Faktencheck

Hochwasser: Nein, Rettungskräfte werden nicht am Nürburgring „festgehalten“ und am Helfen gehindert

Auf Facebook wird anhand verschiedener Fotos behauptet, Einsatzkräfte würden am Nürburgring „festgehalten“ und an Hilfseinsätzen in den Hochwassergebieten „gehindert“. Das ist falsch: Am Nürburgring sammeln sich die Rettungskräfte vor und zwischen ihren Einsätzen.

von Uschi Jonas

Mehrere Fotos wie dieses, die Einsatzfahrzeuge am Nürburgring zeigen, verbreiten sich mit der Falschbehauptung auf Facebook, die Rettungskräfte würden am Einsatz gehindert (Quelle: Twitter, THW / Lukas Hannig / Screenshot am 23. Juli 2021: CORRECTIV.Faktencheck)
Mehrere Fotos wie dieses, die Einsatzfahrzeuge am Nürburgring zeigen, verbreiten sich mit der Falschbehauptung auf Facebook, die Rettungskräfte würden am Einsatz gehindert (Quelle: Twitter, THW / Lukas Hannig / Screenshot am 23. Juli 2021: CORRECTIV.Faktencheck)
Behauptung
Bilder vom Nürburgring würden zeigen, dass Rettungskräfte am Nürburgring „festgehalten“ würden und auf „Befehl“ warten. Gleichzeitig würden Helfer gehindert in die Krisenregionen zu gelangen.
Bewertung
Falscher Kontext
Über diese Bewertung
Falscher Kontext. Die Bilder zeigen einen sogenannten Bereitstellungsraum, der am Nürburgring eingerichtet wurde. Dort sammeln sich die Rettungskräfte vor und zwischen ihren Einsätzen. Private Helfer wurden von der Polizei gebeten, Zufahrtswege freizuhalten und Rettungskräfte nicht zu behindern.

Auf mehreren Fotos, die derzeit auf Facebook kursieren, sind dutzende Einsatz- und Rettungsfahrzeuge zu sehen. Darunter Fahrzeuge der Feuerwehr, des Technischen Hilfswerks (THW) und der Bundeswehr. Suggeriert wird, dass die Bilder im Kontext der Hochwasser in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz entstanden seien. 

Zu den Fotos wird behauptet, sie stammten vom Nürburgring und zeigten, einerseits dass „Helfer daran gehindert“ würden „in die Krisenregionen zum Helfen zu gelangen“, „während offizielle Rettungskräfte mit geputzten Fahrzeugen auf dem Nürburgring herum stehen“. In anderen Beiträgen heißt es, die Rettungskräfte würden am Nürburgring „festgehalten“ und dürften nicht helfen oder sie würden „auf den Befehl“ warten, „einzugreifen“. Insgesamt wurden die Beiträge mehr als 1.800 Mal geteilt.

Einer der Facebook-Beiträge, der Fotos vom Nürburgring verbreitet (Quelle: Facebook / Screenshot am 23. Juli 2021: CORRECTIV.Faktencheck)
Einer der Facebook-Beiträge, der Fotos vom Nürburgring verbreitet (Quelle: Facebook / Screenshot am 23. Juli 2021: CORRECTIV.Faktencheck)

Richtig ist: Die Fotos zeigen eine zentrale Sammelstelle am Nürburgring für Hilfskräfte in den Hochwassergebieten. Die Behauptung, dass die dort versammelten Rettungskräfte daran gehindert würden, zu helfen, bezeichnen die Bundeswehr und das THW gegenüber CORRECTIV.Faktencheck als Falschinformation. 

Auf der Webseite des in Rheinland-Pfalz gelegenen Nürburgrings heißt es: „Derzeit nutzen Polizei, Bundeswehr, Rettungsdienst sowie Brand- und Katastrophenschutz aus dem gesamten Bundesgebiet den Nürburgring und seine Infrastruktur als zentrales Basislager.“ 

THW-Sprecherin: Nürburgring ist Anlaufpunkt für Hilfskräfte zwischen ihren Einsätzen 

Auf einigen der Fotos sind blaue Einsatzfahrzeuge des THW zu sehen. Das Technische Hilfswerk ist nach eigenen Angaben seit den Unwettern im Dauereinsatz. Das THW als Bundesanstalt gehört organisatorisch zum Geschäftsbereich des Bundesinnenministers. 

Eine Pressesprecherin des THW bestätigte in einer E-Mail an CORRECTIV.Faktencheck, dass die verbreiteten Fotos der Einsatzfahrzeuge vom Nürburgring stammen. Dort sei ein sogenannter Bereitstellungsraum eingerichtet worden, wo sich Einsatzkräfte bei Großschadenslagen wie Hochwasser, Sturm oder anderen Katastrophen sammelten. 

Die Einsatzkräfte würden dort versorgt, untergebracht und starteten von dort aus ihre Einsätze: „Wenn beispielsweise Helferinnen und Helfer aus dem Süden Deutschlands in den Einsatz kommen, haben sie teilweise Fahrzeiten von sieben Stunden hinter sich. Im Bereitstellungsraum können sie dann nochmal Kraft tanken, bevor sie in den Einsatz gehen.“

Auch sei er der Anlaufpunkt für die Einsatzkräfte zwischen den Einsätzen: „Denn schließlich müssen diese auch zwischendurch einmal schlafen.“ Ein Bereitstellungsraum werde immer außerhalb der Einsatzorte eingerichtet, sodass die Einsatzstellen selbst nicht blockiert werden. Am Bereitstellungsraum gibt es dann alles, was die Einsatzkräfte brauchen: Von Technik, über Werkstätten bis zu Feldlagern und Sanitäranlagen. 

Eines der auf Facebook verbreiteten Fotos fanden wir auch in einem Tweet vom THW Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland am 17. Juli. Dazu heißt es: „Dieses Foto von heute Mittag zeigt die Dimension des aktuellen Einsatzes im Katastrophengebiet (#Eifel): Am Nürburgring ist ein #Bereitstellungsraum eingerichtet worden. Hier sammeln sich Einsatzkräfte und Fahrzeuge, dann geht es an die zugeteilte Einsatzstelle.“

Der Tweet des THW vom Bereitstellungsraum am Nürburgring am 17. Juli (Quelle: Twitter, THW Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland / Screenshot am 23. Juli 2021: CORRECTIV.Faktencheck)
Der Tweet des THW vom Bereitstellungsraum am Nürburgring am 17. Juli (Quelle: Twitter, THW Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland / Screenshot am 23. Juli 2021: CORRECTIV.Faktencheck)

Bundeswehrsprecher: „Nürburgring ist der Sammelraum von Kräften der Bundeswehr und anderen Hilfsorganisationen“

Auf einem der Fotos sind außerdem Fahrzeuge der Bundeswehr zu erkennen. Ein Sprecher bestätigte uns ebenfalls, dass am Nürburgring eine zentrale Sammelstelle eingerichtet wurde. 

Auf diesem Foto sind Fahrzeuge der Bundeswehr zu erkennen (Quelle: Facebook / Screenshot, Schwärzung und Markierung: CORRECTIV.Faktencheck)
Auf diesem Foto sind Fahrzeuge der Bundeswehr zu erkennen (Quelle: Facebook / Screenshot, Schwärzung und Markierung: CORRECTIV.Faktencheck)

Der Pressestabsoffizier des Logistikkommandos der Bundeswehr schreibt in einer E-Mail: „Am Nürburgring ist der Sammelraum von Kräften der Bundeswehr und anderen Hilfsorganisationen. Das Logistikbataillon 461 betreibt dort eine logistische Basis. Zusätzlich ist eine Koordinierungsstelle des Technischen Hilfswerkes (THW) und ein Lager von zivilen Kräften eingerichtet.“ Die Technische Einsatzleitung und Operationszentrale befinde sich vor Ort in Bad Neuenahr-Ahrweiler. Das Foto, auf dem die Bundeswehr-Fahrzeuge zu erkennen sind, wurde auch in einem Tweet des Nürburgrings veröffentlicht.

Feuerwehr Wirges hilft im Kreis Ahrweiler – und sammelt sich mit anderen Rettungskräften am Nürburgring

Auf einem anderen Foto ist ein Einsatzfahrzeug der Feuerwehr Wirges zu erkennen. Wirges ist eine Verbandsgemeinde in Rheinland-Pfalz. 

Mark Goldhausen, Leiter des Fachbereichs Bürgerdienste, Ordnung und Soziales der Verbandsgemeindeverwaltung Wirges, erklärte CORRECTIV.Faktencheck in einer E-Mail, was genau am Nürburgring geschieht: „Das Foto auf dem das Mehrzwecktransportfahrzeug der Einheit Wirges zu sehen ist, ist von Samstag nach der Ankunft am zentralen Bereitstellungsraum am Nürburgring. Von dort werden gezielt Einheiten und Material von der Einsatzleitung angefordert und auf die Region verteilt, sofern sie nicht direkt an ihre zugeteilten Einsatzstellen fahren.“ Die Feuerwehrkräfte der Verbandsgemeinde seien seit dem 15. Juli 2021 im Kreis Ahrweiler im Einsatz. 

Auf einem der verbreiteten Fotos ist ein Fahrzeug der Feuerwehr Wirges zu sehen (Quelle: Facebook / Screenshot, Schwärzung und Markierung: CORRECTIV.Faktencheck)
Auf einem der verbreiteten Fotos ist ein Fahrzeug der Feuerwehr Wirges zu sehen (Quelle: Facebook / Screenshot, Schwärzung und Markierung: CORRECTIV.Faktencheck)

Auch Medien berichteten von der Sammelstelle am Nürburgring, wie zum Beispiel der SWR oder das Magazin Auto Motor und Sport

Polizei bittet darum, Rettungskräfte nicht zu behindern

Betroffene Kommunen zeigen sich dankbar über jede Hilfe, aber Behörden warnen ortsbezogen davor, die offiziellen Rettungskräfte nicht zu behindern. Beispielsweise die Polizei Rheinland-Pfalz bedankte sich für die Hilfsbereitschaft von Privatpersonen, bat aber am 21. Juli auf Facebook: „Derzeit erreichen uns jedoch viele Meldungen, dass die wenigen verfügbaren Zufahrts- und Rettungswege durch parkende Fahrzeuge blockiert werden. Im Interesse aller muss dies unbedingt vermieden werden. Bitte parkt nicht vor Ort, sondern bildet Fahrgemeinschaften und lasst euch vor Ort absetzen.“

Auch die Polizei Märkischer Kreis bat am 16. Juli auf Facebook darum, Zufahrtswege freizuhalten: „Wer dort reinfährt behindert die Rettungskräfte mit ihren schweren Geräten bei den Räumungsarbeiten! Das gilt auch für private Hilfskräfte.“

Wie mehrere Medien berichteten gab es an einigen Orten organisatorische Schwierigkeiten. So wurden zum Beispiel Feuerwehrleute aus Kaiserslautern oder dem Kreis Ludwigsburg  wieder weggeschickt, die in Rheinland-Pfalz helfen wollten.

Fazit: Die auf den Fotos zu sehenden Rettungsfahrzeuge des THW, der Bundeswehr und Feuerwehr werden nicht am Nürburgring „festgehalten“. Es handelt sich um eine zentrale Sammelstelle. Nur in einigen Orten wurden Hilfskräfte weggeschickt und die Polizei bittet darum, Rettungskräfte nicht zu behindern.

Update 26. Juli 2021: Wir haben Informationen über den Umgang der Behörden mit privaten Hilfseinsätzen oder spontanen Hilfsinitiativen ergänzt und unsere Bewertung erweitert.

Redigatur: Sarah Thust, Till Eckert