Drogenpolitik

Cannabis-Legalisierung: Bundesregierung vernachlässigt Geldwäscherisiko

Die Cannabis-Legalisierung kommt – zugleich wächst bei Fachleuten und Brancheninsidern die Angst vor einem Zustrom von Schwarzgeld. Ein bisher unveröffentlichtes Dokument zeigt: Auch im Gesundheitsministerium gibt es Bedenken. Vorschläge, Geldwäsche zu verhindern, griff das Kabinett aber nicht auf.

von Gabriela Keller

Foto: Ahmed Zayan / unsplash.com
Schon ab April können Cannabisfreunde legal kiffen – unterdessen geht in der Branche die Angst vor dubiosen Geschäftemachern und Geldwäsche um. Die Bundesregierung kümmern Warnungen wenig.

Wenn nichts mehr dazwischen kommt, darf in Deutschland ab kommendem April legal gekifft werden. Welche Geldwäscherisiken mit der Legalisierung verknüpft sind, scheint die Bundesregierung aber wenig im Blick zu haben.

CORRECTIV liegt ein Referentenentwurf für das Cannabisgesetz vom 28. April 2023 vor, in dem eine Referentin des Bundesgesundheitsministeriums für strengere Regeln bei der Zulassung sogenannter Cannabis-Clubs plädiert: „Bitte ggf. weitere Erlaubnisvoraussetzungen, Maßnahmen und/oder Antragsunterlagen zur Verhinderung von Geldwäsche und organisierter Drogenkriminalität ergänzen“, schreibt die Referentin in einem Kommentar, der Hinweis richtet sich an das Bundesinnen- und das Bundesfinanzministerium.

Allerdings lief der Vorschlag ins Leere: Im August 2023 beschloss das Kabinett das Gesetz. Der Hinweis der Referentin wurde nicht aufgegriffen – der aktuelle Entwurf sieht keine weiteren Transparenzpflichten für Gründer oder Betreiber von Cannabis-Clubs vor.

Bundesministerien mauern bei Fragen zum Geldwäsche-Risiko

Das Gesetz sieht vor, dass die im Gesetz sogenannten Anbaugemeinschaften Cannabis produzieren und kontrolliert an ihre Mitglieder vertreiben können. Nach der Zustimmung im Kabinett sprach Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) von einem „Wendepunkt“ in der bisher gescheiterten Drogenpolitik. Ziel des Gesetzes sei, „den Schwarzmarkt und die Drogenkriminalität zurückzudrängen.“ Allerdings enthält das Gesetz trotz der Bedenken in Lauterbachs eigenem Haus kaum konkrete Vorgaben, um Geldwäsche in den Cannabis-Clubs zu verhindern.

Auffällig ist auch, wie die zuständigen Bundesministerien bei dem Thema mauern: Das Bundesinnenministerium äußerte sich auf Anfrage von CORRECTIV nicht und verwies auf das federführende Gesundheitsministerium. Dort teilte eine Sprecherin mit, „aufgrund des laufenden parlamentarischen Verfahrens“ könne man „den aktuellen Stand“ des Gesetzes „nicht kommentieren.“ Auch das Bundesfinanzministerium antwortete nicht auf die Fragen.

Für Brancheninsider sind die laxen Vorgaben in Bezug auf die finanziellen Hintergründe der Clubs ein Grund zur Sorge. „Mir macht das Bauchschmerzen“, sagt Maximilian Plenert, der in Berlin eine Cannabisberatungsagentur führt und seit mehr als zehn Jahren in der Drogenpolitik aktiv ist: „Es gibt wenig Anreize, legales Geld in Anbau und Verbreitung von Cannabis zu investieren. Aber zum Geldwaschen ist es perfekt.“

„Es könnte wild werden“

Denn die Cannabis-Clubs sollen als Vereine organisiert werden und dürfen keine Gewinne erwirtschaften. Zunächst aber müssen die Gründer investieren, in Anlagen, Infrastruktur, Ausstattung; sie könnten sogar Immobilien kaufen, für Vereinsräume zum Beispiel. Die Kosten können danach auf die Preise umgelegt werden. Experten wie Plenert warnen, dass auf diesem Weg Geld ins System gelangen kann, das zuvor mit illegalem Drogenhandel erwirtschaftet wurde. „Ich fürchte, dass man damit Teilen der organisierten Kriminalität die Möglichkeit gibt, sich zu legalisieren.“ Vor allem in der Anfangsphase könne dies zu hässlichen Schlagzeilen führen, sagt er: „Es könnte wild werden.“

Wer einen Cannabis-Club eröffnen will, muss künftig zwar persönliche Daten angeben, darunter Namen und Adresse, sowie Ort und Größe der geplanten Anbauvereinigung. Auch ein Führungszeugnis ist erforderlich. Dagegen müssen die Gründer keinerlei Angaben zur Herkunft ihres Vermögens oder der Finanzierung des Clubs machen.

In dem Referentenentwurf des Gesetzes von April 2023 verwies die Mitarbeiterin aus Lauterbachs Ressort auf die Regelungen in Malta, die deutlich strenger ausfallen: Dort müssen alle Beteiligten, Gründer, Verwalter und wichtige Funktionsträger in den Cannabis-Clubs, ein zwölfseitiges Formular ausfüllen und dort genaue Angaben zu ihren persönlichen und geschäftlichen Finanzen machen.

Finanzfachleute warnen vor intransparenten Geldflüssen

Dies hält der Gesetzgeber in Deutschland offenbar für unnötig. Andreas Frank, ehemaliger Investmentbanker und inzwischen Experte für den Kampf gegen Geldwäsche, hält dies für riskant: „Was ist denn Geldwäsche? Das ist Legalität vortäuschen“, sagt er. „Wenn ich Vereine habe und die Strukturen nicht kenne, wenn es Geldflüsse gibt, die nicht überwacht werden, dann ist das ein Anreiz.“

Frank hat den Bundestag, den Europarat und das EU-Parlament zum Thema Finanzkriminalität beraten, er sagt: Geldwäsche werde in Deutschland ohnehin nicht wirksam verfolgt; es fehle an Ressourcen und Kontrollen. Einen Fragenkatalog, wie er in Malta verwendet wird, findet er sinnvoll: „Überall, wo Leute etwas unterschreiben müssen, werden sie sehr vorsichtig. Es ist die Anonymität, die die Kriminalität schützt.“

Zwar gilt Malta als ein Staat mit hohem Risiko für Geldwäsche. Das heißt aber nicht, dass die Regelung schlecht sei, sagt auch Christoph Trautvetter vom Netzwerk Steuergerechtigkeit: „Es macht auf jeden Fall Sinn, bei der Gründung zu gucken, woher das Geld kommt.“ Generell gelten Vereine als relativ intransparent. Solange sie nicht gemeinnützig sind, können sie anonyme Schenkungen in bar bis 10.000 Euro annehmen und müssen, anders als Unternehmen, keine Geschäftsberichte veröffentlichen.

„Wir werden feststellen, dass es kaum zu kontrollieren ist“

Der größte Teil der Geldwäsche, sagt der Finanzexperte, passiere generell nicht bei Eröffnung, sondern im laufenden Betrieb. Wichtig sei daher, wie die Cannabis-Vereine kontrolliert werden sollen:  „Vereine müssen ihre Einnahmen und Ausgaben dem Finanzamt vorlegen. Dann ist die Frage, wie oft es zu einer Betriebsprüfung kommt.“ Denn bei kleineren Unternehmen kontrolliere das Finanzamt statistisch gesehen nur alle 100 Jahre  – dies gelte für die geplanten Cannabis-Clubs ebenso wie für Friseursalons, Imbisse und Spielcasinos – alles Betriebe, die Kriminelle oft für Geldwäsche nutzen.

Zwar sieht das Gesetz nun keine Selbstauskunft zur Herkunft von Vermögen oder Investitionen vor. Genau geregelt ist dagegen der Anbau, die Mengen, die Abgabe. Das Gesetz sieht hierbei strenge Grenzen vor: Die Clubs dürfen höchstens 25 Gramm an jedes erwachsene Mitglied pro Tag weitergeben, oder 50 Gramm pro Monat. Die Clubs sind verpflichtet, Cannabis nur in streng kontrollierter Qualität und in Reinform abzugeben und müssen auch die Mitgliedschaft und das Alter der Konsumenten prüfen.

„Bei diesen Anbauvereinigungen gibt es so viele Fragestellungen, auch was die Kontrollmöglichkeiten und -Pflichten angeht, die so umfassend sind, dass man leider sagen muss: Wir warten mal ab, wie es läuft und werden dann feststellen, dass es eben kaum zu kontrollieren ist“, sagt Dirk Peglow, Bundesvorsitzender des Bunds Deutscher Kriminalbeamter. Peglow kritisiert, dass die Bundesregierung bisher offen lässt, wer für die Überprüfung der Clubs überhaupt zuständig sein soll, vielleicht der Zoll oder die Ordnungsämter: „Da bin ich sehr gespannt, wie man sich um die Zuständigkeiten streiten wird und hoffe, dass die Polizei nicht auch hier wieder alleine gefordert wird.“

Manche Vereine hantieren mit Zehntausenden Euro im Monat

In der Branche wächst die Sorge, dass kriminelle Gruppen die Legalisierung nutzen, um Vereine zu gründen und hinter den Kulissen Gewinne zu erwirtschaften. Auch Michael Knodt, ein auf Cannabis spezialisierter Journalist, beschäftigt sich aktuell auf seinem Youtube-Kanal mit der Gefahr von Geldwäsche bei der Legalisierung. Denn die Gelder, mit denen die Gründer hantieren werden, gingen zum Teil weit über übliche Vereinsbudgets hinaus: Knodt kennt einen Cannabis-Club in Bayern, der bereits 500 Mitglieder hat, und jedes zahlt einen Beitrag von 150 Euro – das sind 75.000 Euro im Monat. „Es geht da um sehr viel Geld“, sagt er. „Deshalb sehe ich eine große Gefahr von Korruption.“

Auch er sagt: Wer Geldwäsche betreiben will, wird Möglichkeiten für Manipulationen finden, etwa über den Trocknungsverlust bei der Herstellung der Droge, über Investitionen in den Verein, über großzügige Gehälter für Subunternehmer: „Es wundert, dass gerade Malta mit dem Fragenkatalog bei der Transparenz weiter geht als Deutschland.“

„Jetzt ist hier das Problem, dass es bei den Leuten, die einen Club gründen wollen, keinen Backgroundcheck gibt“, sagt er: „Die Frage ist doch, was diejenigen, die jetzt schon mit Cannabis handeln, tun werden, wenn sie keine Fachgeschäfte eröffnen dürfen?“ Die Gesetzgebung führe dazu, dass Cannabis verfügbar werde, ohne aber eine sichere Handels- und Lieferkette zu schaffen: „Die seriösen Player haben derzeit alle Angst, dass ihnen von solchen Leuten das saubere Geschäft versaut wird.“


Den Absatz über rechtliche Vorgaben für Vereine haben wir präzisiert und das Wort „Spenden“ durch „Schenkungen“ ersetzt, um deutlich zu machen, dass nicht von abzugsfähigen Spenden die Rede ist.