kollegen hegen früh Verdacht von dessen Putin-Nähe

Vergangene Woche enthüllten ZDF und Spiegel, dass der Hamburger Journalist ab 2018 mindestens 600.000 Euro von einem russischen Oligarchen erhalten hatte, der Putin nahe steht. Zudem fanden sich Hinweise, dass Seipel bereits 2013 Geld aus Russland erhalten haben soll.

Recherchen von CORRECTIV und Focus zeigen jetzt, dass Seipels ARD-Kollegen schon davor den Verdacht hegten, dass der Filmemacher Putin nicht als Journalist, sondern als PR-Gehilfe begegnete. Doch ihre Warnungen wurden ignoriert. Der ARD war der Scoop wichtiger als die kritische Distanz. Man feierte Seipel und sich selbst, Putin so nahe wie kein anderes westliches Medium gekommen zu sein. Das sehr schmeichelhafte Porträt des russischen Autokraten erhielt damals den „Deutschen Fernsehpreis“.

Das ARD-Studio in Moskau gehört zum WDR. Die dort stationierten Korrespondenten hatten schon lange vor der E-Mail der Brüsseler PR-Agentur schwere Bedenken gegen Seipels Projekt: „Für uns war klar, dass Putin keinen Journalisten so nah an sich ranlassen würde, wenn er sich nicht darauf verlassen kann, dass es ihm nützt“, sagte ein WDR-Journalist bereits vor neun Jahren, als Focus die Hintergründe der Entstehung des Films zum ersten Mal recherchierte.

NDR wollte den Film, trotz Warnungen aus dem WDR

Doch der WDR wurde damals ausgebootet. Seipel machte seinen Film mit dem NDR. In den Schaltkonferenzen der ARD-Chefredakteure soll das Projekt mehrfach kritisch hinterfragt worden sein. Sigmund Gottlieb, zu der Zeit Chefredakteur des Bayrischen Rundfunk habe sogar die Kollegen des NDR gefragt, ob sie dabei nicht „einen Pakt mit dem Teufel“ eingingen. Nachdem die E-Mail aus Brüssel in Moskau noch vor der Veröffentlichung des Films eintraf, war für WDR-Leute schließlich klar: „Der Kreml kannte den fertigen Film.“ Heute heißt es dazu vom damaligen PR-Agenten des Kreml, der die Mail schrieb: „Das würde ich nicht ausschließen.“

Mittlerweile lässt der NDR den Vorfall vom ehemaligen Spiegel-Chefredakteur Steffen Klusmann und dem hauseigenen Justiziar aufklären. Fragen des Focus, wer wann welche Warnsignale erhalten hat und wie man versuchte sicherzustellen, dass Seipel Wladimir Putin nicht unjournalistisch nahe kommt, beantwortet der Sender nicht.

Der WDR bestätigt, nach der verräterischen E-Mail und den Warnungen der eigenen Leute aus Moskau den Schwestersender in Hamburg gewarnt zu haben: „Es gab in dieser Sache Austausch zwischen WDR und NDR“, heißt es. Nun wolle man zunächst dem NDR „alle für die Prüfung relevanten Informationen zur Verfügung stellen“. Keine weiteren Antworten.

Für seine Filme habe er aus Russland nie Geld erhalten; nur für seine Bücher

Seipel war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. CORRECTIV und Focus wollten wissen, ob bereits im Zuge eines Films über den russischen Energieriesen Gazprom, den Seipel 2009 für den WDR produziert hatte, Geld aus russischen Quellen an ihn geflossen war. Nach den Enthüllungen über die Zahlungen des Oligarchen an ihn erklärte Seipel vergangene Woche, dass sich das Geld ausschließlich auf Buchprojekte bezogen habe. Für Filme oder Fernsehinterviews habe er nie Geld von Dritten bekommen. Zudem sei er mit dem Geld für die Bücher „keinerlei inhaltliche Verpflichtungen gegenüber dem Sponsor eingegangen“.

Glaubwürdig ist das kaum. Ein westlicher Journalist, der von einem russischen Oligarchen über zypriotische Briefkastenfirmen Hunderttausende Euro erhält, macht sich erpressbar. So bedeuten die Enthüllungen der Zahlungen vermutlich auch das Ende der Karriere Seipels im etablierten Medienbetrieb. Der Verlag Hoffmann & Campe, in dem der Journalist vergangenes Jahr das Sachbuch „Putins Macht“ veröffentlichte, nahm Seipels Bücher vom Markt. Der NDR prüft rechtliche Schritte gegen ihn.

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