In diesem Video spricht kein SPD-Politiker, sondern ein Landtagsabgeordneter der AfD
In Sozialen Netzwerken wird ein Ausschnitt einer Rede des AfD-Politikers Markus Wagner verbreitet und behauptet, es handele sich bei ihm um den SPD-Politiker Hartmut Ganzke. Wagner sagte unter anderem, während der Pandemie seien tausende Intensivbetten „abgebaut“ worden. Das ist irreführend.
Auf Youtube, Facebook und Whatsapp wird eine Rede geteilt, die angeblich der SPD-Politiker Hartmut Ganzke gehalten haben soll (zum Beispiel hier und hier). Zu dem verbreiteten Video heißt es: „Endlich mal ein Politiker, der Tacheles redet!“
Unsere Recherche zeigt: Bei dem Redner handelt es sich um den AfD-Politiker Markus Wagner. Er wiederholt in der Rede die irreführende Behauptung, dass während der Pandemie angeblich Intensivbetten abgebaut worden seien.
Der Redner ist der AfD-Politiker Markus Wagner
Dass die Rede aus dem Landtag NRW stammt, ist leicht zu erkennen: Auf dem Rednerpult steht „Landtag Nordrhein-Westfalen“. Den Hinweis, dass es sich bei dem Redner nicht um den SPD-Politiker Hartmut Ganzke handelt, sondern um den AfD-Politiker Markus Wagner, bekamen wir von einem Leser, der uns das Video auf Whatsapp zuschickte.
Wagner ist Fraktionsvorsitzender der AfD in Nordrhein-Westfalen. Die Originalrede veröffentlichte er selbst unter dem Titel „AfD rechnet ab! – Markus Wagner (AfD)“ am 1. Dezember auf seinem Youtube-Kanal. Dokumentiert ist sie außerdem im Protokoll der 154. Sitzung des Landtags NRW (ab Seite 18 im PDF).
Auf Facebook reagierte der SPD-Politiker Ganzke am 12. Dezember auf die falsche Zuordnung seines Namen zu der Rede: „Im Netz kursiert zurzeit in Video von einer Rede eines #NoAfD-Abgeordneten, die fälschlicherweise mir zugeordnet wird.“
Aussagen zu Intensivbetten sind ohne Kontext irreführend
Seine Rede beginnt Wagner mit der Behauptung, während der Pandemie seien 10.000 Intensivbetten abgebaut worden, „allein in diesem Jahr, mitten in der Pandemie, schon wieder über 4.000“. Etwas später fragt er: „Warum haben Sie die Kapazitäten der Intensivmedizin heruntergefahren, statt sie auszubauen?“ Diese Aussagen sind ohne Kontext irreführend. Er suggeriert, Intensivbetten seien von der Regierung reduziert worden.
Wagner bezieht sich mit der Zahl 4.000 mutmaßlich auf ein Interview des Präsidenten der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi), Gernot Marx. Dieses wurde schon zuvor verkürzt wiedergegeben, wie wir in einem Faktencheck zeigten.
Gegenüber dem MDR sagte Marx im Oktober 2021 (ab 1:27): „Wir haben zwar in Anführungszeichen nur 1.600 Covid-19-Patienten, aber im Vergleich zu Anfang des Jahres haben wir 4.000 Intensivbetten weniger zur Verfügung, weil entsprechend der Belastung viele Pflegekräfte entweder ihren Beruf beendet haben oder ihre Arbeitszeit reduziert haben.“ Er sprach also nicht vom Abbau der Intensivbetten, sondern von Personalmangel.
Intensivbetten wurden nicht abgebaut – aber Personalmangel ist ein großes Problem
Dass durch Personalmangel viele Intensivbetten nicht betrieben werden können, und über die genauen Gründe, weshalb die Zahl der verfügbaren Betten im Divi-Intensivregister gesunken ist, haben wir bereits mehrfach berichtet.
Die Zahl der Intensivbetten ist in Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten gestiegen: laut Statistischem Bundesamt von 1991 bis 2018 um 36 Prozent. Auch gibt es demnach mehr ärztliches Personal als früher; die Zahl der Pflegekräfte sei 2018 allerdings nur geringfügig höher gewesen als 1991.
Das Divi-Intensivregister wurde 2020 geschaffen und bildet die verfügbaren Behandlungskapazitäten von Krankenhäusern mit Intensivstationen während der Pandemie ab. Die „freien Intensivbetten“ sind die tatsächlich mit Personal ausgestatteten und somit „betreibbaren“ Intensivbetten.
Der Mangel an Pflegepersonal hat sich nach Einschätzung von Experten während der Pandemie weiter verschärft. Dieses Defizit hat der AfD-Politiker Wagner in seiner Rede ebenfalls angesprochen.
Redigatur: Alice Echtermann, Sarah Thust