Nein, dieses Video zeigt nicht, wie die Ukraine Kriegsaufnahmen inszeniert
Ein Video soll beweisen, dass Kriegsaufnahmen aus der Ukraine gestellt sind. Doch es zeigt Dreharbeiten für einen Kurzfilm in Lettland.
„Alles, was du aus der Ukraine siehst, hat ein Set und einen geplanten Ablauf!“, steht in einem Beitrag mit Video auf Telegram mit rund 17.000 Aufrufen. In dem Clip ist zuerst ein Filmteam zu sehen, das aufnimmt, wie Soldaten ein Haus betreten. Im Gebäude sind dann Explosionen und umfallende Menschen zu sehen. Das Video kursiert mit ähnlichem Text auch auf Twitter und Facebook, auch in mehreren Sprachen.
Das Narrativ hält sich auch über ein Jahr nach Beginn des russischen Angriffskriegs: Immer wieder behaupten Menschen, dass die Ukraine Bilder von dem Krieg oder seinen Folgen inszeniert. Solche Behauptungen sollen die Invasion verharmlosen und die Position Russlands stärken. Wie bereits mehrfach in der Vergangenheit stellt sich auch in diesem Fall der angebliche Beweis als falsch heraus. Unsere Recherche zeigt: Bei den Aufnahmen handelt es sich um Dreharbeiten für einen Kurzfilm in Lettland.
Video zeigt Dreharbeiten für einen Kurzfilm in Lettland
Über eine Bilderrückwärtssuche mit Standbildern aus dem Video finden wir mehrere Tweets mit der Aufnahme, darunter auch ein Beitrag in englischer Sprache. Dort steht eine sogenannte Community Note – damit können Nutzerinnen und Nutzer potenziell irreführenden Tweets Kontext geben. In der Anmerkung steht: „Wichtiger Kontext, um Verwirrung zu vermeiden: Es handelt sich um die Dreharbeiten zu dem ukrainisch-lettischen Kurzspielfilm ‚Hoffnung‘.“ Als Quelle ist ein Bericht der ukrainischen staatlichen Nachrichtenagentur Ukrinform angegeben. Laut dem Artikel begannen im März in Lettland die Dreharbeiten für den Film des Regisseurs Artem Kocharyan. Ein Großteil des Filmteams stamme aus der Ukraine und sei nach Kriegsbeginn nach Lettland gezogen.
Auf Tiktok finden wir einen Account mit dem Namen des Regisseurs, der auch Geld für die den Film sammelt. Kocharyan veröffentlichte mehrere Videos, die die Dreharbeiten zeigen. Darunter sind auch die Ausschnitte, die seit Anfang April als vermeintlicher Beweis für eine Inszenierung verwendet wurden. Der Regisseur hatte eines der Videos schon am 22. März 2023 veröffentlicht. Darin ist die Szene mit den Explosionen zu sehen. In einem Beitrag vom 1. April 2023 sieht man die Anfangsszene des aktuell kursierenden Videos, bei der Soldaten ein Haus betreten. Die Beiträge von Kocharyan haben Hashtags wie „Kino“ und „Hinter den Kulissen“.
Vergleiche mit der Berichterstattung über den Film belegen, dass das kursierende Video die Filmkulisse zeigt
Auch das öffentlich-rechtliche Fernsehen in Lettland, LTV, hat über die Dreharbeiten berichtet. Ein Vergleich der Berichte des Senders auf Youtube mit den kursierenden Aufnahmen zeigt: Es handelt sich um dieselben Szenen.
So zeigen die Innenaufnahmen im Youtube-Video vom 23. März 2023 ab Minute 3:03 denselben gekachelten Flur, dieselben Lampen und denselben Stromkasten wie ab Sekunde 16 im Video, das eine Inszenierung belegen soll. Im Beitrag auf Youtube sehen wir bei Minute 2:46 außerdem dieselbe Person, die am Anfang des aus dem Kontext gerissenen Videos die Filmklappe hält.
Ein Beitrag des Youtube-Kanals RUS LSM, der auch zu LTV gehört, zeigt ab Sekunde 36 aus einer anderen Perspektive die Szene mit der Explosion. Sie ist im online kursierenden Video ab Sekunde 21 zu sehen. Die Kleidung und die Bewegungen des Kameramanns und Schauspielers sind dieselben.
Die Faktencheck-Redaktionen der DPA und der AFP haben die Aufnahmen auch überprüft und kamen ebenfalls zu dem Schluss: Die Bilder zeigen Dreharbeiten aus Lettland und keine Inszenierung der Ukraine.
Einen Überblick mit allen Faktenchecks von uns zum Krieg in der Ukraine finden Sie hier.
Redigatur: Gabriele Scherndl, Viktor Marinov