Hintergrund

„Politik darf nicht in Filterblasen stattfinden“

Dieser Wahlkampf wird nicht nur an der Haustür und im Fernsehen geführt, sondern vor allem online. Fuchs wirbt für Transparenz. Eine Bestandsaufnahme.

von Karolin Schwarz

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Politikberater und Blogger Martin Fuchs | Bildnachweis: martin-fuchs.org

Dark Ads – das sind Werbeanzeigen in sozialen Medien, die nur einer bestimmten, vorausgewählten Zielgruppe angezeigt werden. Sie sollen Donald Trump zum Wahlsieg in den USA verholfen und beim Brexit-Referendum eine Rolle gespielt haben. Der Hamburger Martin Fuchs untersucht das sogenannte Microtargeting im deutschen Wahlkampf.

Herr Fuchs, Ihr Projekt heißt PolitikAds. Worum geht es?

PolitikAds ist eine Initiative der Schweizer Journalistin Adrienne Fichter und mir. Wir haben Social-Media-Nutzer aufgerufen, unter dem Hashtag #PolitikAds zu zeigen, welche Werbung ihnen in sozialen Medien angezeigt wird. Inzwischen sind wir einen Schritt weiter: In Zusammenarbeit mit Buzzfeed, t-online und der britischen Initiative Who Targets Me bieten wir eine Browser-Erweiterung an, die die Werbung automatisiert erfasst. Wir konzentrieren uns vor allem auf Facebook, weil die Möglichkeit, sehr genaue Zielgruppen zu definieren und Nutzern auch nicht-öffentliche Werbung anzuzeigen, dort am deutlichsten ausgeprägt ist. 

Warum sind diese Werbemaßnahmen so umstritten?

Wir sind der Meinung, dass Politik und Wahlkampf öffentlich stattfinden müssen und nicht in Filterblasen ausgetragen werden sollten. Das führt im schlimmsten Fall dazu, dass bestimmte Bevölkerungsgruppen gegeneinander aufgehetzt werden. Aber auch ohne dieses Worst Case-Szenario, finden wird es bedenklich, dass mit Hilfe von Dark Ads Politik intransparent wird, politische Gegner auf Kritik nicht reagieren können, die Öffentlichkeit nicht mehr nachvollziehen kann wie digital Stimmung gemacht wird und so ein digitaler Graben entsteht, der dazu führt das immer kleinere Gruppen untereinander diskutieren aber wir nicht mehr miteinander reden. Demokratie funktioniert aber nur, wenn wir miteinander über unsere Positionen diskutieren, auch über Ideologie und Parteigrenzen hinweg.

Welche ersten Erkenntnisse haben Sie gewinnen können? Werben deutsche Parteien mit Fake News um Stimmen?

Wir sehen, dass alle großen Parteien und die, die künftig mit aller Wahrscheinlichkeit im Bundestag sitzen werden, auf Werbung in sozialen Medien setzen und auch Dark Ads im Wahlkampf eingesetzt haben. Die Frage nach Fake News im Wahlkampf war einer der Gründe für uns, #PolitikAds ins Leben zu rufen. Bisher gab es aber vor allem Halbwahrheiten, die für Werbemaßnahmen genutzt wurden.

Gab es Anzeigen, die Sie überrascht oder verwundert haben?

Ja, die AfD hat zum Beispiel kürzlich bekannt gegeben, eines ihrer Plakate nicht weiter einsetzen zu wollen. Darauf ist ein Ferkel zu sehen und ein Statement, dass der Islam nicht zur deutschen Küche passe. Auf Facebook wird dieses Bild trotzdem weiter beworben. Die AfD zielt mit ihrer Werbung außerdem auf deutsche Facebook-Nutzer ab, die die Seite von Donald Trump mit einem Like markiert haben. Die FDP dagegen versucht, Punkrock-Fans anzusprechen.

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Screenshot: Christopher King auf Twitter

Die CDU hat kürzlich eine Anzeige geschaltet, die sich explizit um die russlanddeutsche Community bemüht. Wie ist das einzuordnen?

Prinzipiell finde ich zielgruppenspezifische Werbung sehr sinnvoll. In diesem Fall geht es ja auch darum, diese Gruppe anzusprechen und sie zurück den demokratischen Diskurs zu holen. Die Russlanddeutschen wurden in der Vergangenheit vor allem von der AfD umworben.