Ungerechte Arbeit

Spanien debattiert nach CORRECTIV-Recherche über Missbrauch von Erntehelferinnen

Unsere Recherche über die sexuelle Ausbeutung von Erntehelferinnen schlägt in Spanien hohe Wellen. Agrarverbände und Gewerkschaften weisen die Vorwürfe zurück. Politiker und Medien greifen die Berichterstattung auf.

von Niklas Trinkhaus , Pascale Müller , Stefania Prandi

Unterkünfte von Erntehelferinnen in der spanischen Region Huelva: das Land diskutiert jetzt über ihre Arbeitsbedingungen.© Stefania Prandi

Wochenlang reisten die Journalistinnen Pascale Müller und Stefania Prandi durch Spanien, Marokko und Italien und haben über sexuelle Gewalt recherchiert: gegen die Frauen, die in diesen Ländern das Obst und Gemüse pflücken, das in europäischen Supermärkten landet. Nach der Recherche ist der sexuelle Missbrauch in Huelva, der wichtigsten Anbauregion für das „rote Gold“, weit verbreitet. Ein weiteres Ergebnis der Recherche in Spanien: das Land verdient am Export von Erdbeeren, schweigt aber über den Missbrauch der Frauen.

Die gemeinsamen Recherche von CORRECTIV, „BuzzFeed News“ und dem „RTL Nachtjournal“ hat jetzt eine Debatte in Gang gesetzt.

Die Branche selbst weist die Vorwürfe zurück. Die wichtigsten Agrarverbände und die beiden größten Gewerkschaften Spaniens (CCOO und UGT) widersprechen in einer gemeinsamen Erklärung den Ergebnissen der Recherche.

„Wir haben keinerlei Kenntnisse von Anzeigen oder juristischen Verfahren in Zusammenhang mit mutmaßlichen sexuellem Missbrauch auf den Erdbeerfeldern“, heißt es in der Erklärung vom Dienstag.

Die Angst der Betroffenen sich an die Justiz zu wenden, ist ein wichtiges Ergebnis der Recherche. Daher sind wenige Fälle aktenkundig und das Ausmaß der Probleme ist schwer abzuschätzen. Die Recherche in Spanien beruht auf Gesprächen mit mehr als 100 Erntehelferinnen, viele von ihnen aus Marokko. 28 von ihnen geben an, dass sie körperlich sexuell belästigt oder vergewaltigt wurden.

Auf den fehlenden Zugang dieser Frauen zur spanischen Justiz geht die Erklärung nicht weiter ein. Stattdessen sorgen sich die Organisationen um den Ruf der für die Region wichtigen Erdbeerproduktion. „Wir können daher nicht akzeptieren, dass der ganze Sektor verallgemeinert dargestellt wird, was selbstverständlich einen Schaden für die Gesamtheit von Personen, Arbeitern, Produzenten, Händler, Transporteure verursacht, die ihn bilden. Und der auf dem Markt mit den Erdbeeren anderer Länder konkurriert.“

„Dramatische Situation“

Isabel Salud, Abgeordnete des linken Bündnisses Izquierda Unida, thematisierte die Recherchen im spanischen Parlament. Sie fragte, welche Daten die Regierung zu den Missständen vorliegen habe und ob es Untersuchungen der Vorfälle in der Region Huelva gebe. „Welche Maßnahmen sieht die Regierung angesichts der dramatischen Situation der Gastarbeiterinnen in ländlichen Gebieten vor, um die Arbeiterinnen in Huelva zu unterstützen?“, fragte Salud.

Auch spanische Medien greifen die Recherche auf, zum Beispiel die Zeitung „La Mar de Onuba“. Die Zeitung zitiert Pastora Cordero, eine Gewerkschafterin aus Andalusien. Sie sagte der Zeitung: „Es gibt Menschen, die das Problem direkt vor sich haben und nicht in der Lage sind, es zu sehen. Denn um es zu sehen, bedarf es Geschlechtersensibilität“.

Die Gewerkschafterin will bei der Gewerkschaft CCOO in der Provinz Huelva das Thema jetzt auf die Agenda setzen. Die Zeitung verweist allerdings auch auf Stimmen, die die Veröffentlichung als Teil einer Schmutzkampagne gegen die Region sehen. Dahinter sollen angeblich Organisationen stecken, „die daran interessiert sind auf dem internationalen Markt mit den Erdbeeren aus Huelva zu konkurrieren“.

Marokko kündigt Untersuchung an

Auch in Marokko gibt es eine Reaktion auf die Recherche: das marokkanische Arbeitsministerium hat in einer Pressemitteilung angekündigt, dass eine spanisch-marokkanische Delegation in der vergangenen Woche die Arbeitsbedingungen der marokkanischen Erntehelferinnen in Huelva untersucht hat. CORRECTIV hat das Ministerium nach den Ergebnissen dieses Besuchs gefragt, Antworten liegen noch nicht vor.

Marokko ist selbst Exporteur von Obst und Gemüse nach Europa. In der wichtigsten Anbauregion im Süden des Landes, Souss-Massa, werden Kirschtomaten vor allem für den europäischen Export produziert. Auch hier ist laut der Recherche der sexuelle Missbrauch von Frauen verbreitet. Anders als in Spanien setzten sich Gewerkschaften jedoch für die Frauen auf den Feldern ein. CORRECTIV hat das Arbeitsministerium auch hierzu um Stellungnahme gebeten.