Polizei bezeichnet Behauptungen über angeblich in Euskirchen von Ukrainern getöteten Jugendlichen als „Fake”
In Sozialen Netzwerken kursiert die Behauptung, Geflüchtete aus der Ukraine hätten einen russischsprachigen Jugendlichen in Euskirchen in Nordrhein-Westfalen verprügelt und dieser sei gestorben. Dafür gibt es keinerlei Belege. Die Polizei spricht von einem „Fake“.
In Euskirchen bei Köln soll sich ein tödlicher Vorfall ereignet haben. Das wird in sozialen Netzwerken, zum Beispiel im Telegram-Kanal „Neues aus Russland“ behauptet. Dort heißt es, eine Gruppe ukrainischer Geflüchteter hätte einen 16-Jährigen „zu Tode geprügelt, der in einem Flüchtlingsheim aushalf“ und Russisch sprach. Zu der Behauptung wird ein Video einer Russisch sprechenden Frau verbreitet. In dem Text zu dem Video heißt es, dass sie die Familie des Jugendlichen „gut kenne“. Der Beitrag wurde mehr als 139.000 Mal auf Telegram gesehen.
Wir haben uns zunächst das Video genauer angeschaut. Darin erzählt die Frau auf Russisch, der Junge sei auf der Intensivstation gelandet, ins Koma gefallen und später gestorben. Doch anders als im Netz behauptet, gibt sie sich nicht als Bekannte der Familie aus, sondern sagt: „Den Jungen kenne ich nicht, ich habe es von einer Freundin gehört.“ Wer genau die Frau ist, bleibt unklar.
Der Polizei Bonn liegen keine Informationen über einen solchen Vorfall in Euskirchen vor
Die zuständige Polizeibehörde Bonn teilte am 20. März auf Twitter mit, über einen solchen gewalttätigen Übergriff oder gar einen Todesfall lägen keinerlei Informationen vor und bat darum, das Video nicht weiterzuverbreiten. Der Staatsschutz der Polizei Bonn habe Ermittlungen aufgenommen. Experten gingen derzeit davon aus, „dass es sich um ein absichtliches ‚Fake-Video‘ handelt, dass [sic] Hass schüren soll.“
Auch das Bundesinnenministerium äußerte sich am Montag zu der Behauptung auf Twitter, warnte vor Desinformation und schrieb: „Ein solcher Vorfall ist uns nicht bekannt.“
Medien berichteten am Montagnachmittag, dass sich die Frau, die das Video auf ihrem Tiktok-Kanal veröffentlicht hatte, am Montag in einem zweiten Video dafür entschuldigte, die Falschinformation verbreitet zu haben. Ihre Behauptung habe sich als unwahr herausgestellt, sagt sie darin. Sie habe sich erkundigt, wann die Beerdigung des Jungen sei. „Es kam raus, dass es alles erfunden war.“
Wir haben zudem bei mehreren Krankenhäusern in Euskirchen und Umgebung (Bonn, Mechernich, Rheinbach) nachgefragt, ob dort in den vergangenen Tagen ein Jugendlicher oder junger Mann nach einer Schlägerei gestorben sei. Bis zur Veröffentlichung des Artikels am 21. März um 16 Uhr erhielten wir Rückmeldung von einer Klinik. Ein Pressesprecher des Johanniter- und Waldkrankenhauses in Bonn teilte uns per E-Mail mit, dort sei in den vergangenen Tagen kein Patient behandelt worden, auf den das zutreffe.
Auf dem Telegram-Kanal „Neues aus Russland“ wurde bereits mehrfach Desinformation und Irreführendes rund um den Krieg in der Ukraine verbreitet, zum Beispiel im Zusammenhang mit der Bombardierung eines Kindergartens im ukrainischen Luhansk oder über angeblichen Organhandel in der Ukraine.
Update 21. März 2022, 16.45 Uhr: Wir haben die Bewertung angepasst und den Hinweis ergänzt, dass sich die Frau im Video am Montag dafür entschuldigte, eine Falschinformation verbreitet zu haben.
Einen Überblick mit allen Faktenchecks von uns zum Krieg in der Ukraine finden Sie hier.
Redigatur: Matthias Bau, Sarah Thust