Auf diesem Panzerkonvoi in Mannheim war kein Nazi-Code zu sehen
Ein Video im Netz soll einen Panzer mit rechtsextremen Code zeigen. Er gehöre zu einem Transport von Mannheim nach Polen. Aber das Video wurde manipuliert, der Code digital eingefügt. Der Panzerkonvoi fuhr auch nicht nach Polen.
Seit Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine werden in Sozialen Netzwerken immer wieder Aufnahmen von Panzern geteilt, die durch Europa transportiert würden. In einigen Fällen stehen die Videos aber in falschem Kontext und zeigen nicht das, was behauptet wird.
Aktuell sollen ein Video und Fotos einen Transport zeigen, bei dem auf einem der Panzer der Code „14/88“ steht – das sei ein Code aus der Neonazi-Szene, heißt es. Die Beiträge kursieren mindestens seit dem 27. Februar 2023. Auf Telegram und Facebook wird behauptet, es handele sich dabei um einen Panzerkonvoi bei Mannheim „der nach Polen verlegt“ werde, in manchen Beiträgen wird behauptet, die Panzer gehörten der Bundeswehr.
Nutzerinnen und Nutzer verbreiteten die Aufnahme in verschiedenen Sprachen, darunter Deutsch, Spanisch, Türkisch und Russisch. Auch der Telegram-Kanal der prorussischen Influencerin Alina Lipp hatte die Behauptung zunächst verbreitet – er wurde tausendfach auf Telegram gesehen. Einige Tage später teilte der Kanal eine Richtigstellung.
Unsere Recherche zeigt: Das Video wurde manipuliert und der Code nachträglich digital hinzugefügt. Im Originalvideo, das schon mindestens ein Jahr alt ist, steht nicht „14/88“. Es handelt sich auch nicht um deutsche Panzer, sondern um US-amerikanische Panzer, die innerhalb Deutschlands transportiert wurden.
Video von Panzerkonvoi in Mannheim ist mindestens ein Jahr alt
Über eine Bildrückwärtssuche finden wir einen Artikel des Südwestrundfunk (SWR) vom 11. März 2022 über zunehmende Aktivitäten auf dem Mannheimer Militärareal. Im Artikel ist auch ein Videobeitrag (Stand: 10. März 2023) zu sehen. Darin ist dieselbe Panzer-Aufnahme, wie in Sozialen Netzwerken geteilt – doch die „14/88“-Aufschrift fehlt. Das Video wurde also nachträglich manipuliert.
Inzwischen ist der SWR-Videobeitrag nicht mehr abrufbar. Wie uns der SWR auf Nachfrage mitteilte, werden solche Beiträge nach einem Jahr offline genommen wegen der sogenannten Verweildauer. Sie schreibt vor, dass Inhalte von öffentlich-rechtlichen Medien nur für eine bestimmte Zeit im Netz bleiben dürfen.
Im SWR-Video erklärt eine Sprecherin, dass es sich bei dem Transport um amerikanische Panzer handelt, die „auf dem Weg zu den Coleman-Barracks“ seien, einem US-amerikanischen Militärlager in Mannheim.
Das passt zu den Angaben von Susie Blair, einer Sprecherin des US-Militärs. Sie schrieb: Im Frühling 2022 seien M1A2 Abrams Panzer zwischen dem Coleman Areal in Mannheim und Grafenwöhr in Nordbayern transportiert worden. Die Behauptung, dass die Panzer nach Polen gebracht würden, sei falsch, so Blair. Nur „einige Fahrzeuge und Ausrüstungsgegenstände“, aber nicht die M1A2 Abrams Panzer, seien nach Polen transportiert worden.
Auch in einem Artikel eines Mediendienstes des US-Militärs vom 1. März 2022 heißt es, dass Ausrüstung und Fahrzeuge „hauptsächlich vom Standort Coleman in Mannheim, Deutschland” abgezogen würden. Ein Teil der Ausrüstung solle „auch auf dem Schienenweg von Mannheim nach Grafenwöhr transportiert werden“.
Genaue Angaben zum Zeitpunkt des Panzer-Transports machte Blair nicht – es sei im Frühjahr 2022 gewesen. Auf der SWR-Webseite (Stand: 28. Februar 2023) lautet die Überschrift des Videos: „Mannheim: Ein mit Panzern beladener Zug im März 2022“ und die Angabe „Stand: 8. März 2022, 15:59 Uhr“. Doch schon früher, am 5. März 2022 teilte eine Nutzerin das Video auf Tiktok. Die Aufnahme ist also mehr als ein Jahr alt.
Woher das Original stammt, ist unklar. Als Quelle für die Aufnahme gab der SWR „privat“ an. Der Vergleich mit einer Straßenansicht auf Mapillary zeigt aber, dass das Video tatsächlich in Mannheim aufgenommen wurde. Im Video des SWR ist außerdem das Ortsschild der Stadt zu sehen.
„14/88“ ist ein international verwendeter rassistischer Zahlencode
„14/88“ beziehungsweise „1488“ ist ein Code, der laut einem Artikel der Konrad-Adenauer-Stiftung die „international am stärksten verbreitete Chiffre der rechtsextremen Szene“ ist.
Die „14“ steht für den „14 Words“-Slogan (14 Wörter) des US-amerikanischen Rechtsterroristen David Lane. Er lautet: „We must secure the existence of our people and a future for white children.“ (Übersetzt: „Wir müssen die Existenz unseres Volkes und auch die Zukunft unserer weißen Kinder sichern“). „88“ ist ein Zahlencode, der für den in Deutschland verbotenen „Heil Hitler“-Gruß steht. Auch bei polnischen und russischen Rechtsextremen sei der „14 Words“-Slogan sehr beliebt, heißt es im Artikel der Konrad-Adenauer-Stiftung.
Die Kombination der beiden Zahlencodes gilt laut dem Informations- und Dokumentationszentrum für Antirassismusarbeit in NRW „als deutliches Bekenntnis zur NS-Ideologie und wird von Nazis auch als Grußformel in Briefen gebraucht“.
Manipuliertes Video bedient die Propaganda Russlands
Das manipulierte Video mit dem nachträglich hinzugefügten Nazi-Code wurde vermutlich zuerst von russischsprachigen Telegram-Kanälen verbreitet. Russischsprachige Artikel zitieren den prorussischen Journalisten Andrey Rudenko und dessen Telegram-Beitrag als Quelle; der Beitrag ist allerdings nicht mehr abrufbar.
In einem der Telegram-Beiträge steht auf Russisch „Panzer mit Nazi-Symbolen werden wieder auf russischem Boden brennen“ und der Autor behauptet, Soldaten oder deren „ukrainische Auszubildenden“ hätten das Symbol auf dem Panzer angebracht – sie sollen als Nazi-Sympathisanten dargestellt werden. Damit bedienen die Beiträge die Propaganda Russlands, laut der die Ukraine von Faschisten und Neonazis regiert werde. Angebliches Beweismaterial, das dieses Narrativ stützen soll, stellte sich in unseren Faktenchecks (zum Beispiel hier, hier, hier und hier) jedoch mehrheitlich als falsch heraus.
Einen Überblick mit allen Faktenchecks von uns zum Krieg in der Ukraine finden Sie hier.
Redigatur: Gabriele Scherndl, Kimberly Nicolaus