AfD-Spendenskandal

Urteil zum Berufungsverfahren der AfD

Update vom 08.04.2022: Das Oberlandesgericht Frankfurt bestätigt in weiten Teilen die Berichterstattung von CORRECTIV, gab aber in einem Punkt der AfD recht. In erster Instanz hatte CORRECTIV den Prozess gewonnen.

von Marcus Bensmann , Justus von Daniels

Das Frankfurter Landgericht wies die Klage der AfD gegen CORRECTIV in allen Punkten ab © Foto Huebner / picture alliance/

Update vom 12.04.2022: : Die AfD versucht seit 2019, Aussagen über falsche Spendenlisten und eine Hausdurchsuchung der AfD-Landeszentrale in Düsseldorf im Zusammenhang der AfD-Spendenaffäre gerichtlich zu unterbinden. In einem ersten Verfahren hatte das Landgericht Frankfurt die Aussagen von CORRECTIV in allen Punkten bestätigt. Das Oberlandesgericht bestätigt ebenfalls in weiten Teilen die Berichterstattung von CORRECTIV, gab aber in einem Punkt der AfD recht.

In der Spendenaffäre läuft es für die AfD gerade nicht rund. Die Bundestagsverwaltung verlangt, wie letzten Donnerstag bekannt wurde, weitere 570.000 Euro wegen Spenden an die Fraktionsvorsitzende Alice Weidel, für einen Kongress in Düsseldorf aus dem Jahre 2016 und die Verteilung einer AfD-nahen Werbezeitung im bayerischen Wahlkampf. Zuvor musste die AfD rund 400.000 Euro für illegale Spenden für den Wahlkampf von Parteichef Jörg Meuthen und den heutigen AfD-Europaabgeordneten Guido Reil zahlen.

Am 12. November wies das Landgericht Frankfurt am Main nun eine Klage der AfD gegen die Berichterstattung von CORRECTIV über die Spendenaffäre vollumfänglich ab.

Zum zweiten Mal wurde damit die journalistische Arbeit von CORRECTIV und Frontal21 vor Gericht bestätigt, die mit ihren Recherchen zu der Plakatspende einer Schweizer Werbefirma für Guido Reil und Jörg Meuthen 2017 die Spendenaffäre der AfD ins Rollen gebracht hatten.

Hintergrund: Die Spendenaffäre

Die Recherche von 2017 deckte auf, dass beide AfD-Politiker in die Unterstützungsmaßnahmen der Schweizer Firma Goal AG eingebunden waren und die Parteihierarchie darüber informiert war. Die Recherchen von CORRECTIV und Frontal21 dienten sowohl der Bundestagsverwaltung als auch der Staatsanwaltschaft in NRW als Hauptquelle für ihre Ermittlungen und führten dazu, dass die Zuwendungen als illegale Parteispenden eingestuft wurden. Damit war es zum ersten Mal gelungen, die Schutzbehauptung der AfD, es habe sich bei den Werbemaßnahmen der Goal AG um eine Parallelaktion und nicht um eine Parteispende gehandelt, zu entkräften.

Aufgrund dieser Recherche schickte die AfD Spenderlisten an die Bundestagsverwaltung, die damit den Fall aufklären wollte. Mehrere Medien, zuerst der Spiegel und der Rechercheverbund von WDR und Süddeutsche Zeitung, sowie CORRECTIV wiesen nach, dass sich auf diesen Listen Strohleute fanden.

Die Bundestagsverwaltung stellte der AfD wegen der Annahme illegaler Spenden im Fall Meuthen und Reil einen Zahlungsbescheid über 400.000 Euro aus. Im Fall Meuthen klagte die AfD gegen die Strafzahlung und unterlag im Januar 2020 vor dem Verwaltungsgericht in Berlin. Die AfD akzeptierte beide Zahlungen.

Die Klage der AfD

Aber in einer Sache blieb die Partei hartnäckig. Die AfD wollte CORRECTIV über ihre Anwälte untersagen, wie wir über die Ergebnisse der Recherchen berichten. Sie griff vor allem einen Artikel an, in dem wir die Spendenaffäre zusammengefasst hatten:

Wir sollten bei den Spenderlisten einen bestimmten Eindruck nicht mehr erwecken, den wir hier nicht wiederholen (Update vom 12. April 2022).

Wir sollten dort ebenfalls nicht mehr schreiben dürfen, dass die Bundestagsverwaltung im März 2019 gegen die AfD eine Strafzahlung über 400.000 Euro verhängte, weil die AfD die Kosten der Werbeaktionen in ihren Rechenschaftsberichten nicht auswies.

Wir sollten in dem Text nicht mehr schreiben dürfen, dass die Staatsanwaltschaft Essen im Juni 2019 die Landeszentrale der AfD in NRW durchsucht habe und wir sollten nicht mehr schreiben, dürfen, dass die Bundestagsverwaltung die AfD zwang, die Spender der Plakataktionen offenzulegen.

Die AfD gab in ihrer Begründung der Klage Folgendes an. Von den Strohleuten, sollte es sie denn geben, habe die Partei nichts gewusst und auch nichts wissen können. Bei einer staatsanwaltlichen Hausdurchsuchung sah sich die AfD als Opfer. In den anderen Punkten hängte sie sich an weiteren Formulierungen auf, bei denen es um den Zahlungsbescheid als „Strafzahlung ging“ sowie darum, ob die Partei „gezwungen worden sei“, die Spender offenzulegen.

Die Richter folgten  in erster Instanz der Begründung der AfD nicht. In allen Punkten gaben sie CORRECTIV recht und stellten fest, dass es sich bei den Aussagen um wahre Tatsachenbehauptungen handele. Nach dem Berufungsverfahren muss CORRECTIV nun Formulierungen zu den Spendenlisten ändern.

Gericht bestätigt CORRECTIV-Recherchen in allen Punkten

Das Gericht hebt zudem die wichtige Funktion der journalistischen Recherche bei der Parteienfinanzierung hervor. „Gerade bei politischen Parteien ist Transparenz für das Vertrauen der Wählerinnen und Wähler von höchster Bedeutung“, heisst es in der Urteilsbegründung. Das Gericht bezieht sich auf „Normen“, die die Annahme von Spenden verbieten würden, bei denen die Herkunft der Gelder unklar bleibe. „Insoweit besteht .. ..an der Berichterstattung über politische Parteien … ein erhöhtes und berechtigtes Interesse“, so das Gericht in der Begründung des Urteils.

Auch der Begriff „Strafzahlung“ sei eine „wahre Tatsachenbehautpung”, denn „nach Sinn und Zweck handelt es sich hierbei jedoch um eine Sanktion, ausgelöst durch einen Verstoß gegen das Parteiengesetz. Der Begriff einer Strafzahlung wird vom Durchschnittsempfänger auch mit einer Sanktion für ein Fehlverhalten assoziiert.“

Der Bericht über die Hausdurchsuchung sei eine „wahre Tatsachenbehauptung“, denn diese habe „nachweislich“ stattgefunden, und die AfD „war jedenfalls aus Sicht des maßgeblichen Durchschnittslesers Nutznießerin der Wahlkampfspenden“.

Zudem darf weiterhin geschrieben werden, dass die AfD von der Bundestagsverwaltung gezwungen wurde, die Spender offenzulegen. Auch das sei eine „wahre Tatsachenbehauptung“: „Die Klägerin gibt damit zu erkennen, dass sie die Angaben nicht etwa nur aus Gründen der Transparenz und des Aufklärungswillens gegenüber der Bundestagsverwaltung mitteilt, sondern dass sie durchaus aufgrund der Sanktionsdrohung einem ‘inneren Zwang’ gefolgt ist“, schreiben die Richter.