Faktencheck

Wie Spiegel Online und Der Standard wegen eines Übersetzungsfehlers einer Nachrichtenagentur Falschmeldungen verbreiteten

Fake News bei „Spiegel Online“ und dem österreichischen „Der Standard“? Das warf die rechte Onlineplattform „Breitbart“ den beiden Medien vor. Sie hatten über die Verhaftung einer Gruppe rechtsradikaler in Frankreich berichtet. Französische Medien sprachen aber von Linksradikalen. Wie konnte das passieren?

von Jacques Pezet

Anhänger der rechtsradikalen Identitären-Bewegung demonstrieren im Mai 2016 in Paris.© Matthieu Alexandre / AFP

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Ein Rechtsradikaler und 14 Linksradikalen wurden am 25. November in Paris festgenommen.

Am 27. November hat die rechtsradikale Webseite Breitbart.com Spiegel Online und der österreichischen Tageszeitung Der Standard vorgeworfen, Fake News über die Festnahme von Anhängern der rechten Gruppierung „Génération Identitaire“ verbreitet zu haben. Tatsächlich sollen die Festgenommenen Linksradikale gewesen sein, so Breitbart.

Breitbart berief sich dabei auf  Berichte der österreichischen Website „oe24“ und des französischen Fernsehsenders „LCI“: Die berichteten, dass von den 15 Festgenommenen 14 linksradikal gewesen seien.

Was sagt die Pariser Staatsanwaltschaft?

Der Pressesprecher der Pariser Staatsanwaltschaft, Bruno Badré, erklärte auf Anfrage, dass es am 25. November Festnahmen bei zwei politischen Gruppierungen gab „eine rechtsradikale und eine linksradikale“. Bei den Rechtsradikalen seien mehreren Personen kontrollliert und ein Mann festgenommen worden. „Der Staatsanwalt hat den Mann angeklagt wegen Teilnahme an einer Versammlung mit dem Ziel, Gewalt auszuüben und wegen verbotenen Waffenbesitzes.“ 

Bei den Linksradikalen wurden 14 Personen ebenfalls wegen desselben Vorwurfs der gefährlichen Versammlung festgenommen. Sie wurden am Sonntag aus Mangeln an Beweisen freigelassen, sagte Badré.

Was haben Spiegel Online und Standard veröffentlicht?

Die zwei deutschsprachigen Webseiten titelten, 15 Anhänger der Identitären Bewegung seien festgenommen worden, wie auf den folgenden Screenshots zu sehen ist. (Siehe die von uns archivierten Texte: „Spiegel“ und „Standard“

Beide Berichten waren eine Meldung der französischen Presseagentur AFP, die der Standard zudem mit Informationen der Austria Presse Agentur (APA) ergänzte.

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Screenshots der Spiegel und Standard Meldungen

Was hat die AFP zu dieser Demonstration veröffentlicht?

In Frankreich veröffentlichten viele Medien, zum Beispiel „Le Monde“ oder „L’Express“ am Samstag Abend eine erste AFP-Meldung. Ihr Titel war „Verbotene Demonstration in Paris: 15 Festgenommene“. Die Meldung ordnete die Festgenommen keiner politischen Gruppe zu. Eine zweite Meldung mit der Überschrift „Verbotene Demonstration in Paris: Ein Mann wird angeklagt, 14 Linksradikale wieder frei gelassen wurde von dem Fernsehsender „LCI“ aufgegriffen. In seiner Argumentation beruft sich „Breitbart“ auf diese Meldung.

Aber wieso ist die Berichterstattung der deutschsprachigen Medien ganz anders? CORRECTIV hat Spiegel Online wegen der Vorwürfe von Breitbart kontaktiert. Der Redakteur Christian Teevs antwortete uns:

„Unsere Meldung beruht auf der AFP-Meldung von Samstagabend unter Berufung auf die Pariser Polizei. AFP prüft das jetzt, APA hat es ja offenkundig schon korrigiert mit Berufung auf die Pariser Staatsanwaltschaft. Wir korrigieren die Meldung entsprechend“.

In der Tat korrigierte Spiegel Online die Meldung und berief sich darauf, dass die Agentur AFP inzwischen ihre Meldung korrigiert habe.

Die Erklärung liegt offenbar in einem Übersetzungsfehler bei AFP. Dies ist die deutsche Meldung über die Festnahmen, die Spiegel Online und Standard erhielten.

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Die deutsche AFP-Meldung zu den Festnahmen

In der Meldung heißt es 15 Mitglieder der rechtsradikalen „Identitären“ seien festgenommen worden. In den französischen AFP-Meldungen war davon keine Rede, wie uns das Ressort Polizei/Justiz der AFP in Paris bestätigte. 

Edit: Am 30. November haben wir den Titel dieses Artikels geändert. Früher hieß er „Wie Spiegel Online und Der Standard wegen eines Übersetzungsfehlers einer Nachrichtenagentur Fake News verbreiteten“. Der Duden definiert Fake News als „in den Medien und im Internet, besonders in den Social Media, in manipulativer Absicht verbreitete Falschmeldungen“. In diesem Kontext haben beide deutschsprachigen Medien die Meldung der AFP ihren Lesern einfach ohne manipulativer Abischt geteilt.