Nein, eine Studie zeigt nicht, dass zehntausende Vögel durch Windräder sterben
Die anti-Grünen Kampagne „Grüner Mist“ verbreitet die Behauptung, zehntausende Vögel und hunderttausende Fledermäuse würden in Deutschland durch Windkraftanlagen getötet. Doch diese Zahlen finden sich nicht in der zitierten Studie und einer der Studien-Autoren nennt sie „grotesk falsch“.
Auf Facebook verbreitet sich ein Beitrag der anti-Grünen Kampagne „Grüner Mist“. Darin wird behauptet, die Grünen seien für „Umweltverbrechen“, nämlich die Tötung von Vögeln durch Windräder verantwortlich. Laut einer Studie würden jährlich 240.000 Fledermäuse, 12.000 Mäusebussarde und 1.500 Rotmilane getötet.
CORRECTIV.Faktencheck hat die Autoren der Studie kontaktiert. Oliver Krüger von der Universität Bielefeld schrieb uns per E-Mail, die Behauptungen seien durch die Studie „nicht gedeckt und teilweise grotesk falsch“.
Behauptung über Vogelschlag durch Windkraftanlagen kursierte bereits 2019
Die Behauptung, die durch den Account „Grüner Mist“ verbreitet wird, ist nicht neu. Wir haben sie bereits im Jahr 2019 überprüft: In unserem Faktencheck kamen wir zu dem Ergebnis, dass die genannten Zahlen unbelegt sind; Expertinnen und Experten schätzten sie als viel zu hoch ein.
Als Beleg für die Behauptung, wird auf Facebook die sogenannte Progress-Studie (PDF) genannt. Dabei handelt es sich um ein Forschungsvorhaben, das von Oktober 2011 bis Juni 2015 durch das Bundesministerium für Umwelt und das Bundesministerium für Wirtschaft gefördert wurde. Der volle Titel der Studie lautet „Ermittlung der Kollisionsraten von (Greif-)Vögeln und Schaffung planungsbezogener Grundlagen für die Prognose und Bewertung des Kollisionsrisikos durch Windenergieanlagen“. Durchgeführt wurde sie unter anderem von Forscherinnen und Forschern der Universität Bielefeld.
Angebliche Zahlen finden sich nicht in der Studie, Autor spricht von inakzeptablen Hochrechnungen
Wir haben die Studie nach den Zahlen aus dem Facebook-Beitrag durchsucht, konnten sie allerdings nicht finden. Vermutlich handelt es sich also um Hochrechnungen. Das Ziel der Studie bestand darin, die Anzahl von Vogelopfern durch Windkraftanlagen „im Norddeutschen Tiefland“ abzuschätzen. Um Zahlen für ganz Deutschland geht es also gar nicht.
Wir haben einen der Autoren, Oliver Krüger von der Universität Bielefeld, kontaktiert und ihn um eine Einschätzung zu den auf Facebook verbreiteten Zahlen gebeten. Er schrieb uns: „Die Hochrechnung ist so nicht akzeptabel. Für Fledermäuse völliger Quatsch, da wir diese explizit nicht in die Studie einbezogen haben.“ Auch für Mäusebussarde und Rotmilane seien die Zahlen „nicht haltbar“ und eine Hochrechnung auf ganz Deutschland sei „völlig unzulässig“. Dass die Studie dafür genutzt werde, „Klimapolemik zu betreiben“ sei „sehr traurig“.
Vogelschutzwarten sammeln Vorfälle und kommen auf wesentlich niedrigere Zahlen
Bereits für unseren Faktencheck im Jahr 2019 zu den gleichen Zahlen, verwies uns eine Sprecherin des Umweltbundesamts auf die zentrale Schlagopferkartei der Ländergemeinschaft der Vogelschutzwarten. Hier werden seit 2002 gemeldete Schlagopfer, also durch Windräder getötete Vögel, erfasst. Laut der Kartei wurden von 2002 bis zum 7. Mai 2021 (aktuellster Stand der Kartei), 685 Mäusebussarde und 637 Rotmilane (Download) als Schlagopfer gemeldet. Die Zahl der getöteten Fledermäuse wird mit 3910 (Download) angegeben.
Damit liegen die Zahlen weit unter denen, die auf Facebook verbreitet werden.
Redigatur: Till Eckert, Sarah Thust
Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck:
- Studie „Ermittlung der Kollisionsraten von (Greif-)Vögeln und Schaffung planungsbezogener Grundlagen für die Prognose und Bewertung des Kollisionsrisikos durch Windenergieanlagen (PROGRESS)“: Link (PDF)
- Zentrale Schlagopferkartei der Ländergemeinschaft der Vogelschutzwarten: Link