Wo, wenn nicht hier, im politischen Zentrum Europas, könnte die „dringend notwendige Medienrevolution“ beginnen, fragt der Deutsche den Österreicher im Berliner Regierungsviertel. Ein Touristenboot tuckert über die Spree, hinter den Männern weht am Reichstagsgebäude die schwarz-rot-goldene Flagge. Der Österreicher, das ist Stefan Magnet, Chefredakteur von Auf1, einem Online-Sender, der Verschwörungserzählungen und Desinformation verbreitet. An seiner Seite steht Martin Müller-Mertens, seit Sommer 2022 neuer Deutschland-Korrespondent von Auf1. Die beiden verkünden einen – aus ihrer Sicht – wichtigen Schritt: Der Sender, der schon in Österreich eine beachtliche Größe erreicht hat, ist jetzt in Deutschland angekommen – und dabei soll es nicht bleiben.
Längst überfällig und bereits in vollem Gange ist die „Medienrevolution“ laut Magnet: Als Slogan auf Werbebussen und Lkws rollt sie „von Südtirol bis nach Berlin“, verlässt die Filterblasen des Internets, will vor Ort sein — „Folgen Sie der Wahrheit“ ist hinten auf den Bussen zu lesen, mit denen Auf1 sich selbst ein Markenzeichen gesetzt hat. Mit Wahrheit meint Magnet das, was nicht in etablierten Medien zu sehen, lesen und hören ist. Er meint seine Wahrheit.
Innerhalb weniger Monate entwickelte sich Auf1 zu einem riesigen Player in der sogenannten alternativen Medienlandschaft. Die Videos und Texte haben eine Reichweite, von der die Konkurrenz nur träumen kann. Eine Reichweite, die Auf1 auch dazu nutzt, Verschwörungen, Desinformation und rechte Inhalte zu verbreiten.
Was ist passiert, dass Magnet, der in seiner Jugend in Kreisen unterwegs war, die mit brachialer Neonazi-Propaganda auffielen, jetzt scheinbar seriös im Nachrichtenformat zigtausende Menschen erreicht, Tag für Tag?
CORRECTIV.Faktencheck hat für diese Recherche nachgezeichnet, wie Auf1 schnell in der Szene aufsteigen konnte und was Magnets Pläne für die Zukunft sind. Unternehmensurkunden, Gespräche mit Expertinnen und Experten und die Analyse der Inhalte von Auf1 geben Einblick in eine parallele Medienwelt, die vor allem zwei Dinge vorhat: Immer weiter zu wachsen. Und: Unter dem Deckmantel vermeintlicher Seriosität politisch radikale Inhalte zu verbreiten.
Stefan Magnet: Früher in der rechtsextremen Szene aktiv, heute scheinbar seriöser Chefredakteur
Um Auf1 zu verstehen, muss man in die frühen 2000er Jahre – und vor allem die Entwicklung von Stefan Magnet zurückverfolgen. Der war damals noch kein Medienunternehmer, sondern ein führender Kopf der österreichischen Rechtsextremen. „Braune Rädelsführer in Welser U-Haft“ titelt ein Lokalmedium im Jahr 2007, als die Polizei den damals 23-jährigen Magnet gemeinsam mit anderen Aktivisten des „Bund freier Jugend“ verhaftete. Der Verdacht: zahlreiche Verstöße gegen das NS-Verbotsgesetz. Die österreichische Staatsanwaltschaft wirft ihm und anderen vor, „eine Nachfolgeorganisation der Hitler-Jugend“ erschaffen zu wollen. Nach einem halben Jahr in Untersuchungshaft wird Magnet freigesprochen, wie die Staatsanwaltschaft Wels in Oberösterreich auf Anfrage von CORRECTIV.Faktencheck bestätigt. Seinen eigenen Angaben zufolge bekommt Magnet eine Entschädigung für die Zeit im Gefängnis, das Landesgericht Wels bestätigt, dass damals ein entsprechendes Verfahren eingeleitet wurde.
Dass Magnet ein Mann rechter Gesinnung war und ist, steht unabhängig davon außer Frage: Seine Verbindungen zur Rechten und zur extremen Rechten sind umfassend dokumentiert: Von Medien, Parlamentarierinnen und Parlamentariern und vom Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes (DÖW) – einer Stiftung, die unter anderem rechtsextremistische und neonazistische Entwicklungen in Österreich dokumentiert.
Magnet ist zum Beispiel bekannt mit Gottfried Küssel, dessen Name in Österreich untrennbar mit Neonazismus und Holocaustleugnung verbunden ist. In einem Interview, das der NDR im September 2022 ausstrahlt, wird Magnet auf ein Foto angesprochen, das ihn 2007 bei einer Demonstration in einer Reihe mit Küssel zeigt. Er reagiert dünnhäutig, ausschließen, dass er und Küssel noch heute auf denselben Demos unterwegs sein könnten, will er nicht.
Magnet war, das gibt er selbst zu, im Führungskader des Bundes freier Jugend (BfJ), einer strammrechten Organisation, die damals ihresgleichen sucht – unter anderem in der NPD (siehe Zeitleiste unten). Im Jugend Echo, einer Publikation des BfJ, wird 2004 zum Beispiel bedauert, dass ein Ort Adolf Hitlers Ehrenbürgerschaft aufgehoben hatte. Der österreichische Verfassungsschutz (PDF) schreibt 2006 über den BfJ, er strebe wohl „mittel- und langfristig eine führende Rolle als Träger, Erhalter und Verbreiter rechtsextremen Gedankengutes in Österreich“ an.
Später wird Magnet Unternehmer, 2011 gründet er eine Werbeagentur. Mit der knüpfte er Kontakte in die österreichische Politik – vor allem in die rechtspopulistische und in Teilen rechtsextreme Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ). Im März 2022 berichtet Profil, dass Magnet Aufträge in Höhe von gut 140.000 Euro von der oberösterreichischen FPÖ bekam. Magnet selbst wiegelt später ab: Auch die Oberösterreichische Volkspartei habe ihn beauftragt – wenn auch nur mit Aufträgen in Höhe von 19.000 Euro.
Und dann kommt Auf1. Magnet startet den Sender im Mai 2021, er veröffentlicht erst vor allem Videos, später auch Texte und Radiobeiträge. Der wichtigste Verbreitungskanal ist Telegram, dazu kommen mehrere Webseiten. Aus der FPÖ-Nähe macht Auf1 kein Geheimnis und berichtet immer wieder über die Partei oder sucht das Gespräch mit Parteichef Herbert Kickl (hier, hier, hier und hier). Aber von dem rabiaten, direkten Ton, den die Neonazis und Rechtsextremen der frühen Zweitausender anschlugen, ist mittlerweile wenig übrig.
Die Sendeinhalte von auf Auf1 sind gespickt mit Desinformation und antisemitischen Chiffren
Bei Auf1 tritt Magnet im Anzug in einem hellen, freundlich gestalteten Studio auf, vor ihm eine Kaffeetasse mit Auf1-Logo. Es erinnert stark an das Logo der ARD, nach Geschmack der ARD etwas zu sehr – der Rundfunkverbund sieht dadurch seine Markenrechte verletzt. In seinen Texten und Videobeiträgen verwendet Auf1 eine Sprache, die Josef Holnburger, Geschäftsführer des Center für Monitoring, Analyse und Strategie (Cemas), einer Organisation, die sich mit Verschwörungsideologien und Rechtsextremismus im Netz beschäftigt, als „höchst unprofessionell“ bezeichnet – also ganz gegensätzlich zur optischen Erscheinung.
Da ist von der Corona-Impfung als „Gen-Experiment“ die Rede, und es wird von „Bolschewisten“ und „Globalisten“ gesprochen. Das seien, so Holnburger, „antisemitische Chiffren, die teilweise oder – im Falle des Bolschewismus auch direkt – in der NS-Vergangenheit, also den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts genutzt wurden“. Omnipräsent ist die Behauptung, wirtschaftliche Eliten würden die Herrschaft an sich reißen wollen.
Was sind »Globalisten«, was ist der »Great Reset«?
Auf den ersten Blick wird die antisemitische Bedeutung des Wortes „Globalisten“ nicht klar. Die Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus (GRA) erklärt auf ihrer Webseite aber: Das Wort stehe zwar im Zusammenhang mit der Globalisierung, sei damit aber nicht identisch. Es komme von Globalismus, einem „Begriff, der in der rechtsextremen Szene als antisemitisches Codewort im Zusammenhang mit Verschwörungsideologien“ verwendet wird. Mit Globalisten sei in dem Zusammenhang eine internationale Elite gemeint, die angeblich einen großen Umsturz und „anschließend je nach Narrative entweder einen großen Neustart, den ’Great Reset‘ oder eine ’Neue Weltordnung‘ plant“.
Und hinter dieser global operierenden „Elite“ würden, wie in zahlreichen anderen Verschwörungsideologien mit antisemitischen Narrativen, Jüdinnen und Juden vermutet. Bereits im Jahr 2006 arbeitete eine Tochterorganisation der NPD laut der Bundeszentrale für politische Bildung „12 Thesen zum Globalismus“ aus. Eine davon: Die von den Globalisten verursachten Migrationsströme und die Angleichung von Märkten, Produkten und Kommunikation führten zur „Zerstörung gewachsener Sprachen und Kulturen“.
In eine ähnliche Richtung geht der Begriff des „Great Reset“. Der steht, so schreibt die GRA, „symbolisch für eine angebliche weltweite Verschwörung zur Unterwerfung der Menschheit durch eine totalitäre Weltregierung“. Der österreichische Verfassungsschutz schreibt dazu, die Verschwörungserzählung des „Great Reset“ beziehungsweise des „Bevölkerungsaustausches“ habe im Zuge der Pandemie großen Anklang erhalten. Und: „An diese Ansichten knüpfen viele altbekannte rechtsextremistische, nationalistische und antisemitische Narrative an.“
Und auch klassische Desinformation wird immer wieder von Auf1 gestreut. Etwa zum Klimawandel, wie CORRECTIV.Faktencheck kürzlich in einem ausführlichen Faktencheck überprüft hat. Häufig geht es auch um das Coronavirus, wenn zum Beispiel Nebenwirkungen der Impfstoffe irreführend dargestellt werden. Spätestens seit dem Angriff auf die Ukraine – bei dem Auf1 nicht nur, aber auch Positionen wiedergibt, die die Schuld umkehren und Russland als Opfer sehen – geht es auch um die Energieversorgung. Und dabei vor allem um einen drohenden Blackout – ein Szenario, mit dem Rechte und Verschwörungsgläubige zunehmend Panik schüren.
Magnet sieht das anders: Wer Auf1 einschalte, werde dort nichts Rechtsextremes oder Coronaleugnung „an sich“ finden. Einen Bericht des Mediums habe man noch nie korrigieren müssen, Fake News seien Auf1 noch nie nachgewiesen worden, behauptet er unwidersprochen bei TV Berlin.
Innerhalb kürzester Zeit erreicht Auf1 240.000 Follower auf Telegram
Fest steht: Der Sender ist extrem schnell gewachsen und hat sich als eines der reichweitenstärksten selbsternannten alternativen Medien im deutschsprachigen Raum etabliert. Wäre die Telegram-Gruppe von Auf1 eine Partei und ihre rund 240.000 Abonnentinnen und Abonnenten die Parteimitglieder, dann wäre Auf1 die zweitgrößte Partei Österreichs.
Cemas hat CORRECTIV.Faktencheck Daten zum Wachstum von Auf1 bei Telegram zur Verfügung gestellt. Sie zeigen, dass der Kanal bereits einen Monat nach Sendestart im Juni 2021 mehr als 80.000 Abonnentinnen und Abonnenten hat. Zum Vergleich: Der Kanal des Journalisten Boris Reitschuster – der auf seinem Blog während der Corona-Pandemie immer wieder irreführende Behauptungen veröffentlicht hat – konnte ein solches Wachstum erst nach fünf Monaten vorweisen. Und das deutsche Magazin Compact, das 2021 vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch eingestuft wurde und ähnliche Verschwörungstheorien wie Auf1 befeuert, hat es in seiner sechsjährigen Präsenz auf Telegram auf maximal 60.000 Abonnentinnen und Abonnenten gebracht.
Die Entwicklung der Telegram-Kanäle von Auf1, Reitschuster.de und des Compact-Magazins
Cemas hat Daten über mehrere Telegram-Kanäle, die Desinformation verbreiten, gesammelt. Der Vergleich zeigt: Auf1 schlägt das deutlich ältere Compact bei Weitem.
Das scheinbar professionelle Auftreten hebt Auf1 von anderen alternativen Medien ab
Dafür, wie Auf1 so groß werden konnte, hat Cemas-Experte Holnburger zwei Erklärungen: Erstens das scheinbar professionelle Auftreten von Stefan Magnet. „Damit hat er sich gegenüber anderen, die das eher so Livestream-mäßig oder Youtuber-mäßig gemacht hatten, abgehoben. Weil es optisch ansprechend war“. Und zweitens: Magnets Vernetzung in der Szene der Corona-Kritikerinnen und Kritiker, die ihn zum Start beworben haben. Holnburger sagt: „Magnet hat mindestens seit Mai 2021 sämtliche Größen der Szene, wie zum Beispiel Oliver Janich, Eva Herman und Co. angeschrieben und ist dann im Juni mit einem Wumms gestartet“.
Laut TGStat, einem Analyse-Tool von Telegram, schaltet der Kanal von Auf1 auch Anzeigen bei Janich und Hermann, zahlt also dafür, dass seine Beiträge in deren Kanälen angezeigt werden. Nicht immer tauchen Anzeigen, die das Tool angibt, in den Kanälen tatsächlich auf. In einigen Fällen bei Herman und Janich gibt es aber zumindest Beiträge mit einer auffälligen zeitlichen Nähe zu den Anzeigen. Und übrigens auch im Kanal der rechtsextremen Partei Freie Sachsen und bei mehreren FPÖ-Politikern.
Während bei Reitschuster mit dem Beginn des Russland-Ukraine-Kriegs die Zugriffszahlen sinken, ist bei Auf1 das Gegenteil der Fall. Mittlerweile ist der Kanal mit etwas mehr 240.000 Abonnentinnen und Abonnenten auf einem ähnlichen Niveau wie Reitschuster.de und zählt damit zu den reichweitenstärksten deutschsprachigen Telegram-Kanälen der alternativen Szene.
In einem Interview im September 2022 sagt Magnet, die Videos von Auf1 hätten auf der Webseite in den Spitzenwerten 500.000 bis 700.000 Aufrufe. Auf Nachfrage von CORRECTIV.Faktencheck schreibt er, mit Spitzensendungen erreiche Auf1 über eine Million Menschen; unabhängig überprüfen lässt sich das nicht.
Auf1 startet mit acht Mitarbeitenden und schluckt dann das Team des Wochenblick
Aber nicht nur die Reichweite von Auf1 wird schnell größer, auch das Team des Senders wächst stetig. Eine öffentlich zugängliche Auflistung aller Mitarbeitenden gibt es bei Auf1 nicht. Gegenüber dem NDR spricht Magnet im April 2022 von einem „Kernteam“ von 30 Personen.
Wer wissen möchte, wer bei Auf1 arbeitet, muss die Webseite und Sendungsformate durchsuchen, immer wieder stößt man da auf neue Namen: Zu den Kolleginnen und Kollegen der ersten Stunde – wie etwa Elsa Mittmansgruber, die schon vor der Auf1-Gründung mit Magnet vertraut war – reihen sich immer wieder neue Gesichter. Manche davon haben klassischen Medien den Rücken gekehrt, treiben sich seit Jahren in der Desinformations-Szene um oder lassen sich dem rechten politischen Spektrum zuordnen. Andere waren zuvor Polizistinnen, Schauspieler oder Persönlichkeits-Coaches.
2021 startet Magnet mit acht Moderatorinnen und Moderatoren, drei von ihnen verlassen den Sender wieder, aber allein im Jahr 2022 kommen sieben neue hinzu – Mitarbeitende, die im Hintergrund wirken, wie Programmchefs, Webentwicklerinnen oder Kameraleute, nicht mitgezählt. Dass Auf1 aber auch in diesem Bereich kräftig sucht, zeigt ein Blick auf die aktuellen Stellenangebote.
Mit den Mitarbeitenden wächst auch das Sendungsportfolio von Auf1: 13 neue Formate sind seit 2022 entstanden. Neben den täglichen Nachrichten gibt es nun etwa auch eine Wirtschaftssendung, in der Bernhard Riegler alle zwei Wochen die „Pläne der Globalisten zum ‚Great Reset‘“ bespricht, das Format Kauf1, in dem Produkte des Auf1-Shops beworben werden, oder die Sendung Auf1-Spezial mit exklusiven Interviews, zuletzt etwa mit dem Chef der Werte-Union Hans-Georg Maaßen.
Doch damit nicht genug: Im Januar 2023 übernimmt Auf1 einen Großteil des Teams der regelmäßig Desinformation streuenden, österreichischen Zeitung Wochenblick, nachdem der das Geld ausgeht.
Was ist der Wochenblick?
Magnet selbst hat jahrelang als Gastautor für das österreichische Magazin Wochenblick geschrieben. 2021 berichtete CORRECTIV.Faktencheck, wie sich der Wochenblick mit der Verbreitung von Desinformation in den deutschen Wahlkampf einmischte. Doch auch schon zuvor, zum Beispiel im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie, verbreitete der Wochenblick immer wieder Falschbehauptungen. Das Magazin wurde 2016 gegründet und war laut eigener Aussage bis 2021 durch regionale Unternehmen ausfinanziert. Über die konkreten Geldgeber hat sich die Zeitung nie geäußert, sowohl personell aber auch in der Berichterstattung sowie bei Werbeschaltungen war eine Nähe zur FPÖ erkennbar – eine Unterstützung hat die Partei jedoch dementiert. Ende 2022 hat der Wochenblick seine Berichterstattung aufgrund finanzieller Schwierigkeiten eingestellt.
Bei Auf1 scheint es solche Probleme nicht zu geben: Fast zeitgleich zum Ende des Wochenblicks geht das textbasierte Nachrichtenportal Auf1.info an den Start. Das Portal sei „das nächste Triebwerk des Auf1-Flaggschiffs in Richtung Medienrevolution“, sagt Magnet in einer Sendung. Gefüllt wird es unter anderem von ehemaligen Wochenblick-Journalistinnen und -Redakteuren, wie Kornelia Kirchweger oder Kurt Guggenbichler. Insgesamt übernimmt der Sender acht Angestellte der rechten Zeitung. Und die ehemalige Wochenblick-Webseite? Sie wird seitdem mit kopierten oder leicht veränderten Auf1-Artikeln bespielt, ein zusätzlicher Reichweitengewinn für den österreichischen Sender.
Die Menschen hinter Auf1
Wer sind die Menschen hinter Auf1? CORRECTIV.Faktencheck hat einige von ihnen genauer betrachtet.
Stefan Magnet, 1984 geboren, fiel schon früh in der österreichischen Neonazi-Szene auf. Die Plattform Stopp die Rechten veröffentlichte ein Foto, das Magnet 2006 gemeinsam mit dem verurteilten Holocaust-Leugner Gottfried Küssel zeigen soll.
Weitere Verbindungen von Magnet und Küssel sind dokumentiert. In seinen Zwanzigern war Magnet laut dem Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands und laut Medienberichten im Bund freier Jugend (BfJ), einem Ableger der rechtsextremen „Arbeitsgemeinschaft für demokratische Politik“, aktiv und sogar Teil der Führungsriege – das gibt er auch selbst zu.
Der österreichische Verfassungsschutz (PDF) beobachtete den BfJ in den frühen 2000er Jahren und schrieb unter anderem, er sei mit der NPD vernetzt und habe diese als Vorbild.
Später tauchte Magnet immer wieder im Umfeld der FPÖ auf, etwa, als er 2016 laut Medienberichten mit einer Delegation nach Russland reiste, die dort nach eigenen Angaben ein Arbeitsübereinkommen mit Putins Partei Einiges Russland unterzeichnete.
CORRECTIV.Faktencheck hat Magnet gefragt, ob er diese Reise nun, im Lichte des Angriffes auf die Ukraine, neu bewertet. Er ignorierte die Frage. Seine Werbeagentur nahm zudem mehrfach Aufträge der Oberösterreichischen FPÖ an.
Magnet berichtete öffentlich, wie ihn die Corona-Maßnahmen dazu gebracht haben, zu demonstrieren und „sichtbaren Widerstand“ zu leisten. Im sogenannten alternativen Medienbereich war er da schon seit Jahren aktiv, er schrieb etwa für das FPÖ-nahe rechte Magazin Wochenblick und die ebenfalls rechts außen stehende Seite Info-direkt.
Das DÖW schreibt über Info-Direkt: Die Inhalte, die dort verbreitet werden, würden „alle wesentlichen Bestimmungsmerkmale des Rechtsextremismus“ erfüllen. Magnet veröffentlichte mehrere Bücher, eines davon widmet sich im Jahr 2020 der Corona-Pandemie. Der Journalist Vinzenz Waldmüller fand darin eine „Germanenideologie“, ebenso wie die rechte Verschwörung des sogenannten Bevölkerungsaustausches und antifeministische sowie prorussische Positionen.
Ein anderes Buch Magnets von 2022 widmet sich dem Konzept des Transhumanismus – das DÖW beschreibt das als „weiteren Mythos zur Mobilisierung von Ängsten“ und als rechte Propaganda. Im Mai 2021 startete Auf1 mit Magnet als Chefredakteur.
Elsa Mittmansgruber, bis 2017 für das österreichische Boulevardblatt Kronen-Zeitung tätig, war Chefredakteurin der rechten österreichischen Zeitung „Wochenblick”. Parallel dazu ist sie – „begeistert von der Idee des Senders“ – seit Beginn bei Auf1 mit einem eigenen Format vertreten, zunächst unter dem Namen „Aufrecht” später dann unter „Elsa Auf1“.
In ihrer ersten Sendung geht es um das „Märchen des freien Journalismus“, um „gekaufte Medien“, die „die Macht der Eliten mit miesester Propaganda“ zementieren. Mittmannsgruber präsentiert sich als „Insiderin“, die aus eigener Erfahrung über das „gekaufte System“ der Medien berichtet. Dem Thema widmete sie auch die knapp zweistündige Dokumentation „Inside Mainstream“, in der bekannte Gesichter der Desinformations- und Verschwörungsszene, wie die ehemalige Tagesschau-Specherin Eva Herman oder Gerhard Wisnewski, als Ex-Mitarbeitende etablierter Medien zu Wort kommen.
Im Januar 2022 wechselte Mittmannsgruber journalistisch vollständig vom Wochenblick zu Auf1, blieb dem Wochenblick aber beratend tätig und sagt über die beiden Medien, sie seien „zwar völlig voneinander unabhängige Medienprojekte, aber dennoch keine Konkurrenten, sondern Freunde“. Beide verfolgten das unbedingte Ziel, „ ein Gegengewicht zur regierungstreuen Einheitspresse zu bilden“.
Mittmansgruber und Gründer Magnet kennen sich schon Jahre vor dem Auf1-Sendestart: Mittmannsgruber modelte laut der Webseite Gegneranalyse des Zentrums Liberale Moderne für das 2017 von Magnet mitgegründete Modelabel „Heimatmode“, das sich laut einem Vice-Artikel nationalsozialistischer und rechtsextremer Sprüche und Symbolik bediente und mittlerweile nicht mehr existiert.
„Auf1 legt den Schwerpunkt seiner Berichterstattung nun zunehmend nach Deutschland“, verkündete Magnet in einer Sendung im Juli 2022. Neben ihm die zentrale Figur, die dieser Expansion ein Gesicht geben soll: Martin Müller-Mertens.
Der ist in rechten Kreisen kein Unbekannter. Zehn Jahre lang war er davor für das vom deutschen Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestufte Compact-Magazin von Jürgen Elsässer tätig. Er schreibt noch für das Magazin. Aber seit August 2022 ist er der Deutschland-Korrespondent von Auf1 und moderiert seit Oktober „Berlin Mitte Auf1 – die neue politische Talkshow aus dem Herzen der Hauptstadt“. Seit Februar 2023 moderiert er außerdem das Format „Unterm Strich Auf1“, eine Diskussionsrunde über gesellschaftliche Themen unter „freien Journalisten“, die sich nicht im „Establishment“ und in der „System-Berichterstattung“ verorten. Seine ersten Gäste: eine Journalistin des rechten Blogs Achse des Guten und Anselm Lenz, Herausgeber der Zeitung Demokratischer Widerstand und Mitinitiator einer der ersten Corona-Proteste 2020, die sogenannten „Hygienedemos“ in Berlin.
Müller-Mertens gibt an, seit Jahrzehnten in der Medienbranche, auch für etablierte Medien, gearbeitet zu haben. Belege dafür konnte CORRECTIV.Faktencheck nicht finden. Auf eine Nachfrage von CORRECTIV.Faktencheck reagierte er nicht. 1999 gründete er die Online-Zeitschrift RBI-Aktuell, seit 2005 heißt sie Berliner Umschau. Autor war unter anderem der österreichische Rechtsextremist Gerhoch Reisegger. 2010 findet sich Müller-Mertens Name noch auf dem Youtube-Kanal der Umschau, heute läuft die Webseite laut Impressum über Ingrid Müller-Mertens und berichtet über lokale und kulturelle Berlin-Themen.
Programmchef von Auf1 ist seit mindestens Juli 2022 Andreas Retschitzegger. Er war laut einem Artikel des Standards Anfang der 2000er Jahre stellvertretender Bezirksobmann beim Ring freiheitlicher Jugend (RfJ) in Linz-Land, der Jugendorganisation der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ). Die Organisation wird der rechtsextremen Szene zugeordnet. 2007 war er dem Standard zufolge zudem auf Veranstaltungen des Bunds freier Jugend (BfJ), einer vom DÖW als rechtsextrem beziehungsweise neonazistisch eingeordneten Gruppe in Oberösterreich, bei der Auf1-Gründer Magnet führender Kader war. Die Gruppe war bis 2007 aktiv und hatte laut österreichischem Verfassungsschutz gute Vernetzungen in rechtsextreme Kreise in Deutschland, etwa zur NPD. Laut Retschitzegger bietet Auf1 „besten investiven Journalismus und Hintergründe, die die Mainstream-Medien nicht bringen.“ Auf der Webseite der oberösterreichischen FPÖ ist außerdem ein Andreas Retschitzegger als Grafiker angeführt. Weder die Landes-FPÖ, noch er selbst reagierten auf unsere Anfrage dazu.
Kurt Guggenbichler ist seit Januar 2023 neu im Auf1-Team. Laut einem österreichischen Militärmagazin war Guggenbichler Jagdkommandosoldat und wechselte dann in die Medienbranche. Er soll acht Jahre für die Goslarsche Zeitung in Deutschland gearbeitet haben. Die Zeitung bestätigte eine Tätigkeit Guggenbichlers in den 1980er Jahren. Anschließend war er verschiedenen Quellen zufolge nach 25 Jahre für die Oberösterreichischen Nachrichten tätig. 2016 gründete er den Wochenblick und war bis 2018 erster Chefredakteur der Zeitung. CORRECTIV.Faktencheck berichtete 2021, wie sich die Zeitung mit Falschmeldungen und Schmutzkampagnen in den damaligen deutschen Wahlkampf einmischte. Auch sonst fiel die Zeitung mit der Verbreitung von Desinformation auf. Guggenbichler und Magnet kennen sich seit 15 Jahren. Er und andere ehemalige Wochenblick-Angestellte fanden im Januar 2023 Zuflucht bei Auf1. Guggenbichler ist unter anderem für das neue Online-Textmedium Auf1.info als „Nachrichten-Redakteur, Kommentator und Reporter im Einsatz“.
Kornelia Kirchweger ist neben Guggenbichler ein weiterer Zulauf aus der Wochenblick-Redaktion zu Auf1. Kirchweger war beim Wochenblick „Auslandskorrespondentin“. Ihre vorrangigen Themen: Migration, die Corona-Pandemie und der Klimawandel. Wie Elsa Mittmansgruber präsentiert sie sich als „Insiderin“ der „Mainstream-Medien“, die sie als Propaganda und „Medienmafia“ bezeichnet, die „von oben nach unten durchdirigiert“ seien.
Nach eigener Aussage hat sie für verschiedene Medien, darunter die BBC und die japanische Zeitung Asahi Shimbun, und die österreichische Presseagentur APA gearbeitet. Die Medienhäuser und Kirchweger selbst reagierten auf Nachfrage von CORRECTIV.Faktencheck nicht, doch die APA teilte mit, dass Kirchweger von Oktober 1988 bis Januar 1989, also drei Monate, als freie Journalistin für die Nachrichtenagentur tätig gewesen sei. Aus einer anschließenden sechsmonatigen Stelle als Anwärterin in der Redaktion Außenpolitik sei keine „definitive Anstellung“ erfolgt.
Kirchweger gibt weiter an, zehn Jahre für den österreichischen Bundespressedienst im Bundeskanzleramt tätig gewesen zu sein. Zuvor, so schreibt Wochenblick, habe sie „als politische Mitarbeiterin“ die Kampagne zum EU-Beitritt Österreichs – der war 1995 – zwischen den zuständigen Agenturen und dem Kabinett des Bundeskanzlers unter Franz Vranitzky (SPÖ) koordiniert. Das österreichische Bundeskanzleramt und der Bundespressedienst wollen aus Datenschutzgründen keine Auskunft dazu geben. Doch Karl Krammer, erst Pressesprecher und später Kabinettschef von Vranitzky, wirft für CORRECTIV.Faktencheck einen Blick in einen Amtskalender aus dem Jahr 1993/94, den er zufällig aufgehoben habe. Dort sei Kirchweger angeführt, sagt er, allerdings als Vertragsbedienstete – also im Beamtenschema, nicht im Kabinett. Dass sie politische Mitarbeiterin im Kabinett Vranitzky war, schließt Krammer aus.
Laut einer Studie der Kulturplattform Oberösterreich zeichnet sich Kirchwegers Berichterstattung beim Wochenblick durch einen „besonders aggressiven Sprachstil“ aus, der sich etwa in Begrifflichkeiten wie „Asyl-Tsunami“, „Flüchtlings-Zwangsquoten“ oder „Asyl-NGO“ zeige.
Expansion nach Deutschland und ein Auf1-Berlin-Studio, von dem niemand verrät, wo es ist
Und dann ist da noch Martin Müller-Mertens, der neue Deutschlandkorrespondent von Auf1. Im Juli 2022 kündigt Magnet an, den Schwerpunkt der Berichterstattung zunehmend nach Deutschland zu verlegen. Müller-Mertens hat davor jahrelang für das vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestufte Compact-Magazin gearbeitet. An seiner Seite: Andreas Retschitzegger. Magnet und er kennen sich aus Österreich, beide tauchen direkt oder indirekt im Umfeld des Bunds freier Jugend auf. Er gestaltet als Programmchef zusammen mit Müller-Mertens das Deutschlandprogramm von Auf1.
Für den Aufbau des Studios sammelt Magnet im August 2022 Spenden. Ende Oktober soll es eröffnet worden sein, doch noch zum Jahreswechsel sagt Magnet, das Studio werde weiter ausgebaut. Wo genau es sich befinden soll, ist unklar, eine Adresse gibt Auf1 nicht an.
Auffällig ist: Das Berlin-Studio kann mit dem in Österreich nicht mithalten. Während Aufnahmen vom österreichischen Studio breit auf Instagram geteilt werden, wird vom Studio in Berlin nur wenig gezeigt: Eine kahle Wand, zwei Bildschirme, die typischen blauen Auf1-Tassen und ein Medienrevolution-Werbebus in Miniaturform. Mehr gibt es bisher nicht zu sehen. CORRECTIV.Faktencheck hat mehrere Fragen an Müller-Mertens geschickt und um ein Treffen im Berliner Studio gebeten. Er reagiert darauf nicht.
Chronologie
Magnets politisches Engagement begann schon lange vor Auf1.
Ein Blick in die Vergangenheit.
Magnet will in weitere Städte im deutschsprachigen Raum expandieren – und sucht die Zusammenarbeit mit anderen Medien
Ein neues textbasiertes Nachrichtenportal, ein neuer Standort in Berlin und ein kräftiger Zuwachs bei den Mitarbeitenden und Sendeformaten – Auf1 vergrößert sich, doch Magnet will noch höher hinaus. Sich zu vernetzen „und mit anderen freien Medien gemeinsam den gleichgeschalteten Systemmedien eine Alternative entgegenzustellen“, sei das Motto von Auf1 seit der Gründung, heißt es auf der Webseite. Enge inhaltliche und personelle Vernetzungen zum Wochenblick und Report24 – eine weitere österreichische Webseite, die mehrfach Desinformation verbreitete – sind offensichtlich, Magnet selbst betont in einem Interview, dass es im Ballungszentrum Oberösterreich einen engen Austausch zwischen den sogenannten alternativen Medien gibt.
In Deutschland kooperiert Magnet seit April 2022 mit dem Youtube-Kanal Eingeschenkt.tv. Das Angebot mit 120.000 Abonnenten und Abonnentinnen ist in der rechten Querdenkerszene beliebt und verbreitete auch Desinformation. In unregelmäßigen Abständen strahlt Auf1 Sendungen von Eingeschenkt.tv aus, und umgekehrt.
Doch nicht nur mit anderen will Magnet zusammenwachsen, sondern auch die eigene Präsenz weiter ausbauen, weitere Studios seien geplant, im September 2022 spricht er vage die Standorte München und „Westdeutschland“ an. Und immer wieder ist die Rede von weiteren Ländern. Einen Monat später sagt Programmchef Retschitzegger, man sei in guten Gesprächen mit der Eröffnung eines Studios in der Schweiz und in Italien, konkreter Südtirol.
Wer der Partner in der Schweiz ist, liegt nahe: Dort arbeitet Magnet seit September 2022 mit dem alternativen Gesundheitssender QS24 zusammen, der ebenfalls bereits mit Desinformation aufgefallen ist. Knapp 240.000 Follower hat der Youtube-Kanal, dessen Inhalte Auf1 sonntags ausstrahlt. Auf eine Anfrage von CORRECTIV.Faktencheck zu einer Kooperation mit Auf1 antwortet QS24 zwar, geht aber nicht auf entsprechende Fragen ein. Nicht so klar ist, wohin Magnet in Italien will. Immer wieder interviewt er den Südtiroler Corona-Maßnahmen-Gegner Hannes Loacker. Bei einer Parlamentswahl im Herbst 2022 erreichte Loacker in Bozen mit einer Anti-Impf-Partei 6,21 Prozent. Will Loacker Auf1 ein Studio in Südtirol zur Verfügung stellen? Auf eine Anfrage von CORRECTIV.Faktencheck dazu schreibt er ausweichend: Auf1 leiste „die wertvollste Medienarbeit der letzten Jahrzehnte im deutschsprachigem Raum“.