Angeblicher Lauterbach-Aussage über „die Schuld“ der Ungeimpften fehlt Kontext
Gesundheitsminister Karl Lauterbach habe gesagt, es sei ein Versehen gewesen, dass man den Ungeimpften die Schuld an der Pandemie gegeben habe, heißt es im Netz. Seine Aussage wird jedoch verkürzt wiedergegeben und aus dem Kontext gerissen. Lauterbach bezog sich auf eine fehlerhafte Datenauswertung im November 2021 in Hamburg, nicht auf die Pandemie generell.
Ein etwa 24-sekündiger Videoausschnitt des Fernsehsenders Welt zeigt Manuela Schwesig, die Ministerpräsidentin Mecklenburg-Vorpommerns, und Gesundheitsminister Karl Lauterbach bei einer Pressekonferenz. Dazu heißt es auf Telegram, Twitter und Facebook: „Lauterbach – Es war ein Versehen, dass man den Ungeimpften die Schuld an der Pandemie gegeben hat.“
Doch aus der gesamten Pressekonferenz geht hervor, dass Lauterbachs Aussage verkürzt wiedergegeben wird. Er machte keine generelle Aussage über die Rolle von Ungeimpften für den Verlauf der Pandemie, sondern bezog sich auf einen Fall in Hamburg. Dort hatte Bürgermeister Peter Tschentscher im November 2021 bei einer Pressekonferenz verkündet, der Anteil der Ungeimpften an den Corona-Neuinfektionen betrage mehr als 90 Prozent. Die Zahlen waren falsch, bei einem Großteil der Neuinfizierten war der Impfstatus gar nicht bekannt. Tschentscher räumte den Fehler im Januar 2022 auf einer Pressekonferenz ein.
Lauterbachs Aussage zu Ungeimpften ist von Januar 2022 und bezog sich auf Hamburg
In dem Videoausschnitt, der in Sozialen Netzwerken verbreitet wird, sagt Lauterbach ab Sekunde 8: „Das war ein Versehen, […] aber das war keine Absicht. Hier war nicht die Absicht dahinter, dass man quasi den Ungeimpften einen größeren Teil der Pandemie zuschiebt als belegt werden konnte. Das war schlicht und ergreifend ein Fehler in dem System und der ist sofort behoben worden.“
Über eine Suche auf Youtube mit den Schlagworten „Lauterbach Schwesig Pressekonferenz“ findet sich das Originalvideo. Es wurde am 17. Januar 2022 von der Welt veröffentlicht. Die Pressekonferenz fand am selben Tag in Schwerin statt. Ab Minute 18:11 sagt Lauterbach das, was in Sozialen Netzwerken verbreitet wird. Daraus zu schließen, er habe gesagt, es war ein Versehen, dass man den Ungeimpften die Schuld an der Pandemie gegeben hat, ist falsch. Denn wesentlicher Kontext von Lauterbachs Äußerung wurde weggelassen. Zuvor sagt er (ab Minute 17:40): „Ich glaube, die Probleme sind gelöst, das ist mein Verständnis von der Situation in Hamburg. Ich habe mit Peter Tschentscher darüber gesprochen, er konnte mir problemlos erläutern, dass es dort schlicht und ergreifend eine automatische Softwarezuweisung gab, die nicht stimmig war.“
Hamburger Senat: Falsche Angaben zum Anteil der Ungeimpften unter den Neuinfizierten
Er äußerte sich folglich in Zusammenhang mit einem konkreten Vorfall in Hamburg. Tatsächlich unterlief dem Hamburger Senat bei der Ausweisung der Infektionszahlen Ende 2021 ein Fehler. In der Landespressekonferenz vom 16. November 2021 (ab Minute 14:52) sagte Tschentscher, der Anteil der Personen mit unvollständigem Impfschutz unter den neu mit Corona-Infizierten habe in der Kalenderwoche 45 (8. November bis 14. November 2021) bei über 90 Prozent gelegen. Diese Zahl wurde während der Konferenz auch als Grafik eingeblendet.
Laut dem NDR waren unter den Neuinfizierten jedoch lediglich 14,3 Prozent nicht geimpft. Bei der Mehrheit (63,2 Prozent) sei der Impfstatus überhaupt nicht bekannt und 22,5 Prozent seien geimpft gewesen. Das gehe aus einer Antwort des Hamburger Senats auf eine Kleine Anfrage der FDP-Abgeordneten Anna von Treuenfels hervor.
Tschentscher begründete die falsche Auswertung der Infektionszahlen einerseits damit, dass es zeitliche Verzögerungen zwischen Meldepflicht und Vorliegen der vollständigen Daten gab und teilweise deshalb Daten nachgemeldet werden mussten und andererseits mit IT-Problemen. Personen, bei denen der Impfstatus noch nicht geklärt war, seien dadurch als Ungeimpfte in der Auswertung gezählt worden. Wie wir im November 2021 in einem Faktencheck berichteten, ging das Robert-Koch-Institut (RKI) bei seiner Interpretation der Infektionszahlen bis zum 30. September 2021 auch so vor. In einem Hintergrundbericht erklärten wir zudem, wieso zu dieser Zeit der Impfstatus bei vielen Menschen nur schlecht oder gar nicht erfasst wurde.
Redigatur: Matthias Bau, Uschi Jonas