Europaweiter Ausbruch eines multiresistenten Tuberkulose-Keims?
Die Website „anonymousnews.ru“ schreibt, dass „Migranten einen multi-resistenten Tuberkulose-Keim eingeschleppt” hätten und macht damit Stimmung gegen Flüchtlinge. Der Artikel beruft sich auf ein medizinisches Forschungszentrum in Borstel. Was ist dran und wer steckt hinter „anonymousnews.ru“?
Was sind die Fakten?
Vor wenigen Monaten hat das medizinische Forschungszentrum in Borstel einen multiresistenten Tuberkulose-Stamm entdeckt. Bei 29 jungen Menschen in sieben europäischen Ländern wurde ein Tuberkulose-Erreger gefunden, der gegen die gängige medikamentöse Behandlung resistent ist.
Bei allen Betroffenen handelt es sich um junge Geflüchtete aus Ländern am Horn von Afrika. 14 davon leben in Deutschland. Die Ansteckung erfolgte höchstwahrscheinlich in einem libyschen Gefängniscamp. Dank der schnellen Erkennung durch das Forschungszentrum Borstel – auf Grundlage eines Frühwarnsystems des European Center for Disease Control and Prevention (ECDC) – konnte eine weitere Verbreitung bisher verhindert werden.
Was macht „anonymousnews.ru“ daraus?
Im Januar 2018 greift die Website „anonymousnews.ru“ die wissenschaftlichen Erkenntnisse des Nationalen Referenzzentrum für Mykobakterien (NRZ) in Borstel auf und verbindet die Informationen mit wertendem Vokabular über Flüchtlinge. So schreiben die Autoren von einer angeblichen „Masseninvasion“ durch die „wir mit einer Vielzahl exotischer Krankheiten bereichert“ würden. Mit solchen gewaltvollen Metaphern scheint „anonymousnews.ru“ das Bedrohungsszenario zu verstärken und Ängste vor Flüchtlingen schüren zu wollen.
Was sagen die Experten?
„Die betroffenen Flüchtlinge sind nicht verantwortlich für den Tuberkulose-Erreger, sondern Opfer von besonders schlimmen Verhältnissen und schlechter medizinischer Versorgung während der Flucht“, so Stefan Niemann, Leiter der Forschungsgruppe am FZ Borstel.
Das FZ-Borstel forscht weiterhin an dem jüngst entdeckten Erregerstamm um mehr über seinen Ursprung und die Verbreitungswege, auch in Zusammenhang mit Migrationsbewegungen, herauszufinden. „Insgesamt ist es so, dass Menschenbewegungen, welcher Art auch immer, ein Risiko beinhalten, dass Krankheiten transportiert werden“, so Niemeyer weiter. „Das gilt auch für Geschäftsreisen und Grippe-Erreger.“
Gibt es weitere Ansteckungen?
„Anonymousnews.ru“ schreibt unter Berufung auf einen Artikel der „Welt“, dass weitere Fälle dazu kommen könnten.
„Grundsätzlich kann nicht ausgeschlossen werden, dass es zu weiteren Ansteckungen gekommen ist oder noch kommen wird“, so Niemann weiter. Bisher seien allerdings keine Folgeerkrankungen bekannt.
Sobald eine Tuberkulose-Infektion gemeldet wird, werden Umgebungsuntersuchungen durch das zuständige Gesundheitsamt durchgeführt. Dabei werden Personen aus dem Umfeld der Infizierten über die Krankheit aufgeklärt und im Zweifelsfall mit prophylaktischen Therapien behandelt. Auch behandelnde Ärzte werden sensibilisiert um in betroffenen oder besonders bedrohten Milieus Vorkehrungen zu treffen und mögliche Anzeichen frühzeitig zu erkennen.
Lassen sich multiresistente Tuberkuloseerreger behandeln?
Der jüngst entdeckte Erregerstamm ist gegen verschiedene Wirkstoffe resistent. Unter anderem handelt es sich dabei um drei von vier Antibiotika, die in der Tuberkulose-Standardtherapie eingesetzt werden, wie auch „anonymousnews.ru“ schreibt. Das bedeute laut Niemann aber nicht, dass es keine Behandlungsform mehr gebe. Betroffene Patienten werden mit einer Therapie für multiresistente Tuberkulose-Erreger behandelt.
Wer steckt hinter anonymousnews?
Die Website „anonymousnews.ru“ ist einschlägig als rechter Blog bekannt, der Hetze gegen Migranten und Verschwörungstheorien verbreitet. Wie in vorherigen Fällen (Link) verwendet „anonymousnews.ru“ auch in diesem Artikel wahllos Bildmaterial von Geflüchteten und nutzt diese Bilder um geflüchtete Menschen allgemein als krank, kriminell und böswillig darzustellen. Recherchen vom „Faktenfinder“ der Tagesschau, der „Zeit“ und „Vice“ ergaben, dass es sich bei dem Betreiber der Seite mit hoher Wahrscheinlichkeit um den untergetauchten Mario R. handelt. Dieser soll auch die Website „Migrantenschreck“ betrieben haben, auf der unter anderem Waffen illegal verkauft wurden. Aktivisten des Anonymous-Netzwerkes, auf dessen Namen sich die Website beruft, haben sich bereits mehrfach von „anonymousnews.ru“ distanziert.