Faktencheck

Nein, das neue Coronavirus ist kein Bakterium, das Thrombosen auslöst

Weltweit kursiert aktuell die virale Behauptung, das neue Coronavirus SARS CoV-2 sei eigentlich ein Bakterium und kein Virus. Die Patienten würden an nichts anderem als an Thrombosen sterben und Italien habe das Virus besiegt. Diese und weitere Behauptungen sind falsch. Wir erklären, warum.

von Cristina Helberg

Virus Outbreak Belgium
Ein Labortechniker während der Forschung am Coronavirus in Beerse, Belgien, am 17. Juni 2020. (Symbolbild: AP Photo/Virginia Mayo)
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Falsch. Das SARS-CoV-2 ist kein Bakterium, Italien hat das Coronavirus noch nicht besiegt und Thrombosen sind nicht die alleinige Todesursache von Corona-Patienten.

In einem Text der Webseite Liebe isst Leben vom 30. Mai wird behauptet, italienische Ärzte hätten die Heilung für Covid-19 gefunden: Sie hätten herausgefunden, dass das Coronavirus SARS-CoV-2 eigentlich ein Bakterium sei und kein Virus. Die aus dem Virus entstehende Krankheit, das „sogenannte Covid-19“, sei nichts anderes als eine Thrombose. Das ist falsch. 

Der Artikel wurde laut dem Analysetool Crowdtangle insgesamt mehr als 650 Mal auf Facebook geteilt und in mehreren Facebook-Gruppen weiter verbreitet, darunter den Gruppen „Wutbürger, Widerstand leisten ist jetzt Pflicht“ und „Qanon Europa“. 

Die Falschinformation wird aber nicht nur in Deutschland verbreitet. Dieselben Behauptungen, teilweise im Wortlaut identisch, wurden auch von Faktencheckern in Peru, Kolumbien, auf den Philippinen, in Nigeria, Ägypten, Indien, Australien, Kenia, der Türkei und der Ukraine geprüft und für falsch befunden. CORRECTIV kooperiert im Rahmen des International Fact-Checking Network mit Faktencheck-Organisationen weltweit. 

SARS-CoV-2 ist kein Bakterium, sondern ein Virus 

Die erste zentrale Behauptung des Textes lautet: Italienische Ärzte hätten bei Autopsien festgestellt, dass „es sich nicht um einen Virus, sondern um eine Bakterie handelt, die den Tod verursacht“. Das ist falsch. 

Die WHO informiert auf ihrer Webseite regelmäßig über populäre Falschmeldungen rund um das Coronavirus SARS-CoV-2. Am 9. Juni veröffentlichte die Organisation eine Klarstellung zu der Bakterien-Behauptung: „Die Coronavirus-Krankheit (Covid-19) wird durch ein Virus verursacht. NICHT durch Bakterien. Das Virus, das Covid-19 verursacht, gehört zu einer Familie von Viren namens Coronaviridae.“ 

In den vergangenen Monaten kursierte außerdem die Behauptung, Antibiotika würden gegen die durch das Coronavirus SARS-CoV-2 ausgelöste Krankheit Covid-19 helfen. Diese Falschmeldung hängt indirekt auch mit der Frage zusammen, ob es sich um Bakterien oder Viren handelt. Deshalb stellt die WHO weiter klar: „Antibiotika wirken nicht gegen Viren. Einige Menschen, die an Covid-19 erkranken, können als Komplikation auch eine bakterielle Infektion entwickeln. In diesem Fall können Antibiotika von einem Gesundheitsversorger empfohlen werden.“ 

Auch das Robert-Koch-Institut schreibt auf seiner Webseite: „Nicht selten leiden Covid-19-Patienten unter weiteren Infektionen: Bei 5 – 40 Prozent der Patienten kam es zu Co-Infektionen. […] Zudem wurden in einigen Fällen Superinfektionen mit multiresistenten Bakterien […] festgestellt.“

Information auf der Webseite des Robert-Koch-Institutes. (Screenshot: CORRECTIV)

Die Behauptung ist also falsch. Das Coronavirus ist kein Bakterium. Es kann aber während einer Covid-19-Erkrankung zu zusätzlichen Infektionen mit Bakterien kommen. Diese können, anders als Viren, mit Antibiotika behandelt werden. 

Nein, die WHO hat Autopsien von Corona-Toten nicht verboten 

Weiter wird im Text behauptet, italienische Ärzte hätten gegen ein „Weltgesundheitsgesetz“ der WHO verstoßen, das Autopsien von Coronavirus-Toten verboten habe. Das ist falsch. Im März gab die WHO in einem offiziellen Papier sogar Empfehlungen, was man bei einer Autopsie von Corona-Toten beachten solle.  

Auch italienische Behörden haben Autopsien nicht verboten, jedoch davon abgeraten, wie die italienischen Faktenchecker der Webseite Open im Mai recherchierten. Das Gesundheitsministerium gab dennoch Hinweise, wie Autopsien von Corona-Toten sicher durchgeführt werden können. Allerdings sind in Italien offenbar viele Autopsieräume nicht für diese sichere Durchführung geeignet. Bereits am 22. April wurde eine Studie über die Ergebnisse von Autopsien an 38 verstorbenen italienischen Covid-19-Patienten als Preprint veröffentlicht. 

Die Behauptung ist also ebenfalls falsch. Weder die WHO, noch die italienischen Behörden haben Autopsien verboten. 

Nein, Covid-19 ist nicht gleichbedeutend mit einer Thrombose

Weiter wird im Text behauptet, italienische Ärzte hätten herausgefunden, dass Covid-19 „nichts anderes als […] Thrombose“ sei. 

Auch diese Behauptung ist falsch, aber nicht neu. Bereits im April wurde in einem Whatsapp-Kettenbrief behauptet, Autopsien in Italien hätten gezeigt, dass Covid-19 Patienten nicht an Lungenentzündung, sondern an einer Thrombose sterben würden. Deshalb benötigten Krankenhäuser angeblich weder Beatmungsgeräte noch Intensivstationen. Diese Behauptung greift auch die Seite Liebe isst Leben erneut auf. Warum das nicht stimmt, haben wir in einem Faktencheck recherchiert

In der noch nicht abschließend bewerteten Studie italienischer Ärzte vom 22. April 2020 über die Autopsien von 38 Corona-Patienten steht: „Das vorherrschende Muster von Lungenläsionen bei Covid-19-Patienten ist DAD, wie auch bei den beiden anderen Coronaviren, die den Menschen infizieren, SARS-CoV und MERS-CoV.“ DAD steht für „diffuser Alveolarschaden“, eine Schädigung der Lungenbläschen. 

Weiter steht in dem Preprint: „Unsere Daten unterstützen nachdrücklich die Hypothese, von neueren klinische Studien, dass Covid-19 durch Blutgerinnungsstörung und Thrombose verkompliziert wird, oder eng damit zusammenhängt“ (PDF, Seite 5). Die Autoren beobachteten Thromben – Blutgerinnsel – bei 33 der 38 untersuchten Patienten. Aus diesem Grund werde eine Verwendung von Antikoagulanzien, also gerinnungshemmenden Medikamenten, vorgeschlagen.  

Die Autoren ziehen also keinesfalls den Schluss, dass Patienten mit Covid-19 ausschließlich an Thrombosen starben. Sie warnen jedoch, dass diese offenbar häufig auftreten. Andere Studien weisen ebenfalls auf die Gefahr von Thrombosen hin, zum Beispiel eine am 10. April erschienene niederländische Studie. Auch die WHO rät zur Anwendung von gerinnungshemmendem Heparin bei Patienten, bei denen keine anderen Umstände dagegen sprechen. (PDF, Seite 8)

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) führt neben Lungenentzündungen außerdem seit Ende Januar Thrombozytopenie als mögliche Komplikation in kritischen Fällen von Covid-19 auf. (PDF, Seite 3) Thrombozytopenie ist eine deutliche Verminderung der Zahl der Blutplättchen und somit eine Gerinnungsstörung.  

Die Behauptung ist also größtenteils falsch. Thrombosen treten bei Covid-19 Patienten offenbar häufig auf. Das heißt aber nicht, dass alle Covid-19 Patienten ausschließlich an Thrombosen sterben. 

Nein, Italien hat das Coronavirus nicht „besiegt“

Weiter wird im Text von Liebe isst Leben behauptet, Italien habe das Coronavirus „besiegt“ und eine Heilung gefunden. Das ist falsch. Die Zahlen sind in Italien zwar deutlich gesunken, am 23. Juni meldete das zuständige Ministerium aber immer noch 122 neue Fälle im Vergleich zum Vortag. 

5G, Aspirin und Zink – ein Mix aus falschen Behauptungen und unbelegten Empfehlungen

Der Artikel endet mit einer Warnung an die Leserinnen und Leser und einer Handlungsempfehlung, die mehrere Falschmeldungen der vergangenen Monate vermischt. 

Eine davon: Angeblich werde das Coronavirus (beziehungsweise das angebliche Bakterium) durch die Strahlung des neuen Mobilfunkstandards 5G verstärkt. Für einen Zusammenhang gibt es jedoch keine Belege. Wir haben mehrere Faktenchecks dazu veröffentlicht. 

Behauptungen zu 5G, Zink und Aspirin in dem Artikel der Webseite Liebe isst Leben. (Screenshot: CORRECTIV)

Außerdem wird in dem Artikel zur Einnahme von Aspirin geraten. Das italienische Gesundheitsministerium haben die Covid-19-Behandlungsprotokolle geändert und verabreiche Patienten nun Aspirin und Apronax. 

Aspirin und Apronax gehören zu den nicht-steroidalen entzündungshemmenden Medikamenten, für die laut WHO bisher weder Vorteile, noch Nachteile für Covid-19 Patienten nachgewiesen sind. 

Die Behauptung, italienische Behörden hätten die Behandlungsprotokolle geändert, ist falsch. Auf der Webseite des italienischen Gesundheitsministeriums steht weiterhin: „Gegenwärtig gibt es keine spezifische Behandlung für die durch das neue Coronavirus verursachte Krankheit. Die Behandlung basiert nach wie vor hauptsächlich auf einem symptomatischen Ansatz, bei dem den Infizierten unterstützende Therapien (z.B. Sauerstofftherapie, Flüssigkeitsmanagement) zur Verfügung gestellt werden, die dennoch hochwirksam sein können.“ 

Die Webseite des Ministeriums verweist außerdem auf eine Übersicht der italienischen Arzneimittelagentur (AIFA) für Medikamente, die aktuell bei COVID-19-Patienten im Rahmen von klinischen Versuchen eingesetzt werden. Aspirin und Apronax tauchen darin nicht auf. 

Auch zu der falschen Behauptung, Aspirin könne Covid-19 heilen, haben wir bereits in der Vergangenheit einen Faktencheck veröffentlicht. 

Verbraucherzentrale warnt vor falschen Heilungsversprechen 

Zusätzlich rät der Text der Webseite Liebe isst Leben zur Einnahme von Zink. Schon seit Beginn der Corona-Pandemie kursieren immer wieder fragwürdige Empfehlungen für Nahrungsergänzungsmittel gegen das Coronavirus. 

Die Verbraucherzentrale warnt: „Es gibt keine Nahrungsergänzungsmittel, die eine Erkrankung mit dem neuartigen Coronavirus (SARS-CoV-2) verhindern können.“ Auf ihrer Webseite geht die Zentrale detailliert auf verschiedene Nahrungsergänzungsmittel ein. Zu Zink steht dort: „Auch bestimmte Mineralstoffe wie Selen, Zink, Eisen und Kupfer sind wichtig für ein normales Immunsystem. Das funktioniert aber nur, wenn vorher ein Defizit bestanden hat. Ein Zuviel an Mineralstoffprodukten bringt die feinen Regelkreisläufe im Körper durcheinander.“

Auch zur Einnahme von sogenannten Antikoagulantien (Gerinnungshemmern) rät die Webseite. Tatsächlich hat ein Arbeitskreis des RKI am 18. Juni in einem Papier die Möglichkeit erwähnt, Corona-Patienten Gerinnungshemmer zur Thrombosevorbeugung zu verabreichen. Die Autoren warnen aber ausdrücklich vor einem Blutungsrisiko, und die Empfehlung gilt nur für Patienten, die stationär im Krankenhaus behandelt werden und unter der Aufsicht von Ärzten stehen (PDF, Seite 7).

Die Empfehlungen der Webseite für Medikamente oder Nahrungsergänzungsmittel führen also alle in die Irre. Aspirin und Apronax haben laut WHO keinen Effekt im Zusammenhang mit dem Virus. Laut dem italienischen Gesundheitsministerium gibt es gegenwärtig keine spezifische Behandlung für Covid-19. Die Einnahme von Zink ist nur sinnvoll, falls ein Defizit besteht. Die Einnahme von Gerinnungshemmern birgt Risiken wie Blutungen und sollte ausschließlich mit Ärzten beraten werden.

Update, 18. März 2021: Wir haben im Text die Aussage korrigiert, dass Thrombozytopenie (Mangel an Blutplättchen) das Risiko für Thrombosen erhöhe. Dies geht so aus der Quellenlage nicht hervor.