Nein, dieser Zug wurde nicht von Geflüchteten aus der Ukraine verunreinigt
In einem Video schimpft ein Mann über leere Bierflaschen, Aufkleber und Schmierereien in einem Zug. Im Internet wird behauptet, Geflüchtete aus der Ukraine seien für die Verunreinigungen verantwortlich. Das stimmt nicht: Es waren offenbar Fußballfans.
Leere Bierflaschen liegen herum, man sieht Aufkleber und Kritzeleien und offenbar urinierte jemand ins Waschbecken der Zugtoilette: Am 21. und 22. März kursierte im Internet ein Video, das anscheinend von einem Schaffner in Deutschland aufgenommen wurde. Der Mann, der in dem Video zu hören ist, beschreibt den Schaden, sagt aber nicht, wer ihn verursacht hat.
Unter dem Video, das mit einer eingefügten Beschreibung auf Whatsapp und Facebook (hier und hier) verbreitet wird, steht der Text: „Deutschland, der Fahrer zeigt entsetzt den Zug, in dem Flüchtlinge aus der Ukraine gebracht wurden“.
Unsere Recherche zeigt: Der Zug fuhr in Baden-Württemberg, das dortige Verkehrsministerium teilte uns mit, es sei „kein einziger Fall bekannt, bei dem es zu unerwünschten Vorfällen oder Vorkommnissen“ mit ukrainischen Geflüchteten gekommen sei. Details im Video deuten eher auf Fußballfans als mögliche Verursacher hin.
Verkehrsministerium Baden-Württemberg: Zug wurde nicht für ukrainische Geflüchtete eingesetzt
Wir haben uns das Video genauer angeschaut, um herauszufinden, um was für einen Zug es sich handelt. Anhand der Sitzbezüge lässt sich erkennen, dass es ein Zug aus Baden-Württemberg ist. Genauer: ein Zug der Marke „bwegt“, die vom dortigen Verkehrsministerium betrieben wird.
Wir haben der Pressestelle des Verkehrsministeriums in Baden-Württemberg das Video zugeschickt und gefragt, wann sich der Vorfall ereignet hat. „Am 19.03.2022 war das betreffende Fahrzeug des MEX 16 als reguläre Zugverbindung 19126 von Ulm Hauptbahnhof (12:17 Uhr) nach Plochingen unterwegs“, antwortete uns eine Sprecherin.
Der Zug sei nicht eingesetzt worden, um ukrainische Geflüchtete zu transportieren. In Baden-Württemberg seien täglich zwar einzelne Geflüchtete aus der Ukraine per Zug unterwegs – diese Fahrgäste hätten sich aber „bisher stets friedlich“ verhalten.
Die Verursacher der Verunreinigungen seien anhand des Videos nicht eindeutig identifizierbar, schrieb die Sprecherin. „Allerdings deuten Aufkleber einer Fußballmannschaft, übrig gebliebene Bierflaschen, Kritzeleien mit dem Kürzel besagter Fußballmannschaft und der Termin des Erstligaspiels an besagtem Tag eher auf eine Fangruppe hin als auf andere Personengruppen.“
Am 19. März spielte der FC Augsburg gegen den VfB Stuttgart. Beginn des Spiels war 15.30 Uhr, wie auf der Webseite der deutschen Bundesliga nachzulesen ist.
Der Zug wurde vor einem Fußball-Spiel des FC Augsburg verunreinigt
In dem Video gibt es mehrere Hinweise dafür, dass die Vermutung des Verkehrsministeriums richtig ist. In dem Video sind Aufkleber mit der Aufschrift „FCA“, „LA07“, ein Aufkleber mit einem doppelten Adler und die Kritzelei „LA07 FCA“ zu sehen.
Eine Google-Bildersuche nach den Schlagworten „FCA LA07“ führt zu Aufnahmen, die sich auf den Fußballverein FC Augsburg und die Gruppierung „Legio Augusta“ beziehen. In einem Blog-Beitrag über die Gruppe ist auch der doppelte Adler, der in dem Video zu sehen ist, erkennbar.
Die „Schmierereien“ und Aufkleber, die der Mann im Video zeigt, stehen folglich in Zusammenhang mit Fußball.
Einen Überblick mit allen Faktenchecks von uns zum Krieg in der Ukraine finden Sie hier.
Redigatur: Viktor Marinov, Sarah Thust