Faktencheck

Nein, Jane Goodall schlug keine „Entvölkerung“ als Lösung für den Klimawandel vor

Im Netz wird behauptet, die britische Verhaltensforscherin Jane Goodall habe beim Weltwirtschaftsforum in Davos gesagt, das Problem des Klimawandels könne durch eine „Entvölkerung“ gelöst werden. In dem Video, das das beweisen soll, sagte sie aber etwas anderes.

von Kimberly Nicolaus

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Der Tierverhaltensforscherin Jane Goodall wird eine Aussage über die Entvölkerung der Erde fälschlich zugeordnet. Goodall sprach lediglich davon, dass das Bevölkerungswachstum ein Problem für die uns zur Verfügung stehenden Ressourcen sei. (Quelle: Youtube; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)
Behauptung
Jane Goodall habe gesagt: „Wir können den Klimawandel lösen, indem wir die Erde um nur 7,5 Milliarden Menschen entvölkern.“ Das zeige ein Videoausschnitt vom Weltwirtschaftsforum in Davos.
Bewertung
Falscher Kontext
Über diese Bewertung
Falscher Kontext. Der Videoausschnitt ist nicht aktuell, er entstand beim Weltwirtschaftsforum im Jahr 2020. Goodall sprach damals bei einer Podiumsdiskussion zur Nachhaltigkeit im Amazonas-Regenwald darüber, dass die wachsende Weltbevölkerung Ursache vieler Probleme sei. Sie sprach in der gesamten Diskussion weder von einer Entvölkerung noch nannte sie die Zahl 7,5 Milliarden.

„Wir können den Klimawandel lösen, indem wir die Erde um nur 7,5 Milliarden Menschen entvölkern“: Dieses Zitat wird in Sozialen Netzwerken der britischen Verhaltensforscherin Jane Goodall zugeschrieben. Dazu wird ein Video verbreitet, das die Forscherin auf dem Weltwirtschaftsforum (WEF) im schweizerischen Davos zeigt. 

Jedes Jahr treffen sich beim WEF in Davos führende Personen aus Politik und Wirtschaft, um über globale Probleme und Lösungen zu diskutieren. Im Juni 2020 beschäftigte sich das WEF mit den Auswirkungen der Corona-Pandemie und stellte eine neue Initiative vor: „The Great Reset“ (auf Deutsch: „Der große Neustart“), die zu einer robusteren und nachhaltigeren Weltwirtschaft nach der Pandemie führen soll. Diese Initiative ist Gegenstand von Verschwörungsmythen, gefälschte Zitate dazu verbreiten sich häufiger im Netz. Das angebliche Zitat von Goodall ist ein weiteres Beispiel für eine solche Fälschung.

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Jane Goodall habe angeblich gesagt, das Problem des Klimawandels könne durch eine Entvölkerung gelöst werden. Die Forscherin hat eine solche Aussage nicht getroffen. (Quelle: Twitter; Screenshot und Schwärzung: CORRECTIV.Faktencheck)

Video zeigt Jane Goodall 2020 beim World Economic Forum – es ging um Nachhaltigkeit für den Amazonas-Regenwald 

In dem 16-sekündigen Video ist Goodall zu sehen, im Hintergrund das Logo des WEF. Über eine Bilderrückwärtssuche mit einem Standbild aus dem Video finden wir ein Youtube-Video von einer Podiumsdiskussion beim WEF 2020. Dabei ging es um die Frage, wie eine nachhaltige Zukunft für den Amazonas-Regenwald in Südamerika gesichert werden kann.

Goodall sagt auf Englisch ab Minute 31:30: „Wir können uns nicht vor dem Bevölkerungswachstum verstecken, denn es liegt so vielen anderen Problemen zugrunde. All diese Dinge, über die wir gesprochen haben, wären kein Problem, wenn die Bevölkerungsgröße so wäre wie vor 500 Jahren.“ 

Vor 500 Jahren lebten etwa 7,5 Milliarden Menschen weniger auf der Erde. Das geht aus Schätzungen der Vereinten Nationen hervor. Demnach lebten im Jahr 1500 rund 500 Millionen Menschen auf der Erde. 2022 überstieg die Zahl erstmals acht Milliarden.  Die vollständige Videoaufnahme zeigt jedoch, dass Goodall mit ihrer Aussage nicht auf eine „Entvölkerung“ hinaus will. Sie sprach in der Diskussion hauptsächlich über Projekte zum Schutz von Ökosystemen und Aufforstung.

Jane Goodall spricht nicht von „entvölkern“, das Bevölkerungswachstum sei aber ein Problem

Weder in dem Videoausschnitt noch zu einem anderen Zeitpunkt während der Podiumsdiskussion sagt Goodall, dass die Erde „entvölkert“ werden solle oder nennt die Zahl 7,5 Milliarden. Sie nennt das Bevölkerungswachstum als Ursache für viele Probleme. 

Die Meinung, dass die Bevölkerung zu groß für die Ressourcen ist, die auf der Erde zur Verfügung stehen, vertrat die Forscherin in der Vergangenheit bereits häufiger. Sie sprach bei anderen Diskussionen beispielsweise von einer „freiwilligen Optimierung der Bevölkerung“ und sagte, „wenn du ein Stück Land hast, das eine Familie mit zwei Kindern ernähren kann […], und dann das Land mit zehn oder zwölf Kindern füllst, dann haben sie nicht mehr genug zu essen“.  

Andere Forschende argumentieren dagegen, nicht die Gesamtzahl der Bevölkerung sei das Problem, sondern der ungleiche Zugang zu Ressourcen und dessen Konsum seien das Problem.

Redigatur: Viktor Marinov, Sarah Thust

Update, 23. Januar 2023: Wir haben die Bewertung von „Falsch“ auf „Falscher Kontext“ angepasst, um hervorzuheben, dass das Video nicht das belegt, was behauptet wird.

Die wichtigste, öffentliche Quelle für diesen Faktencheck:

  • Video der Podiumsdiskussion „Securing a Sustainable Future for the Amazon“ beim Weltwirtschaftsforum 2020 in Davos: Link