Trockenheit am Bodensee: Niedrige Pegelstände gab es schon 1540 – doch heute häufen sich solche Ereignisse durch den Klimawandel
Im Sommer 1540 war der Bodensee stellenweise trocken, doch er war nicht völlig ausgetrocknet. In einigen Facebook-Beiträgen wird das behauptet, um Zweifel am Klimawandel zu streuen. Fakt ist aber: Saisonale Schwankungen im Wasserstand des Bodensees werden laut Experten durch den Klimawandel zunehmend wahrscheinlicher.
„Im Sommer 1540 war der Bodensee ausgetrocknet, Brunnen, die noch Wasser enthielten, wurden bewacht, Wasser gab es nur auf Glockenschlag“, heißt es in dutzenden Facebook-Beiträgen, die eine angebliche Meldung von MeteoSchweiz wiedergeben. Darunter steht die Anmerkung, damals habe es noch keine Flugzeuge und Autos gegeben, die CO2 ausstoßen. Nutzerinnen und Nutzer kommentieren dazu: „Wie frech werden wir bloß belogen und abgezockt! Leute, wacht endlich auf“, oder schreiben mit einem lachenden Emoji: „Bestimmt damals schon der Klimawandel“.
Die Beiträge deuten somit an, dass Trockenperioden nichts mit dem Klimawandel zu tun hätten, da der Bodensee schon früher „ausgetrocknet“ sei. Das ist irreführend.
Meldung stammt nicht von MeteoSchweiz
Die angebliche Meldung auf Facebook stammt nicht vom Schweizer Bundesamt für Meteorologie und Klimatologie (MeteoSchweiz), wie uns eine Sprecherin per E-Mail schrieb. Das Jahr 1540 mit dem extremen Hitze- und Trockensommer sei wissenschaftlich „sehr gut“ dokumentiert. Die Austrocknung des Bodensees sei aber selbst innerhalb mehrerer Trockensommer physikalisch nicht möglich, erklärte die Sprecherin gegenüber AFP Faktencheck.
Trockenheit am Bodensee stand im Zusammenhang mit überdurchschnittlichen Sommertemperaturen
Das Jahr 1540 gilt als „meteorologischer Extremfall“, heißt es in einem Artikel des Schweizerischen Nationalmuseums über die Trockenheit von damals: „Am dramatisch verkleinerten Bodensee suchten die Leute auf dem trockenen Seegrund nach römischen Münzen.“ Der damalige Wasserstand am Bodensee wird in dem Bericht nicht genannt, der See war aber nicht völlig ausgetrocknet.
Laut einer Studie der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich von 2016 stand die damalige Trockenheit in Zusammenhang mit überdurchschnittlich hohen Sommertemperaturen in Mitteleuropa. Forschende der Universität Bern betonen die extrem wenigen Niederschlagstage für Mittel- und Westeuropa in dem Jahr.
Niedrigwasser kann laut der deutschen Bundesanstalt für Gewässerkunde jedoch das Ergebnis mehrerer, sich überlagernder Faktoren sein, wie wir bereits in einem Faktencheck im Juni 2021 berichteten.
Klimawandel hat Auswirkungen auf den Bodensee
Wie sich der Klimawandel auf den Bodensee in Zukunft auswirken könnte, ordnet das deutsche Umweltbundesamt in einer Veröffentlichung vom Dezember 2021 ein. Dort heißt es, saisonale Schwankungen im Wasserstand des Bodensees würden zunehmend wahrscheinlich erscheinen. Die Veränderung ergebe sich aus der Verschiebung der Niederschlagsarten wie Regen oder Schnee, und einer abnehmenden Bedeutung der Schneeschmelze (PDF, Download).
Der aktuell niedrige Wasserstand am Bodensee (Stand: 23. August) allein lässt noch nicht auf den Klimawandel schließen, wie wir bereits in mehreren Faktenchecks berichteten. Grundsätzlich kann Extremwetter laut Forschenden aber aufgrund des Klimawandels häufiger und intensiver auftreten. Dazu zählen auch Starkregen und Überschwemmungen, wie wir ebenfalls berichteten.
Weltklimarat: Der menschliche Einfluss hat das Klima maßgeblich erwärmt
Wie eine Grafik des Vereins Deutsches Klima-Konsortium aus dem Jahr 2021 zeigt, sind die globalen mittleren Temperaturen in den vergangenen 150 Jahren rasant gestiegen. Dies ist laut dem Verein beispiellos in der menschlichen Zivilisationsgeschichte.
Auch ein Bericht von 2021 des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) – eine von den Vereinten Nationen ins Leben gerufene Institution, in der hunderte von Fachleuten den wissenschaftlichen Forschungsstand zum Klimawandel zusammenfassen – kommt zu dem Ergebnis (PDF, S. 11): Der menschliche Einfluss habe das Klima in einem Maße erwärmt, wie es seit mindestens 2.000 Jahren nicht mehr der Fall gewesen sei.
Einzelne Extremereignisse können Klimawandel nicht in Frage stellen
Immer wieder werden Extremereignisse aus der Vergangenheit herangezogen, um anzudeuten, den Klimawandel gebe es nicht.
Schon im Juni hatten wir in Bezug auf Niedrigwasser an der Elbe beim Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung nachgefragt, inwieweit sich frühere Trockenheit und Niedrigwasser mit dem Klimawandel vergleichen lässt. Ein Sprecher schrieb uns per E-Mail, es habe regional und zeitlich immer Wetter- und Klima-Schwankungen gegeben, auch mit Extremen. „Das ändert aber nichts daran, dass wir heute im globalen Mittel einen langjährigen und in der Geschichte der menschlichen Zivilisation nie dagewesenen Trend höherer Temperaturen und zunehmender Wetterextreme sehen.“ Diese wirkten sich beispielsweise auf die Wasserkreisläufe aus.
Laut einer Analyse von Beobachtungsdaten, die das Institut im Oktober 2021 veröffentlichte, habe die Häufigkeit monatlicher Hitzeextreme in den letzten zehn Jahren im Vergleich zu 1951 bis 1980 um das 90-fache zugenommen.
So äußerte sich damals auch die Bundesanstalt für Gewässerkunde: Ein einzelnes Extremereignis an einem Pegel oder Fluss könne nicht herangezogen werden, „um einen anthropogenen Einfluss auf den Klimawandel in Frage zu stellen“. Anthropogen bedeutet, vom Menschen verursacht.
Redigatur: Kimberly Nicolaus, Sophie Timmermann
Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck:
- Artikel: „Die Hitze“, Schweizerisches Nationalmuseum, 22.04.2019: Link
- Abschlussbericht „Niedrigwasser, Dürre und Grundwasserneubildung“, Umweltbundesamt, Dezember 2021: Link
- Studie der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich von 2016: Link (PDF-Download)
- Bericht des Intergovernmental Panel on Climate Change von 2021: Link