Faktencheck

Video ist lückenhaft und tendenziös

Die Webseite „Politikversagen.net“ verbreitet ein Video über eine syrische Familie, die 5239 Euro vom Staat erhält. Das Video ist nur ein Auszug, wichtige Teile fehlen.

von Tania Röttger

Die Familie in ihrer Wohnung.© Screenshot, Youtube

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Das Video ist ein Zusammenschnitt, Kontext und positive Stimmen fehlen.

Das Video auf der Webseite „Politikversagen.net“ beginnt mit einer Männerstimme aus dem Off: Eine 220 Quadratmeter große Wohnung in der Leipziger Innenstadt, 1220 Euro warm. Dort wohnen ein syrisches Ehepaar und ihre elf Kinder. Nach Abzug der Miete haben sie noch rund 4000 Euro zum Leben übrig. Früher habe der Vater neun Monate als Zeitungs- und Postzusteller gearbeitet, das „sei aber an seinen mangelnden Deutschkenntnissen gescheitert“. Jetzt lebe die Familie wieder ausschließlich von Sozialleistungen und Kindergeld.

Auf die Szenen in der aufgeräumten Wohnung folgen kritische Stimmen aus der Leipziger Innenstadt. So sagt eine Frau: „Da bleibt mir der Atem stehen. Das ist unfassbar. Wenn ich an deutsche Familien denke – wir haben so viele arme Familien in Deutschland, warum bekommen die das nicht?“. Dabei ist ein Mikrofon von „Sat1“ zu sehen.

Sandra Scholz, Sprecherin von „Sat1“ kennt das Video. Es wurde schon von mehreren Webseite geteilt. Auch dieses Video hat sie nach unserer Anfrage an die Rechtsabteilung gemeldet. Es sei tendenziös, der Sender distanziert sich davon.

Das Video

Das Video ist nämlich ein Ausschnitt aus einem Beitrag vom Frühstücksfernsehen, der am 31. März 2018 auf YouTube veröffentlicht wurde.

Die Stimme aus dem Off gibt es auch im Original, genau wie die kritischen Bürger in der Innenstadt. Allerdings fehlen wichtige Details.

Was fehlt

Im Original kommt der Vater selbst zu Wort. Er sagt über die Zahlung von 5239 Euro: „Das ist für mich zu viel, weil wir wollen ja unser Geld nicht beim Arbeitsamt kriegen. Wir wollen das selber kriegen, und ich will gerne arbeiten.“ Er mache gerade einen Deutschkurs.

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Szene aus dem Beitrag vom „Frühstücksfernsehen“, die im Zusammenschnitt von „Politikversagen“ fehlt.

Auch das Interview mit einer Tochter wurde herausgeschnitten. Sie spricht gut Deutsch und macht gerade ein Freies Soziales Jahr in einem Kindergarten.

Ebenso zeigt „Politikversagen“ nur Stimmen von Bürgern, die den Fall kritisieren. Bürger, die Verständnis zeigen, fehlen. So sagt eine Frau im Original-Beitrag: „Wenn man die Menschen integrieren will, dann muss man sie wahrscheinlich auch erstmal finanziell unterstützen.“

Und ein Mann sagt: „Es ist auch eine große Summe, aber wenn man es dann wirklich mal runterrechnet auf die Situation, dann relativiert sich das sehr stark.“

Viel Geld?

Denn während es nach viel Geld klingt, sind es knapp 410 Euro pro Person. Wenn eine deutsche Familie in derselben Situation wäre, bekäme sie denselben Betrag. Auch das kommt im „Sat1“-Video vor. Dort sagt Brigitte Laux vom Landkreis Leipzig: „Dieser Sozialhilfesatz ist Grundsicherung, und Grundsicherung gilt für alle gleich.“ Dieser Teil fehlt aber bei dem Ausschnitt von „Politikversagen“.

„Tendenziös“ – der Sender distanziert sich

„Sat1“-Sprecherin Schrader schrieb per Email:

„Es wurden Teile des Beitrags ohne unsere Zustimmung und vor allem tendenziös neu zusammengeschnitten, wovon wir uns klar distanzieren. Das Video muss umgehend gelöscht werden. Wir haben den Fall an unsere Rechtsabteilung übergeben.“

Allerdings hat der Kanal vom Frühstücksfernsehen das Video selbst mit einer provokanten Überschrift veröffentlicht: „ÜBER 5.000 EURO für ASYL-FAMILIE: Zu VIEL oder zu WENIG Geld?“