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Blindes Vertrauen

Ein Arzt in Niedersachsen soll das Vertrauen einer Patientin missbraucht haben, um ihre Unterschrift als AfD-Unterstützerin zu bekommen. Er bestreitet das. Anzeige folgt auf Anzeige.

von Lennart Kutzner

Es klingt wie eine dreiste Verschwörung: Ein Augenarzt soll einer älteren Patientin in Bad Pyrmont ein AfD-Unterstützerformular untergejubelt haben. Und zwar nach der Behandlung mit Augentropfen, als sie nur verschwommen sehen konnte. Die Staatsanwaltschaft Hannover ermittelt wegen Wählertäuschung.

Der Arzt hat seinerseits Anzeige wegen Verleumdung und Rufmord gestellt. Er habe immer berufliches und parteipolitisches getrennt, berichtet der „NDR“. Der Vorfall wurde zunächst von der lokalen „Deister-Weser-Zeitung“ aufgegriffen. Inzwischen berichten die überregionalen Blätter „Welt“ und „Neues Deutschland“ über den Zwischenfall, der sich im Zusammenhang mit der vorgezogenen niedersächsischen Landtagswahl am 15. Oktober ereignete. Entsprechend präsent ist die Geschichte in sozialen Netzwerken. Auch zahlreiche populistische Accounts teilten den Beitrag der „Welt“.

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Auch wenn es schon ein paar Tage her ist, nimmt die Geschichte über die mutmaßliche Wählertäuschung weiter Fahrt auf.

Ob und wie sich die Sache wirklich zugetragen hat, klärt die Staatsanwaltschaft. Richtig ist, dass die AfD in Niedersachsen Unterschriften sammeln muss, um ihre Liste zur Wahl zuzulassen. Auch ist der beschuldigte Augenarzt Mitglied der AfD und als solches sowohl im Kreistag Hameln-Pyrmont als auch im Rat der Stadt Bad Pyrmont vertreten. Zum Zeitpunkt der Verkündung des Wahltermins am 21. August war die Partei weder im Bundestag noch im niedersächsischen Landtag vertreten. Insgesamt benötigt sie 2.000 Unterschriften. Diese müssen mit offiziellen Dokumenten mit dem Siegel der Landeswahlleiterin gesammelt werden. Zwar dürfen die Parteien die Zettel vervielfältigen, aber jede Unterschrift muss noch einmal von der Kommune des Unterzeichners geprüft werden – nur Unterschriften von Wahlberechtigten werden gezählt. Die Partei reicht die gesammelten Unterschriften dann bei der Landeswahlleiterin ein.

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Für einschlägige Seiten scheint es unwirklich, aber der Vorwurf der Wählertäuschung steht tatsächlich im Raum. Persönlich im Amt bestätigen muss man seine Unterschrift übrigens nicht.

Im Falle der mutmaßlichen Wählertäuschung hat das Büro der Landeswahlleiterin die AfD im Weserbergland informiert. Auf diese Weise soll die Partei die Gelegenheit bekommen, einer unrechtmäßigen Unterschriftensammlung in ihrem Namen zuvorzukommen.