Faktencheck

Nein, es gibt keinen Lastenausgleich für Impfschäden

Im Netz heißt es, ab dem 1. Januar 2024 könne der Bund Menschen enteignen, um mit diesem Geld Menschen zu entschädigen, die einen Impfschaden erlitten haben. Das ist falsch und beruht auf einer Fehlinterpretation einer Gesetzesänderung.

von Matthias Bau

Titelbild_Lastenausgleich
Aufnahme einer Demonstration in Bonn im Jahr 1951. Anlass war der Regierungsentwurf für das Lastenausgleichsgesetz. (Symbolbild: Picture Alliance / DPA)
Behauptung
Der Staat könne ab dem 1. Januar 2024 einen Lastenausgleich für die Entschädigung von Impfgeschädigten durchführen.
Bewertung
Falsch. Eine Gesetzesänderung wird fehlinterpretiert. Menschen, die einen Impfschaden erlitten haben, werden durch den Bund und die Länder entschädigt. Mit einem Lastenausgleich hat das nichts zu tun.

Ab dem 1. Januar 2024 könne der Staat „einen Lastenausgleich in den Vermögenswerten der gesamten Bevölkerung für die Entschädigung von Impfgeschädigten durchführen“, heißt es auf Webseiten wie Uncut-News, Corona Transition und Redezeit.net sowie auf Facebook (hier und hier). Dies komme einer Enteignung gleich, wird behauptet. Möglich mache das eine „Änderung von Artikel 21 des Gesetzes zur Regelung des Sozialen Entschädigungsrechts (Lastenausgleichsgesetz)“. 

Doch die Behauptung ist falsch und beruht auf einer Fehlinterpretation einer Gesetzesänderung vom Dezember 2019, die 2024 in Kraft tritt. Menschen, die einen sogenannten Impfschaden erlitten haben, werden laut Infektionsschutzgesetz vom Bund und den Ländern entschädigt. Die Details dafür sind aktuell im Bundesversorgungsgesetz geregelt. Mit einem Lastenausgleich hat das aber nichts zu tun. 

Was ist ein Lastenausgleich?

Mit dem Lastenausgleichsgesetz, das am 18. August 1952 verkündet wurde und am 1. September 1952 in Kraft trat, wurden Menschen finanziell entschädigt, die nach dem 2. Weltkrieg durch Zerstörung, Vertreibung oder die 1948 in Kraft getretene Währungsreform materielle Verluste erlitten hatten. Dafür wurden Abgaben von denjenigen Bürgerinnen und Bürgern erhoben, „die sich über die Kriegs- und Nachkriegszeit hinweg Vermögen erhalten konnten“. 

Leistungen erhielten diejenigen, „die wegen der Schwere ihrer Verluste der Hilfe besonders bedurften“, heißt es auf der Internetseite des Bundesamtes für zentrale Dienstleistungen und offene Vermögensfragen (BADV). Wie das BADV schreibt, wurde das Gesetz seit seinem Bestehen bislang 35 Mal geändert. Die Änderung des Gesetzes, die nun für Aufregung sorgt, fand am 12. Dezember 2019 statt und tritt zum 1. Januar 2024 in Kraft. Die Änderung geschieht im Rahmen eines neuen Gesetzes, dem „Gesetz zur Regelung des Sozialen Entschädigungsrechts“.

Unter der Überschrift „Soziales Entschädigungsrecht neu geregelt und deutlich verbessert“, erklärte das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) am 14. Januar 2020, was es mit diesem neuen Gesetz auf sich hat: 

Mit der Gesetzesänderung vom 12. Dezember 2019 sei ein neues Sozialgesetzbuch geschaffen worden (14. Sozialgesetzbuch). Dadurch werde das Soziale Entschädigungsrecht neu strukturiert. Bislang sei das Entschädigungsrecht vor allem im Bundesversorgungsgesetz (BVG) geregelt, das ebenfalls ursprünglich für die Ansprüche Kriegsbeschädigter geschaffen wurde. Da die Zahl der Kriegsopfer jedoch in Deutschland immer weiter abnehme, richte sich das neue 14. Sozialgesetzbuch vor allem an andere Gruppen, so das Ministerium. Dazu zählen Opfer von Gewalttaten, zum Beispiel Terroranschläge, aber zum Beispiel auch Menschen, die einen Impfschaden erlitten haben. 

Änderung am Lastenausgleichsgesetz wird falsch interpretiert

Im Lastenausgleichsgesetz ändern sich durch das neue Gesetz vor allem Bezeichnungen und Verweise. Zum Beispiel wird die Formulierung „Bundesversorgungsgesetz mit Ausnahme der Vorschriften über die Kriegsopferfürsorge“ durch „Fünftes Kapitel oder nach § 143 oder nach § 151 des Vierzehnten Buches Sozialgesetzbuch“ ersetzt. 

Daraus, dass das Lastenausgleichsgesetz durch das neue „Gesetz zur Regelung des Sozialen Entschädigungsrechts“ teilweise umformuliert wird, wird im Netz die falsche Schlussfolgerung gezogen, dass der Lastenausgleich für die Entschädigung von Impfschäden gelten solle. 

Das Thema ist kompliziert, weil sich hier mehrere verschiedene Gesetze aufeinander beziehen. Wichtig ist aber: Das Lastenausgleichsgesetz kann nicht angewendet werden, um Menschen mit Impfschäden zu entschädigen. An einer Stelle des Gesetzes („Paragraph 276 Krankenversorgung, Pflegeversicherung“) heißt es zwar, dass Menschen durch das Lastenausgleichsgesetz auch Leistungen für Krankenbehandlungen bekommen können. Diese entfällt aber laut dem Gesetz, „wenn nach dem Bundesversorgungsgesetz mit Ausnahme der Vorschriften über die Kriegsopferfürsorge ein Anspruch auf entsprechende Leistungen besteht“. 

Aktuell haben Menschen, die einen Impfschaden erlitten haben,  Ansprüche nach dem Bundesversorgungsgesetz, das geht aus dem 60. Paragraphen des Infektionsschutzgesetz hervor. In Zukunft, also ab Januar 2024, sollen diese Ansprüche das über das 14. Sozialgesetzbuch geregelt sein. Das hat mit einem Lastenausgleich, für den Abgaben von Bürgerinnen und Bürgern erhoben werden, also nichts zu tun.

Der Bund haftet bei Impfschäden – er beschlagnahmt dafür aber nicht das Privatvermögen seiner Bürgerinnen und Bürger

Wie wir bereits in einem Faktencheck im August 2021 erklärt haben, haftet bei Impfschäden grundsätzlich der Bund. Auf seiner Internetseite beantwortet das Bundesgesundheitsministerium die Frage, „Wer haftet, wenn es zu gesundheitlichen Schäden durch die Impfung kommt?“ eindeutig. Dort heißt es, „dass für alle Schäden, die im Zusammenhang mit der Schutzimpfung eingetreten sind […] bundeseinheitlich ein Anspruch auf Entschädigung“ bestehe.

Auszug aus einer Informationsseite des Bundesgesundheitsministeriums
Auszug aus einer Informationsseite des Bundesgesundheitsministeriums (Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Bei Impfstoffen, die von staatlichen Stellen „öffentlich empfohlen“ werden, wie es bei den Covid-19-Impfstoffen der Fall ist, haftet laut Paragraph 60 des Infektionsschutzgesetzes grundsätzlich die Bundesrepublik Deutschland. Die Geschädigten können einen Antrag auf Versorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz stellen. 

Auch die Bundesländer müssen auf Antrag für die Versorgung aufkommen, wenn eine geimpfte Person „durch eine von der obersten Landesgesundheitsbehörde öffentlich empfohlene Schutzimpfung einen Impfschaden erlitten hat“, wie es auf der Internetseite Infektionsschutz.de der Bundeszentrale für gesundheitlichen Aufklärung heißt.

Dass für diese Entschädigungszahlungen das Vermögen von Privatpersonen herangezogen wird, ist dort jedoch nirgends zu lesen und geht auch aus der Gesetzesänderung vom Dezember 2019 nicht hervor. Zu diesem Ergebnis kamen auch die Faktenchecker der DPA

Redigatur: Uschi Jonas, Alice Echtermann

Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck:

  • Artikel des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales „Soziales Entschädigungsrecht neu geregelt und deutlich verbessert“: Link
  • Informationsseite des Bundesamtes für zentrale Dienstleistungen und offene Vermögensfragen zum Lastenausgleichsgesetz: Link
  • Informationsseite des Bundesgesundheitsministeriums „Aktuelle Informationen zur COVID-19-Impfung“: Link
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