AfD-Abgeordneter verschickt per Whatsapp Hitler-Bilder und Hakenkreuzfotos
Hitler und „Hallo Wien“ zu Halloween – der Bundestagsabgeordnete Stefan Keuter versandte auf Whatsapp eifrig Bilder mit Bezug zum Nationalsozialismus. Das zeigen Recherchen von stern und Correctiv. Keuter selbst äußert sich dazu – mit interessanten Stellungnahmen.
Der AfD-Chef sprach klar wie selten. „Wer Nazischweinkram teilt, hat in der Partei nichts verloren“, rief Alexander Gauland am 13. Oktober dem Landesparteitag der AfD in Thüringen zu. Jörg Meuthen, der zweite Parteichef, äußerte sich tags darauf ähnlich. Anne Will hatte ihn in ihrer Talkshow gefragt, warum die AfD Mitglieder dulde, die sich rassistisch äußern. „Wir gehen gegen diese Mitglieder vor“, antwortete Meuthen.
Härte gegen Rassisten und Neonazis in den eigenen Reihen, diese Botschaft sendet die AfD-Spitze derzeit. Der Hintergrund: Wegen rechtsextremer Umtriebe beobachtet der Verfassungsschutz Teile der Jugendorganisation der Partei. In Thüringen prüft der Geheimdienst sogar, dasselbe auch mit der Landes-AfD zu tun.
Der stern und das Recherchezentrum CORRECTIV konnten in den vergangenen Wochen Auszüge aus Whatsapp-Kommunikationen von AfD-Politikern auswerten. Sie zeigen, dass es für die beiden Vorsitzenden einiges zu tun gibt, wenn sie ihre Ankündigungen ernst nehmen. Und Gauland und Meuthen müssten sich dann auch mit einem Mitglied der AfD-Bundestagsfraktion befassen.
Im Bundestag bekam Stefan Keuter bald die große Bühne
Stefan Keuter, 46, gelernter Bankkaufmann, trat schon 2013 in die AfD ein. Er wurde Vorsitzender des Kreisverbandes Essen, Vizechef im Bezirksverband Düsseldorf und ergatterte zur Bundestagswahl einen recht sicheren Platz auf der Landesliste der AfD. Am 24. September 2017 reiste er zur Wahlparty nach Berlin. Keuter hatte es geschafft.
Keuter war kein Partei-Promi, aber seine Fraktion bot ihm bald die große Bühne. Bei der hitzigen Debatte zur Erhöhung der Abgeordnetenbezüge durfte er für die AfD als Erster ran. Ein Fest für einen Populisten. Keuter erinnerte an Mitbürger, die Flaschen sammeln, und an Hartz-IV-Empfänger. Die Abgeordneten stellte er als privilegiert dar. Seine Rede sahen allein auf Youtube eine halbe Million Menschen.
Zu Halloween schickte er Hitler und „Hallo Wien“
Dass Keuter Nazi-Bildchen verschickte, blieb verborgen. Zu Halloween 2017 versandte er via Whatsapp ein Foto, das Adolf Hitler mit erhobenem Arm zeigt. „Hallo Wien!“ ist auf dem Bild zu lesen. Der Kommentar darunter: „Das habe ich geschickt bekommen. Ist das nicht fürchterlich?“
„Fürchterlich“: Der Abgeordnete kann so behaupten, er habe sich ja von dem Bild distanziert. Allerdings sendete er munter weiter. Keuter verschickte das Bild einer Teelicht-Pyramide mit Hitler-Figur. „Erste Weihnachtsdeko steht“, ist darunter geschrieben.
Keuter teilte das Bild einer Duschkabine mit gekacheltem Hakenkreuz. Der Kommentar dazu: „Habe bei meinem Fliesenleger einen dezenten Braunton bestellt, da hat er mich wohl missverstanden.“
Keuter verschickte das Foto eines Jungen, der einer fast nackten Frau den Rücken gekehrt hat und gebannt auf den Fernseher schaut – wo Hitler zu sehen ist. Keuter verschickte auch Schwarz-Weiß-Bilder von Wehrmachtsoldaten. Von einem Neonazi, der ein szenetypisches T-Shirt mit dem Rückenaufdruck „muss auch DOLF sagen“ trägt. Und von einem Stahlhelmsoldaten am Maschinengewehr. Darauf steht: „Das schnellste deutsche Asylverfahren, lehnt bis zu 1400 Anträge in der Minute ab!“
„Nicht erinnerlich“, „nicht authentisch“, „zur Archivierung“ – Keuters Stellungnahmen
Der stern und Correctiv konfrontierten den AfD-Bundestagsabgeordneten vergangenen Freitag mit der Tatsache, dass er 2017 und 2018 per Whatsapp Bilder mit Bezug zum Nationalsozialismus verschickt habe, „zum Beispiel Bilder, auf denen Adolf Hitler zu sehen ist, ein Hakenkreuz oder Wehrmachtsoldaten“. Der sternund Correctiv gaben Keuter die Gelegenheit zur Stellungnahme und fragten ihn auch, ob für ihn das Verschicken solcher Bilder zu seinem Mandat als Bundestagsabgeordneter der AfD passe.
Keuter antwortete per Mail, er könne sich nicht erinnern. Wörtlich schrieb der Abgeordnete: „Das Versenden des von Ihnen erwähnten Bildmaterials ist mir nicht erinnerlich und liegt mir fremd.“ Außerdem machte er noch eine persönliche Bemerkung: „Meine Familie war Opfer des Nationalsozialismus, mein Vater wurde auf der Flucht geboren.“
Am vergangenen Samstag meldete sich Keuter abends mit einer weiteren Email. Er stellte jetzt eine ausführliche Stellungnahme in Aussicht, wenn man ihm das entsprechende Bildmaterial und die Chatauszüge zukommen lasse. Er habe, schrieb Keuter, all seine Chats und Chatgruppen archiviert. Er gehe davon aus, „dass hier kein authentisches Material vorliegt“.
Keuter ging also offenbar von vielleicht gefälschtem, vielleicht manipulierten, vielleicht am Computer zusammengebauten, jedenfalls nicht von „authentischem“ Material aus. Der sternund Correctiv legten Keuter daraufhin am Sonntag sieben der Bilder vor, die er in einen Whatsapp-Chat gestellt hatte. Und plötzlich waren Keuter die Bilder auch wieder „erinnerlich“. Die Bilder, das war dem AfD-Abgeordneten nun wichtig, habe er einem inzwischen entlassenen Mitarbeiter geschickt. Keuter lieferte jetzt eine Begründung für das Versenden: Jener Mitarbeiter habe für ihn das politische Spektrum von links bis rechts beobachtet. „Im Rahmen seiner politischen Tätigkeit hat er von mir regelmäßig Arbeitsaufträge, Unterlagen zur Archivierung, Beurteilung und politischen Einordnung erhalten.“
Darf man gegen extrem Rechte vorgehen? Unruhe in der AfD
Stefan Keuter hatte damit nach zwei Tagen seine Erklärungslinie gefunden. Von „nicht erinnerlich“ über „nicht authentisch“ war er nun bei einem politischen Motiv angelangt. Er verschickte die Nazibildchen zur Archivierung und wollte sich von seinem Mitarbeiter zudem beurteilt und politisch eingeordnet haben.“
Es ist eine Erklärung, die man so im Kosmos der AfD – in dem es nicht der erste Fall von verschickten Nazi-Bildern ist – nicht kennt. Und es wäre spannend zu wissen, ob auch andere Bundestagsabgeordnete der Partei ihren Mitarbeitern Bilder von Hakenkreuzen und Hitler schicken, zur Archivierung und politischen Einordnung. Keuter ist im Bundestag übrigens Mitglied des Finanzausschusses. Stellvertretend gehört er dem Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung an.
Die Frage ist, ob die Partei- und die Fraktionsspitze Keuters Erklärung folgt. Maßnahmen gegen Nazi-affine Mitglieder sind in Teilen der AfD derzeit wenig populär. „Die Inquisition ist unter uns“, warnt jemand im Chat des „Flügels“, einer Björn Höcke nahestehenden Gruppierung am rechten Rand der Partei. Ein anderes Mitglied dieser Whatsapp-Unterhaltung beklagt einen „Angriff, koordiniert von der AfD-Spitze“. Widerspruch rufen solche Einschätzungen nicht hervor, nur Zustimmung: Mittlerweile, postet eine AfD-Frau aus Bayern, herrsche in der AfD „politisch-korrekter Meinungsterror“.
Flöge Stefan Keuter aus der Bundestagsfraktion, der Gauland zusammen mit Alice Weidel vorsteht, würden beim „Flügel“ manche wüten. Sie zählen jetzt schon die „fast täglich neuen Opfer“. Die „Alternative Mitte“ dagegen, eine parteiinterne Gruppierung, die ins Bürgerliche strebt, würde jubeln.
Es ist ein Spagat – die AfD aber auch ziemlich gelenkig. Ihr Landeschef im Saarland, Josef Dörr, ging im rechtsextremen Milieu auf Mitgliederakquise. Das Parteiausschlussverfahren gegen den 80-Jährigen läuft seit über zwei Jahren. Dörr ist bester Dinge und weiter im Amt.