Klimawandel

Die Erdgas-Falle: Wie Stadtwerke Kundengelder wirklich einsetzen

Millionenbeträge für Gaswerbung und Neubaugebiete mit direkter Erdgaspipeline: Viele Stadtwerke setzen mehr auf klimaschädliche als auf erneuerbare Energie. Unsere Umfrage unter den größten Stadtwerken Deutschlands zeigt: Ihr falscher Weg gefährdet städtische Angebote wie Busse, Schwimmbäder und Jugendzentren – und wird Millionen Kundinnen und Kunden sehr viel Geld kosten.

von Annika Joeres , Katarina Huth , Leon Ueberall

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Wer mit Erdgas heizt, wird in wenigen Jahren noch tiefer in die Tasche greifen müssen. Auch Wasserstoff wird für Privathaushalte zu teuer und knapp zum Verheizen sein. Collage: Ivo Mayr / CORRECTIV (Fotos: picture alliance)

An kaum jemanden zahlen Bürgerinnen und Bürger so viel Geld wie an ihre Stadtwerke. Schließlich heizen in Deutschland rund 90 Prozent aller Menschen mithilfe der kommunalen Werke. Zwischen 3.000 und rund 7.000 Euro gibt eine vierköpfige Familie durchschnittlich für Strom und Gas pro Jahr für ein warmes und helles Zuhause aus. Wer das auf die Lebenszeit grob hochrechnet, kommt schnell auf Beträge von weit über 100.000 Euro pro Haushalt. Aber nutzen die kommunalen Versorger ihre Einnahmen auch dazu, die Kundschaft möglichst klimafreundlich zu versorgen und künftig vor allem erneuerbare – und damit günstige – Energien zu nutzen? 

Nach einer bundesweiten Analyse von CORRECTIV und Wirtschaftswoche der vierzehn größten Stadtwerke in Deutschland lautet das Fazit: Nein, das tun nur die wenigsten. Erdgas spielt für sie weiterhin die Hauptrolle. Viele Werke schließen noch immer Neubauviertel an das Gasnetz an, die meisten ihrer Kundinnen und Kunden sind weiter von dieser fossilen Energie abhängig – trotz des russischen Überfalls der Ukraine und dem Ende der Gaspipelines Nord Stream 1 und 2. Dabei wird das Heizen mit Erdgas zwangsläufig teurer: Ab 2027 greift der europäische Emissionshandel für Gebäude, der CO2-Preis und damit der Preis für Erdgasheizungen wird dann deutlich steigen.

Und das, obwohl es bei den Stadtwerken auch Beispiele gibt, die erfolgreich auf erneuerbare Energien umstellen. Viele weitere investieren das eingenommene Geld in fragwürdige Projekte – oder verstecken diejenigen, die sie sponsern. Aber dazu später mehr.

In Bremen sind noch immer rund 63 Prozent aller Haushalte mit Erdgas versorgt, der Frankfurter Versorger Mainova beliefert 1,1 Millionen Haushalte mit Gas und Öl. Die fossilen Energien machen dort rund 75 Prozent aus. Auch in Düsseldorf und Dortmund verdienen die Stadtwerke noch immer an rund 75 Prozent Gaskunden – es seien aber zuletzt keine neuen Quartiere mehr angeschlossen worden. In den meisten anderen abgefragten Städten – Hannover, München, Duisburg und Chemnitz – zahlt rund die Hälfte der Stadtwerke-Kundinnen und Kunden für eine Gasheizung. 

Offensichtlich haben viele Stadtwerke ihr Geschäftsmodell kaum verändert. Seit zehn Jahren ist der Gasverbrauch auch bundesweit etwa gleich hoch – nach Gas und Öl folgen erneuerbare Energien erst an dritter Stelle. Wie schon 2014. Mit Erdgas lässt sich mehr Geld verdienen als mit erneuerbaren Energien und – auch das zeigt die Recherche – viele Stadtwerke sind eng mit der Gasindustrie verwoben. 

Einige Stadtwerke antworteten auf unsere Umfrage zunächst gar nicht, andere nur nach zähen Nachfragen. Diese Intransparenz ist die zweite Überraschung: Stadtwerke sind als Unternehmen mit kommunalen Anteilen dazu verpflichtet, Auskunft zu geben, transparent zu sein. Sie spielen die entscheidende Rolle dabei, unabhängig von klimaschädlichen Gasen und fragwürdigen Lieferländern zu werden.

Der Verband Kommunaler Unternehmen (VKU) beharrt zwar darauf, dass sie rein rechtlich ans Gasnetz anschließen müssen, wenn es der Bauherr will. Aber zur Wahrheit gehört auch: Städte und Stadtwerke beraten die Bauherren über mögliche Energiequellen – und könnten ihre Kundschaft sehr wohl vom Einbau klimafreundlicher Wärmepumpen überzeugen. 

Erdgas – noch immer die Cashcow 

Es scheint, als hätten die Stadtwerke erst nach der russischen Invasion in die Ukraine vor zweieinhalb Jahren und dann auch nur zögerlich angefangen, sich vom Gas als Wärmequelle zu verabschieden. Dabei ist schon seit vielen Jahren klar, dass der Erdgasverbrauch extrem reduziert werden muss, um den Pariser Klimavertrag zu erfüllen. Auch macht Gas abhängig, immer wieder auch von autokratischen Staaten – wohingegen erneuerbare Energien oft lokal genutzt werden können.

Selbst nach dem Aus der russischen Nordstreampipeline 1 und damit dem Hauptlieferanten setzten viele Stadtwerke weiterhin auf den Import von Erdgas. In Chemnitz beispielsweise verlegte das Stadtwerk eins seit 2022 „moderne Erdgasleitungen“, um die Gemeinde Börnichen anzuschließen, auch die SWM München hat noch in vier Netzabschnitten Gebäude angeschlossen. Duisburg gibt auf Anfrage von CORRECTIV lediglich an, dass die Gasanschlüsse rückläufig seien. 

Dass es auch anders geht, zeigt die Badenova in Freiburg: Dort werden nach eigenen Angaben keine neuen Erdgasanschlüsse mehr verlegt und der neue Stadtteil Dietenbach mit 16.000 Einwohnern und Einwohnerinnen wird komplett CO2-frei versorgt. Das gesamte Badenova-Versorgungsgebiet soll bis 2035 mit lokalen Energiequellen beheizt werden, die Hälfte durch Geothermie.

Und ausgerechnet in Hannover, der früheren Hochburg von gasfreundlichen Politikern wie Gerhard Schröder (SPD), haben die örtlichen Stadtwerke, Enercity, seit 2016 keine neuen Häuser mehr mit Gasleitungen angeschlossen. „Wir sind Überzeugungstäter der Energiewende, wir gehen volle Kraft voraus“, sagt Aurélie Alemany, Vorstandsvorsitzende von Enercity im Gespräch mit CORRECTIV und Wirtschaftswoche. Beispielsweise würden sie deutlich mehr als eine Milliarde Euro in den Kohleausstieg und den Ausbau der grünen Fernwärme investieren. In diese könne beispielsweise die Energie von Großwärmepumpen oder Biomethan fließen. Alemany glaubt, dass Stadtwerke sehr wohl vorangehen können – wenn sie mit den Städten zusammenarbeiten. „Die Stadt hat uns ausgezeichnet unterstützt in dieser Diskussion und nicht gebremst.“ 

Das Argument vieler Stadtwerke, sie hätten keine Wahl und müssten sich häufig dem Willen der Bauherren beugen, blendet aus, wie Anreize wirken können: Dort, wo Städte explizit für alternative Wärmepumpen und Solaranlagen werben, entscheiden sich die Menschen zunehmend für diese ökologischen und langfristig günstigeren Systeme. Diese Überzeugungsarbeit sei mühsam, aber lohnend, berichten verschiedene Energieberater: Jens Watenphul etwa geht mit seiner Klimaagentur direkt in die Stadtteile und berät dort Menschen zu Solaranlagen, Häuserdämmung und Wärmepumpen. Und kann so den Anteil dieser erneuerbaren Energien innerhalb weniger Wochen von rund einem Prozent auf 14 Prozent steigern – und den fossiler Gase massiv senken. 

Das Vertrauen in Stadtwerke ist groß 

Dabei kommt den kommunalen Werken eine besondere Rolle zu, die viel größer ist als die eines privaten Unternehmens: Die Menschen vertrauen ihnen – und sie sind wichtig für das öffentliche Angebot insgesamt. Die Stadtwerke finanzieren mit ihren Profiten aus Strom und Erdgas Schwimmbäder, Busse und Bahnen mit. So sind viele gemeinnützige Angebote von Gewinnen abhängig, die es in der Zukunft nicht mehr geben wird. 

Florian Zerzawy, Energieexperte vom Thinktank Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft, hat die Profite verschiedener Stadtwerke analysiert und kommt zu dem Schluss: „Die Gewinne aus dem Erdgasgeschäft sind für Stadtwerke heute noch von großer Bedeutung.“ Schließlich handelten sie mit Gas, verkauften es an die Endkunden und manche bekämen sogar Geld für die Gasnetze, die sie einst finanziert haben, eine Art Gas-Miete. Damit ist die fossile und häufig von weit her transportierte Energiequelle Erdgas nach wie vor eine der wichtigsten Einnahmequellen – bei vielen Stadtwerken macht sie 50 Prozent des Profits aus, für manche Stadtwerke, die sich auf Gas und Wasser spezialisiert haben, kann der Anteil auf bis zu 100 Prozent ihres Ergebnisses ansteigen. 

Daraus folgt aber auch: Die klimafreundlichen Alternativen sind für Stadtwerke weniger lukrativ. Eine Wärmepumpe nimmt einen Großteil ihrer Wärme aus der Umgebung auf, dem Boden oder Grundwasser etwa, je nach Modell sind es zwischen 50 und 70 Prozent. Kostenlose Energie, die die Stadtwerke nicht mehr verkaufen können. In dem Fall bleiben ihnen nur noch 50 bis 30 Prozent an Energie, die sie in Rechnung stellen können. Noch weniger Profit machen sie, wenn die Kundschaft mit eigenen Solaranlagen einen Teil des nötigen Stroms zum Betrieb der Wärmepumpe selbst erzeugt. 

Der VKU prophezeit gegenüber CORRECTIV schon jetzt, dass die Angebote schrumpfen müssen: Die Stadtwerke müssten für die Energiewende hohe Milliardenbeträge investieren – in die Stromnetze, um Wärmepumpen, Solar- und Windkraftanlagen in die Verteilernetze zu integrieren, in Speicher und den Ausbau der Fernwärme. Um dies stemmen zu können, müssten sie mehr vom „selbst verdienten Geld“ behalten – und damit stehen den Kommunen weniger Erträge für „defizitäre Aufgaben“ zur Verfügung. Gemeint sind klassischerweise Schwimmbäder, Jugendzentren oder Bibliotheken. Simon Müller, Chef vom Thinktank Agora Energiewende, sagt dazu: „Dass Stadtwerke mit ihren Überschüssen im großen Stil wichtige kommunale Aufgaben finanzieren, wird in der Transformationsphase nicht mehr möglich sein.“

Von der Lausitz bis ins Ruhrgebiet: Gemeinsam mit Lokalredaktionen spüren wir auf, wie der Klimawandel Deutschland verändert. Wir zeigen, wer die Transformation blockiert – und wer sie vorantreibt. Diese Recherchen sind Teil unseres permanenten Klimaschwerpunkts, gefördert von der Stiftung Mercator. Entdecken Sie weitere Geschichten auf von CORRECTIV.Klima unter diesem Link

Aber die Diskussion darüber, wie ein progressives Modell der Stadtwerke aussehen könnte, wird kaum von ihnen geführt, zumindest nicht öffentlich. Auf diese Frage für die Zukunft antworten die meisten von CORRECTIV angefragten Stadtwerke nur blumig mit „Herausforderungen, die sich stellen“ würden.

Das Bundeswirtschaftsministerium schreibt auf Anfrage, die Stadtwerke könnten aufgrund ihrer besonderen Kundennähe eine sehr wichtige Rolle in der Energiewende spielen – solange sie die absehbaren Veränderungen ihres Geschäftsmodells erkennen und nutzen würden.

Einige, wie eben Hannover oder Freiburg, tun dies bereits. Auch viele kleinere sorgen vor, etwa die 30.000 Einwohner-Stadt Neuruppin in Brandenburg. Schon 2027 kann die Kundschaft hier mehr als 80 Prozent ihrer Wärme aus erneuerbaren Energien beziehen, mit städtischen Großwärmepumpen und Geothermie. 

Der Filz: wie Stadtwerke mit Öl-, Kohle- und Gasindustrie kungeln

Ein Grund für den Stillstand bei den Stadtwerken ist auch ihre jahrzehntelange Nähe zur Gasindustrie – zu der Branche also, von der sie sich für die Energiewende hätte entfernen müssen. CORRECTIV hatte bereits aufgedeckt, dass Stadtwerke Millionen Euro an den Lobbyverband Zukunft Gas gezahlt haben und es dutzendfach noch heute tun. 2022 waren 63 von ihnen Mitglied beim Lobbyverband Zukunft Gas, aber nur zwei bei vergleichbaren Interessenverbänden für klimafreundliche Energien. Das ist kein Zufall. Stadtwerke sind nicht nur über Lobbyverbände, sondern auch heute noch direkt mit der Gaswirtschaft verbunden. 

Köln steht beispielhaft für die zahlreichen Verbindungen der fossilen Industrie zu Stadtwerken. Dort findet sich im Aufsichtsrat der Stadtwerke der CDU-Bürgermeister für den Stadtteil Ehrenfeld Ralph Elster. Er arbeitet zugleich bei Expleo, eine internationale Berateragentur, die sich für Kernenergie und Kernfusion einsetzt und die Öl-und Gasindustrie berät. Er sei sich „der sensiblen Natur dieser Positionen bewusst und gehe äußerst sorgfältig mit meinen Zuständigkeiten um“, schreibt er auf CORRECTIV-Anfrage. Entscheidungen treffe er nach eigener Aussage „stets objektiv“. Falls es Interessenkonflikte geben sollte, würde er sich zurückziehen, gibt Elster an. Bislang sei dieser Fall nie eingetreten.

Elsters Vorstandskollegin bei den Stadtwerken Köln, Birgit-Maria Lichtenstein, und die Rheinenergie-Vorständin Susanne Fabry, waren zuvor bei Eon und dem Braunkohlekonzern RWE beschäftigt. Rheinenergie wollte unter allen Stadtwerken die wenigsten Fragen beantworten, weder zu den Gaskunden noch zur Höhe ihrer Sponsorings schickten sie Zahlen. Der Miteigentümer, die Stadt Köln, antwortete auf unsere Fragen bis Redaktionsschluss nicht. 

Bekannt, aber nicht weniger fragwürdig, ist die Nähe vieler Stadtwerke im Ruhrgebiet zum Kohle- und Gaskonzern RWE. So auch in Dortmund: Oberbürgermeister Thomas Westphal sitzt im RWE-Aufsichtsrat. Seine Aufwandsentschädigung für diesen Nebenjob liegt bei mindestens 100.000 Euro im Jahr und könnte weit höher ausfallen – weit über dem durchschnittlichen Jahreseinkommen in Deutschland. 

Aber auch die Führungsriege der Dortmunder Stadtwerke ist eng mit RWE verbunden: Peter Flosbach, der vor allem für das Infrastrukturgeschäft zuständig ist, war zuvor Vice President bei RWE. Dort war er für die Gasinfrastruktur zuständig. Seit 2009 sitzt der Finanzvorstand der Dortmunder Stadtwerke, Jörg Jacoby, auch im Beirat von RWE. Wer sich zudem beim Stadtwerke-Anteilseigner DEW umguckt, sieht noch viele weitere Verflechtungen zwischen Politik und fossilen Konzernen. Vielleicht sind das alles Gründe, warum in Dortmund immer noch drei von vier Menschen mit Gas heizen – neben Frankfurt ein Spitzenwert in unserer Umfrage. Weder die Stadt Dortmund, noch Oberbürgermeister Westphal oder die Dortmunder SPD haben sich bis Redaktionsschluss zu den hohen Einnahmen durch die RWE und möglichen Interessenskonflikten geäußert. 

Zweifelhafte Beratung: Wie die Thüga AG am Erdgas-Geschäft der Stadtwerke verdient

Ein Gas-Player, der bei vielen Stadtwerken mitmischt, ist die Thüga AG. Der Münchner Konzern war früher im Gasmarkt tätig und gehörte zu EON. Heute besitzen mehrere Kommunen den Konzern, der über seine Anteile und Aufsichtsratsposten an über hundert Stadtwerken beteiligt ist und ihr Wirtschaften beeinflussen kann, darunter auch im ansonsten fortschrittlichen Hannover, in Freiburg, Frankfurt und Chemnitz. Die Thüga und ihre Töchter machen jedes Jahr Milliardenumsätze, unter anderem mit Gaslieferungen durch ihre Netze. Die Crux hierbei: Gas ist für die Thüga mit Abstand die lukrativste Energie. Über sie erzielen auch die kommunalen Eigentümer Hannover, Frankfurt und Nürnberg Gewinne. 

Das deutsche Unternehmen bekennt sich auf seiner Webseite zwar zur Nachhaltigkeit. Aber sein Weg dorthin ist eher fraglich. Die Thüga will bestehenden Erdgasnetze erhalten und schließlich umrüsten, um mit Wasserstoff zu heizen. In einem Werbefilm dazu behauptet sie, das „grüne Gas“ könne künftig bei der Wärmeversorgung eine wichtige Rolle spielen – indem Wasserstoff über die bestehenden Erdgasnetze direkt zu den Kunden transportiert werden könne. Auch viele der von uns angefragten Stadtwerke setzen darauf, ihre Verteilernetze künftig mit dem farblosen Gas zu betreiben. Klingt lukrativ, um alte Netze weiter zu betreiben. Ist aber aus Sicht vieler Fachleute unwirtschaftlich – und damit teuer für die Kundinnen und Kunden.

Die Thüga ist auch Mitglied und zugleich im Strategierat bei Eurogas, einem europäischen Lobbyverband, der die Interessen der großen europäischen Erdgaskonzerne wie Shell und Total Energy vertritt – die übrigens kürzlich ihre Klimaziele aufgegeben haben. Gerade bei der Werbung für Wasserstoff wirkt wieder die Nähe zur Gas-Lobby: Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), der von Insidern als einer der einflussreichsten Verbände bezeichnet wird, zählt in seinem Vorstand Chefs von nahezu allen größeren Stadtwerken, von Düsseldorf bis München. Sie teilen sich das Gremium aber auch mit Gaskonzernen wie Uniper, RWE und der VNG-AG. Und genau dieser Verband warb wiederum massiv für Wasserstoff zum Heizen, etwa mit der Werbeaktion „klimaneutrales Heizen“.

Allerdings ist höchst umstritten, ob wasserstoffbetriebene Heizungen jemals funktionieren und bezahlbar sein werden. Unsere Recherche zum „Wasserstoff-Bluff” zeigte, wie Stadtwerke heute mit grünem Wasserstoff werben, ohne garantieren zu können, dass diese Energieform jemals in ihre Kommune fließt. Fachleute bezeichnen das Heizen von Wohnungen mit Wasserstoff mittlerweile als „Märchen“. Auch Vorreiter Enercity glaubt nicht daran, dass Wasserstoff in der Gastherme je wirtschaftlich sein wird. „Wenn Kollegen argumentieren, Gasheizungen von Privatkunden in Zukunft auf Wasserstoff umzustellen – das ist eine Strategie, die wir nicht für vorteilhaft halten“, sagt Chefin Alemany.

Auch das BMWK rät davon ab, auf Wasserstoff zum Heizen zu setzen. Für die Wärmeversorgung von Gebäuden gebe es andere Lösungen – vor allem Wärmepumpen und  Fernwärme –, die gemäß einschlägiger Studien in der Regel kostengünstiger seien, schreibt das Ministerium. 

Die verheimlichten Spenden

Dabei sind die Stadtwerke für die Bürgerinnen und Bürger konzipiert, sie funktionieren eben nicht wie private Konzerne. Und doch hapert es an Transparenz – darüber, wie sie umsteuern müssen, und darüber, wie sie heute mit dem Geld der Bürgerinnen und Bürger haushalten. Wer hätte zum Beispiel gedacht, dass in München die Stadtwerke den Golfclub sponsern, den 14 ihrer eigenen Mitarbeiter einst gegründet haben?

Die meisten von ihnen kommunizieren zu Sportveranstaltungen, die sie sponsern, oder zu Geld für die Suppenausgaber der „Tafel“. Aber die sympathischen Aushängeschilder sind nur ein Teil der Wahrheit. Viele Stadtwerke spenden jährlich Millionenbeträge – aber kaum eines will komplett offenlegen, wer von seinen Spenden und Sponsorings profitiert. 

Dabei sind die Institute mit öffentlichem Anteil dazu verpflichtet, ihre Geldflüsse offen zu legen. Beispielhaft seien hier die Mainova-Stadtwerke Frankfurt genannt, mit knapp sechs Milliarden Euro Umsatz 2023 einer der größten Deutschlands. Mainova spricht lediglich von Spenden für gemeinnützige kulturelle und soziale Einrichtungen – und verweist auf „Blüh- und Insektenwiesen, Bienenvölker und Nester für Störche“. Im Rahmen der „vertrauensvollen Zusammenarbeit“ mit ihren Sponsoringpartnern wollten sie aber keine „Details“ über finanzielle Aufwände veröffentlichen. Vielleicht auch, weil sich fragwürdige Geldgaben finden? 

Werbung für teure, fossile Energien

Bemerkenswert ist auch, dass die Stadtwerke weiterhin Kunden und Kundinnen für Erdgas gewinnen wollen. Beispielsweise durch Werbung. SWB Bremen etwa gibt an, in den vergangenen fünf Jahren durchschnittlich 1,4 Millionen Euro in Werbung gesteckt zu haben, unter anderem für „Gas und Mobilnetze“. 

Auch die Stadtwerke Düsseldorf investierten in den vergangenen fünf Jahren rund 1,5 Millionen Euro für Spots im Radio und Anzeigenseiten in der Regionalpresse. Auch hier können Städte und Stadtwerke neue Wege gehen: Amsterdam beispielsweise hat in diesem Jahr verboten, Werbung für klimaschädliche Energien zu machen. 

Das wird hierzulande nicht einmal diskutiert. Doch die Stadtwerke befeuern mit ihrer gasfreundlichen Politik nicht nur die Klimakrise. Sie bürden ihren Kundinnen und Kunden auch steigende Preise auf – wohingegen erneuerbare Energien günstiger werden: Das Gesetz mit dem sperrigen Wort Brennstoffemissionshandelsgesetz bepreist seit vielen Jahren Erdgas. Das eingenommene Geld wird in erneuerbare Energien investiert. Augenblick kostet die Tonne CO2 45 Euro – in wenigen Jahren aber wird das fossile Gas deutlich teurer. So rechnet selbst der VKU, mithin die Stimme der Stadtwerke, damit, dass eine durchschnittliche Familie im Jahr 2030 voraussichtlich 400 Euro mehr pro Jahr für ihre Gasheizung zahlen muss. Dann aber steigt auch die Summe weiter an, die Bürgerinnen und Bürger im Laufe ihres Lebens an ihre Stadtwerke zahlen.

Text: Annika Joeres, Katarina Huth, Leon Ueberall, Recherche: Annika Joeres, Katarina Huth, Leon Ueberall, Henrike Adamsen, Redaktion: Anette Doweideit, Alexej Hock, Faktencheck: Martin Böhmer, Kommunikation: Luise Lange, Esther Ecke

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