Nein, die russische Influencerin Julia P. wurde nicht aus Deutschland abgeschoben
Gegen eine 30-Jährige Russin wird aktuell in Bayern ermittelt, sie habe den russischen Angriffskrieg verherrlicht. Ein Video soll jetzt sogar ihre angebliche Abschiebung belegen. Laut Behörden ist die Frau aber nach wie vor in Deutschland und nicht in dem Video zu sehen.
Julia P. wurde nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine medial bekannt: Gegen die 30-Jährige pro-russische Influencerin, die in Landshut leben soll, wird aktuell ermittelt, weil sie den Angriffskrieg verherrlicht habe. Nun kursieren Aufnahmen, die angeblich zeigen, wie sie aus Deutschland abgeschoben wird. In anderen Beiträgen heißt es auch, sie sei in Untersuchungshaft.
Ursprünglich veröffentlichte das russische Medium The Insider am 20. November ein Video über die angebliche Abschiebung von P. am Berliner Flughafen. Darin sind zwei Polizeibeamte und eine junge Frau mit Koffer zu sehen. Ton- und Bildqualität ist schlecht, man versteht nicht, worum es bei der Begegnung geht. Die Frau geht schließlich mit den Polizisten mit.
Anschließend verbreitete sich das kurze Video auf Twitter, Facebook und Telegram. In manchen Versionen des Videos wird danach noch einige Sekunden lang älteres Bildmaterial eingeblendet, das Julia P. zeigt. Es soll wohl zeigen, dass sich das Aussehen der Frauen ähnelt. Die Behauptung, das Flughafen-Video zeige Julia P. bei ihrer Abschiebung, verbreitet sich international.
Doch die Frau im Video ist nicht Julia P., schreibt uns ein Sprecher der Bundespolizeidirektion Berlin. Sie wurde zudem weder abgeschoben, noch sitzt sie in Untersuchungshaft, bestätigt uns die zuständige Staatsanwaltschaft Landshut.
Julia P. soll Ukrainerinnen belästigt und den russischen Angriffskrieg befürwortet haben
Wer ist Julia P.? Wir finden zu ihrem Namen mehrere Medienberichte. Der Standard berichtete im September, die 30-Jährige habe bei einer Pro-Ukraine-Kundgebung mit einer russischen Flagge provoziert. Sie soll auf Tiktok zur Stromverschwendung aufgerufen haben, um damit Russland zu unterstützen. Zudem habe sie sich dabei gefilmt, wie sie in Salzburg zwei ukrainische Frauen belästigte, indem sie sie verfolgte und „Russland wird siegen“ rief – das Video ist online zu finden. Die Russin erklärte laut dem Bericht des Standard, seit April illegal in Deutschland zu leben – in Landshut in Bayern.
Ein Bericht der Bild bestätigt diese Angabe. Dort ist von einer Hausdurchsuchung bei Julia P. Mitte Oktober die Rede. Die DPA verlinkt in einem Faktencheck die dazugehörige Pressemitteilung des Polizeipräsidiums Niederbayern und der Staatsanwaltschaft Landshut.
Darin heißt es, eine 30-jährige Russin, die ohne gültige Aufenthaltserlaubnis im Land sei, stehe im Verdacht, „mutmaßlich seit Mai 2022 in mehreren Fällen über soziale Netzwerke den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine (…) befürwortet und verherrlicht zu haben“. Zudem soll sie „mutmaßlich Anfang August 2022 eine Userin beleidigt haben“. Man ermittle wegen des Verdachts der Beleidigung und der Billigung von Straftaten und habe bei einer Hausdurchsuchung drei Smartphones und ein Notebook beschlagnahmt.
Paragraf 140 des Strafgesetzbuchs stellt das „Belohnen und Billigen“ von Straftaten unter Strafe. Demnach ist es verboten, rechtswidrige Taten öffentlich gutzuheißen. Am 28. März twitterte das Bundesinnenministerium: „Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine ist eine Straftat. Wer diesen Angriffskrieg öffentlich billigt, kann sich strafbar machen.“
Frau im Video ist nicht Julia P. – The Insider korrigierte Bericht über eine Abschiebung
Doch anders als behauptet wurde Julia P. nicht abgeschoben. Die Frau, die auf den Videos zu sehen ist, sei nicht Julia P., schreibt ein Sprecher der Bundespolizeidirektion Berlin auf eine Anfrage von CORRECTIV.Faktencheck.
Nach dem Bericht des russischen Mediums The Insider, der angab, Informationen von einem „Insider-Korrespondenten vom Flughafen in Berlin“ zu haben, griff auch der deutsche Stern die angebliche Abschiebung in einem Bericht auf – jedoch mit Verweis darauf, dass die Staatsanwaltschaft Landshut die Abschiebung dementiere.
Sowohl der Stern als auch The Insider änderten ihre Texte nachträglich ab. Der Redaktion des Stern ergänzte den Hinweis, dass die Berliner Polizei nach der Veröffentlichung angegeben habe, dass das Video am Flughafen Berlin entstanden sei, es sich aber nicht um Julia P. handele. Bei The Insider steht mittlerweile ein Update-Hinweis, dass Julia P. noch in Deutschland sei.
Auch der Telegram-Kanal „Neues aus Russland“, der bereits mehrfach Desinformation verbreitete und von der pro-russischen Influencerin Alina Lipp betrieben wird, verbreitete erst die Behauptung, Julia P. sei abgeschoben worden. Am Nachmittag des 21. Novembers folgte eine Korrektur. In der steht: Auf dem Video sei doch nicht Julia P. zu sehen. Sie sei nicht abgeschoben worden, aber in Untersuchungshaft.
Staatsanwaltschaft bestätigt: Julia P. wurde weder abgeschoben, noch ist sie in Untersuchungshaft
Doch auch das ist laut einem Sprecher der Staatsanwaltschaft Landshut falsch. Auf Anfrage von CORRECTIV.Faktencheck schreibt er: „Eine Abschiebung der Beschuldigten ist nicht erfolgt. Sie hält sich nach wie vor in Deutschland auf. Die Abschiebungen nach Russland sind weiter ausgesetzt. Die Beschuldigte befindet sich nicht in Untersuchungshaft.“
Schon im April teilte laut einem Bericht der Zeit das bayerische Innenministerium mit, dass man wegen des russischen Angriffskrieges weder nach Russland, noch nach Belarus oder Moldau abschiebe.
Einen Überblick mit allen Faktenchecks von uns zum Krieg in der Ukraine finden Sie hier.
Redigatur: Sophie Timmermann, Alice Echtermann
Update, 28. November 2022: Wir haben den Stern aus einem Zwischentitel gestrichen, in dem es hieß, er habe seinen Text „korrigiert“. Der Stern ergänzte lediglich ein Statement der Staatsanwaltschaft, stellte aber schon zuvor klar, dass unklar sei, ob in dem Video Julia P. zu sehen sei.