Nein, das Weltwirtschaftsforum empfiehlt in einem Artikel keine Mikrochip-Implantate für Kinder
Ein Blog verbreitet die Behauptung, das Weltwirtschaftsforum empfehle, Kindern Mikrochips zu implantieren. Das ist falsch. Ein Meinungsartikel einer Wissenschaftlerin wird als Empfehlung des Weltwirtschaftsforums fehlinterpretiert.
Der österreichische Blog TKP veröffentlichte am 21. August einen Text mit dem Titel „WEF empfiehlt Microchip-Implantate für Kinder“. Im Teaser des Textes heißt es, das Weltwirschaftsforum (WEF) „werbe“ für Chip-Implantate und kämpfe um die „Akzeptanz und Normalisierung von Microchips im Körper“.
Das ist falsch. Bei dem von TKP aufgegriffenen Artikel auf der Seite des Weltwirtschaftsforums handelt es sich um einen Meinungsbeitrag und keine Empfehlung der Organisation. In dem Artikel werden ethische und technische Fragen zur Erweiterung von Körperfunktionen durch verschiedene Technologien diskutiert. Dabei geht es um Hörgeräte und Herzschrittmacher, aber auch um Virtual Reality-Brillen und Mikrochip-Implantate.
Das Weltwirtschaftsforum und dessen Vorsitzender Klaus Schwab sind immer wieder Ziel von Falschinformationen und Verschwörungstheorien.
Meinungsartikel stammt von Wissenschaftlerin eines Forschungszentrums für Nanoelektronik und Digitaltechnologie
Verfasst wurde der Artikel von Kathleen Philips. Wie aus ihrem Autorinnenprofil beim WEF hervorgeht, ist sie die Vizepräsidentin für Forschung und Entwicklung der Niederlassung des Forschungszentrums Imec in Eindhoven. Die Abkürzung Imec steht für das „Interuniversity Microelectronics Centre“, das im Jahr 1984 gegründet wurde.
Veröffentlicht wurde der Artikel am 16. August in der Rubrik „Agenda“. Die Rubrik bewirbt das WEF mit den Worten „Entdecken Sie die neuesten Meinungsartikel des Forums, aktuelle Analysen und Erklärstücke von führenden Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Politik und Zivilgesellschaft.“ Unter dem Artikel von Philips heißt es: „Die Meinungen, die in diesem Artikel zum Ausdruck gebracht werden, sind die der Autorin, nicht die des Weltwirtschaftsforums“. In einer aktualisierten Fassung des Artikels wurde zudem unter der Überschrift der Hinweis „Meinung“ eingefügt und zu Beginn des Textes heißt es, „dieser Artikel wurde auf Seiten, die Desinformation verbreiten, absichtlich fehlinterpretiert“.
Autorin diskutiert Möglichkeiten, wie der menschliche Körper durch Technologie erweitert werden könnte
In ihrem Artikel beschreibt Philips zunächst, wie technologische Entwicklungen, die menschliche Körperfunktionen wiederherstellen, zum normalen Alltag geworden sind. Als Beispiele führt sie Brillen, Hörgeräte oder Prothesen an. Technische Hilfsmittel seien jedoch nicht nur in der Lage, verlorene oder eingeschränkte Körperfunktionen wiederherzustellen, sondern diese zu erweitern. Beispiele dafür seien Nachtsichtbrillen oder Exoskelette. Diese ermöglichen es Menschen, schwere Lasten zu tragen.
Über diese Hilfsmittel könne man jedoch hinausgehen. Statt sie äußerlich am Körper zu tragen, könne man auch Hilfsmittel in den Körper integrieren, zum Beispiel, um sich vor lebensgefährlichen Allergien zu schüt zen. Auch Krankheiten wie Depressionen oder Inkontinenz ließen sich mit solchen Implantaten möglicherweise heilen, schreibt Philips. Kindern mit einer Lese- und/oder Rechtschreibstörung könne so möglicherweise ebenfalls geholfen werden.
Philips empfiehlt diese Körpererweiterungen jedoch nicht, sondern stellt sie lediglich zur Debatte. Sie schreibt, Gesellschaften müssten sich die Frage stellen, ob man die menschlichen Einschränkungen, die das Altern oder Lernstörungen mit sich brächten, akzeptieren wolle. Die Grenzen für den Einsatz von Implantaten würde durch ethische Diskussionen festgelegt werden, nicht dadurch, was wissenschaftlich möglich sei.
Klar ist, dass Philips solche technologischen Entwicklungen begrüßen würde, wenn sie schreibt: „Technologie hatte schon immer das Potential, Gesellschaften zu transformieren und unser tägliches Leben und unser Arbeitsleben zu verbessern. Das trifft auch auf Technologien zu, die Körperfunktionen erweitern.“ Das als eine Empfehlung des WEF zu interpretieren, ist dennoch falsch, es ist die Meinung von Kathleen Philips. Darauf weist das WEF auch mehrfach hin.
Redigatur: Steffen Kutzner, Sophie Timmermann
Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck:
- Aktualisierte Fassung des Artikels von Kathleen Philips vom 16. August auf der Webseite des Weltwirtschaftsforums: Link