CORRECTIV.Ruhr

Piraten in NRW: Was haben sie bewegt?

Schlechte Prognosen für die Piratenpartei: Nach den Landtagswahlen am 14. Mai wird es sehr wahrscheinlich keine orangefarbene Fraktion mehr im nordrhein-westfälischen Landtag geben. Höchste Zeit also, einen Blick auf die parlamentarische Arbeit der Piraten zu werfen.

von Stefan Laurin

© BPT12.2 von Joachim S. Müller unter Lizenz CC BY-SA 2.0

Was das Ergebnis der Landtagswahl im Mai betrifft, ist vieles noch unklar: Kann die SPD ihren Vorsprung vor der CDU halten? Wird die AfD weiter absacken? Schaffen Grüne und Linke den Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde? Wird der FDP im Schlussspurt die Puste ausgehen? Eines ist allerdings so gut wie sicher: Die Piraten werden nicht wieder in den Landtag kommen. Mehr als fünf Prozent erreichte die Partei laut einer Umfrage zuletzt im September 2012.

Bei der letzten Landtagswahl 2012 waren sie mit 7,8 Prozent der Stimmen ins Parlament eingezogen. Nun werden sie bei Umfragen schon lange nicht mehr gesondert aufgeführt.

Seit über zwei Jahren liegen die Piraten bei etwa einem Prozent. Mit NRW werden die Piraten ihre letzte Fraktion auf Länderebene verlieren. Es wird Zeit, zurückzublicken.

Sicher, man könnte die Geschichte der Piraten in NRW anhand von Skandalen erzählen oder über die Austritte aus der Fraktion. Aber man kann sie auch anhand der Arbeit der Piraten erzählen. Die kann sich nämlich sehen lassen: Anträge und Anfragen der Piraten hatten eine hohe Qualität. Einzelne Abgeordnete, wie die Bildungspolitikerin Monika Pieper, erarbeiteten sich über Fraktionsgrenzen hinaus einen guten Ruf als Fachpolitiker.

Und ob es ohne die Piratin Birgit Rydlewski jemals einen NSU-Untersuchungsausschuss gegeben hätte, darf bezweifelt werden: SPD, Grüne und FDP waren gegen seine Einrichtung. Erst als die CDU die Idee von Rydlewski aufgriff, änderten sie innerhalb weniger Tage ihre Meinung.

Engagierte Parlamentsarbeit

Die Piraten haben im Landtag mitgearbeitet. Sie starteten 2012 mit 20 Abgeordneten. Heute sind es, nach mehreren Fraktionsaustritten, noch 17. Die haben zusammen bis zum 1. März 904 Kleine Anfragen gestellt. Kleine Anfragen sind das effektivste und meistgenutzte Mittel der Opposition, zwingen sie doch die Regierung, Informationen preiszugeben: zum Beispiel über die Kosten der Flüchtlingsunterbringung oder die Zahl der rechtsradikalen Straftaten im Land.

Zum Vergleich: Die 22 Mitglieder der FDP-Fraktion kamen im selben Zeitraum auf 2176 Kleine Anfragen, die CDU mit 68 Abgeordneten auf 2346. SPD und Grüne, die Fraktionen, welche die Landesregierung stellen, haben nur drei (SPD) und sieben (Grüne) Kleine Anfragen gestellt.   

anfragen.png

Kleine Anfragen im Landtag NRW. Stand: 1. März 2017

Grafik: correctiv.ruhr

Bei eigenen Anträgen im Landtag waren die Piraten ganz vorne mit dabei: 255 Anträge stellten sie bis zum 1. März unabhängig von anderen Fraktionen. Und sie wurden ihrem selbst gesetzten Anspruch gerecht, auch mit den anderen Fraktionen zusammenzuarbeiten, wenn es inhaltlich Sinn machte.

antraege.png

Anträge im Landtag NRW. Stand: 1. März 2017

Grafik: correctiv.ruhr

Vier Anträge stellten sie gemeinsam mit den Oppositionsfraktionen von FDP und CDU, 37 gemeinsam mit allen Fraktionen. Zwölf Anträge stellten die Piraten gemeinsam mit SPD und Grünen. 1032 Anträge wurden im Landtag bis zum 1. März gestellt, an 317 waren die Piraten beteiligt.

Die Arbeit im Parlament haben die Piraten ernst genommen. Wer sie gewählt hat, hat seine Stimme sicher nicht verschwendet. Aber was haben die Piraten im Landtag beantragt? Wir haben da mal etwas zusammengestellt:

 

13.02.2017: Selbstbedienungsladen Sparkasse – NRW braucht endlich eine Deckelung der Gehälter und Pensionen von Sparkassen-Vorständen!

Über die ausufernden Gehälter der Sparkassen-Vorstände hat CORRECTIV ausführlich berichtet. Das Durchschnittsgehalt eines Vorstandsmitglieds der Sparkasse Bochum lag 2014 bei 504,333,3 Euro, bei der Sparkasse Wuppertal gab es im Schnitt 519.000, in Essen sogar 521.725 Euro. Die Piraten wollten, dass Vorstandsvorsitzende von Sparkassen höchstens 220.000 Euro pro Jahr verdienen dürfen, einfache Vorstandsmitglieder höchstens 150.000 Euro.

Antrag: Piraten. Beratungsprotokoll des Landtags: Der Antrag wurde nach Beratung in direkter Abstimmung mit den Stimmen der Fraktionen von SPD, CDU, GRÜNEN und der fraktionslosen Abgeordneten Schulz und Stüttgen gegen die Stimmen der Fraktion der PIRATEN bei Enthaltung der Fraktion der FDP und des fraktionslosen Abgeordneten Schwerd abgelehnt.

13.02.2017: Einsetzung eines Untersuchungsausschusses gemäß Artikel 41 der Landesverfassung Nordrhein-Westfalen zum Vorgehen der nordrhein-westfälischen Landesregierung und ihrer Sicherheitsbehörden im Fall des islamistischen Attentäters Anis Amri („Untersuchungsausschuss Fall Amri“)

Was lief schief im Fall von Anis Amri, dem Attentäter von Berlin? Kurz vor Ende der Legislaturperiode setzte die Opposition den Untersuchungsausschuss durch. Noch vor der Landtagswahl wird es einen Zwischenbericht geben.  

Antrag: CDU, FDP, Piraten. Beratungsprotokoll des Landtags: Der Antrag wurde nach Beratung in direkter Abstimmung mit den Stimmen der Fraktionen von CDU, FDP, PIRATEN und der fraktionslosen Abgeordneten Schulz und Schwerd bei Enthaltung der Fraktionen von SPD und GRÜNEN angenommen. Es wurde ausdrücklich festgestellt, dass dem Antrag mehr als 48 Abgeordnete zugestimmt haben. Damit ist der Untersuchungsausschuss V eingesetzt.

 

29.09.2016: Digitale Verkehrswende in NRW durch den Kauf von 100.000 Fahrerlosen Fahrzeugen für den öffentlichen Nahverkehr einleiten

100.000 fahrerlose Autos sollte NRW anschaffen. Die Fahrzeuge, Kleinfahrzeuge, Busse, Bahnen, sollten nach Willen der Piraten NRW zum Vorzeigeland des digitalen Verkehrs machen.

Antrag: Piraten. Beratungsprotokoll des Landtags: Der Antrag wurde entsprechend der Beschlussempfehlung mit den Stimmen der Fraktionen von SPD, CDU, GRÜNEN, FDP und des fraktionslosen Abgeordneten Schwerd gegen die Stimmen der Fraktion der PIRATEN abgelehnt.

 

7.09.2016: Anerkennung der Gemeinnützigkeit für Freifunk durch die zuständige Landesbehörde sofort erwirken!

In NRW gibt es, wie in ganz Deutschland, zahlreiche Freifunk-Initiativen. Sie stellen kostenlose WLAN-Zugänge für jedermann zur Verfügung. Die Piraten wollten dies als gemeinnützige Arbeit anerkennen lassen.

Antrag: Piraten. Beratungsprotokoll des Landtags: Der Antrag wurde nach Beratung in direkter Abstimmung mit den Stimmen der Fraktionen von SPD, CDU, GRÜNEN und des fraktionslosen Abgeordneten Stüttgen gegen die Stimmen der Fraktion der PIRATEN und des fraktionslosen Abgeordneten Schwerd bei Enthaltung der Fraktion der FDP abgelehnt.

 

31.05.2016: Förderung des digitalen Breiten- und Profisports: eSport verdient Anerkennung und Wertschätzung

ESport boomt. Die Piraten wollten durchsetzen, dass eSport-Vereine als gemeinnützig anerkannt werden – wie andere Sportvereine auch.

Antrag: Piraten. Beratungsprotokoll des Landtags: Der Antrag wurde nach Beratung in direkter Abstimmung mit den Stimmen der Fraktionen von SPD, CDU und GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktion der PIRATEN bei Enthaltung der Fraktion der FDP abgelehnt.

 

21.04.2016: Kein generelles Handyverbot an Schulen in Nordrhein-Westfalen: Das Smartphone als Teil der Lebenswirklichkeit von Jugendlichen respektieren

An einigen Schulen im Land sind Handys ganz oder zeitweise verboten. Allerdings kommt immer wieder die Diskussion auf, Handys und Smartphones an allen Schulen NRWs zu verbieten. Die Piraten wollten einer solchen Regelung einen Riegel vorschieben.

Antrag: Piraten. Beratungsprotokoll des Landtags: Der Antrag wurde entsprechend der Beschlussempfehlung mit den Stimmen der Fraktionen von SPD, CDU und GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktion der PIRATEN bei Enthaltung der Fraktion der FDP abgelehnt.

(Edit 30.3.2017: In einer früheren Version des Artikels war das Abstimmungsverhalten falsch dokumentiert.)

 

15.01.2016: Geflüchtete Frauen und Kinder nicht vergessen: Schutz vor Gewalt auch in den Landesaufnahmen sicherstellen!

Gewalt ist ein Problem in vielen Flüchtlingsunterkünften. Die Piraten wollten die Sicherheit verbessern.

Antrag: Piraten. Beratungsprotokoll des Landtags: Der Antrag wurde entsprechend der Beschlussempfehlung mit den Stimmen der Fraktionen von SPD und GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktionen von FDP, PIRATEN und des fraktionslosen Abgeordneten Schwerd bei Enthaltung der Fraktion der CDU abgelehnt.

 

27.10.2015: NRW braucht ein Flüchtlingsforum: Die Landesregierung muss Helferinnen und Helfern in der Flüchtlingshilfe besser vernetzen und mehr unterstützen

Ohne zahllose freiwillige Helfer hätten die vielen Flüchtlinge, die im Herbst 2015 nach Deutschland kamen, nicht versorgt werden können. Die Piraten wollten die freiwilligen Helfer unterstützen und ihre Vernetzung fördern.

Antrag: Piraten. Beratungsprotokoll des Landtags: Der Antrag wurde nach Beratung in direkter Abstimmung mit den Stimmen der Fraktionen von SPD, GRÜNEN und FDP gegen die Stimmen der Fraktion der PIRATEN bei Enthaltung der Fraktion der CDU abgelehnt.

 

23.10.2015: Inklusion verantwortungsvoll gestalten und Qualität gewährleisten

Inklusion ist eines der wichtigsten bildungspolitischen Themen in NRW. Die Piraten wollten eine sonderpädagogische Betreuung an allen Schulen durchsetzen.

Antrag: Piraten. Beratungsprotokoll des Landtags: Der Antrag wurde entsprechend der Beschlussempfehlung mit den Stimmen der Fraktionen von SPD und GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktion der PIRATEN bei Enthaltung der Fraktionen von CDU und FDP abgelehnt.

 

10.03.2015: Autonomes Fahren: Chancen der Digitalisierung und des Wandels im Mobilitätsmarkt erkennen und für die Flexibilisierung des Öffentlichen Nahverkehrs nutzen

Autonomes Fahren könnte in Zukunft den Verkehr radikal ändern. Die Piraten wollten unter anderem durch Gutachten in Erfahrung bringen, wie sich die Technik auf den Öffentlichen Nahverkehr auswirken könnte.

Antrag: Piraten. Beratungsprotokoll des Landtags: Abgelehnt mit den Stimmen von SPD, GRÜNEN, CDU und FDP gegen die Stimmen der PIRATEN.

 

28.10.2014: Einsetzung eines Untersuchungsausschusses gemäß Artikel 41 der Landesverfassung Nordrhein-Westfalen zum NSU-Terror in Nordrhein-Westfalen

Als die Piraten einen NSU-Ausschuss einsetzen wollten, stießen sie auf Ablehnung bei SPD, Grünen und FDP. Erst als die CDU die Piraten unterstützte, konnte sich keine Fraktion mehr der Forderung nach einem solchen Ausschuss entgegenstellen. Der NSU-Ausschuss war der größte Erfolg der Piraten.

Antrag: SPD, CDU, GRÜNE, FDP, Piraten. Beratungsprotokoll des Landtags: Der Antrag  wurde nach Beratung in direkter Abstimmung einstimmig angenommen.

 

28.10.2014: Europäisch-kanadisches Freihandelsabkommen CETA stoppen!

Die Piraten waren gegen Freihandelsabkommen — und stellten sich somit auch gegen CETA.

Antrag: Piraten. Beratungsprotokoll des Landtags: Der Antrag wurde nach Beratung in direkter Abstimmung mit den Stimmen der Fraktionen von SPD, CDU, GRÜNEN, FDP und des fraktionslosen Abg. Stein gegen die Stimmen der Fraktion der PIRATEN abgelehnt.

 

10.12.2013: Breitbandausbau verstärken

Piraten, CDU und FDP wollten das Land beim Thema Ausbau des Breitbandnetzes voranbringen. Dazu sollten Fördermittel verwendet werden.

Antrag: CDU, FDP, Piraten. Beratungsprotokoll des Landtags:  Der Antrag wurde nach Beratung in direkter Abstimmung mit den Stimmen der Fraktionen von SPD und GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktionen von CDU, FDP, PIRATEN und des fraktionslosen Abg. Stein abgelehnt.

 

8.10.2013: Unser Land braucht eine Neukonzeption der Flüchtlingsaufnahme – hin zu einer humanen und dezentralen Unterbringung in ganz NRW

Die Piraten wollten das Flüchtlingsaufnahmegesetzes NRW überarbeiten und humanitärerer Lebensbedingungen für Flüchtlinge erreichen.

Antrag: Piraten. Beratungsprotokoll des Landtags: Ablehnung des Antrages mit den Stimmen von SPD, CDU, GRÜNE, FDP gegen die Stimmen der PIRATEN.

 

17.09.2013: Staatliche Subventionen für Private Universität Witten/Herdecke beenden

Die Piraten wollten aus der Subventionierung der Uni Witten/Herdecke aussteigen und wissen, wie eng Land und Uni kooperieren.

Antrag: Piraten. Beratungsprotokoll des Landtags: Ablehnung mit den Stimmen von SPD, CDU, GRÜNEN und FDP gegen die Stimmen der PIRATEN.

 

16.04.2013: Industrie-und Handelskammern in NRW: Geschäftsführergehälter offenlegen

Antrag: Piraten. Beratungsprotokoll des Landtags: Der Antrag wurde nach Beratung in direkter Abstimmung mit den Stimmen der Fraktionen von SPD, CDU, GRÜNEN und FDP gegen die Stimmen der Fraktion der PIRATEN abgelehnt.

 

15.01.2013: Videoüberwachung an Bahnhöfen – Alles überwacht und dann?

Antrag: Piraten. Beratungsprotokoll des Landtags: Der Antrag wurde nach Beratung in direkter Abstimmung mit den Stimmen der Fraktionen von SPD, CDU und GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktion der PIRATEN bei Enthaltung der Fraktion der FDP abgelehnt.

 

30.10.2012: NRW braucht ein Transparenzgesetz!

Die Piraten wollten ein Transparenzgesetz nach dem Hamburger Vorbild, bei dem die Verwaltungen aktiv zahlreiche Dokumente offenlegen.

Antrag: Piraten. Beratungsprotokoll des Landtags: Ablehnung Antrag Drs 16/1254 mit den Stimmen von SPD, CDU und GRÜNEN gegen die Stimmen von FDP und PIRATEN.