Hintergrund

Der Verbreiter: „Journalistenwatch“ desinformiert mit Geld und Geschichten aus den USA

„Journalistenwatch“ wird seit Jahren mit vom einflussreichen US-Think-Tank „Middle East Forum“ finanziert und konnte sich professionalisieren. Das Medium ist ein Verbindungsstück der deutschen Neuen Rechten nach Amerika. Was steckt dahinter?

von Till Eckert , Cristina Helberg , Tania Röttger

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Die Spitalgasse 27 (rechtes Gebäude) im bayerischen Bad Windsheim wird im Impressum von „Journalistenwatch” als Redaktionssitz angegeben. Von hier aus verbreiten die Macher islamfeindliche Inhalte im Netz. (Foto: Tilman2007, Bad Windsheim, Spitalgasse 25, 27-001, Filter von CORRECTIV, CC BY 3.0)

Dieser Text ist Teil einer Reihe darüber, wie islamfeindliche Organisationen aus den USA Diskurse in Deutschland beeinflussen. Hier sind weitere Texte zum Thema:

Thomas Böhm und Philipp Wolfgang Beyer haben ihre Laptops vor sich aufgeklappt und hören aufmerksam zu. Die beiden Gründer von Journalistenwatch sind Teilnehmer der „1. Konferenz der freien Medien“, zu der am 11. Mai die AfD eingeladen hatte. Am Rednerpult diskutiert gerade Michael Stürzenberger über Kontosperrungen rechter Blogs und Vereine.

„Journalistenwatch“ auf der „1. Konferenz der freien Medien“ der AfD. Von rechts: Gründer Thomas Böhm und Philipp Wolfgang Beyer, mit dem Rücken zur Kamera Max Erdinger, Teil der Redaktion. (Foto: © CORRECTIV)

Böhm, Beyer und Stürzenberger kennen sich schon lange. Gemeinsam haben sie die Anfangsjahre von Journalistenwatch bestritten und daraus über Jahre das Leitmedium der Neuen Rechten in Deutschand geschliffen. Wohlwollend wird hier über AfD berichtet – und vor der EU-Wahl auch für sie geworben –, rechte Narrative wie das der „Umvolkung“ werden gestärkt oder Theorien verbreitet, wonach die Berichterstattung über das Strache-Video ein „linker Staatsstreich“ sei. Gastautoren wie Martin Sellner, Österreich-Chef der sogenannten „Identitären Bewegung“ schreiben diesbezüglich bei Journalistenwatch von einer „neuen, brutalen Phase der Zersetzung“.

Immer wieder finden sich Falschmeldungen auf der Seite – einige von ihnen hat CORRECTIV bereits in Faktenchecks widerlegt.

Auf dem Banner der „Journalistenwatch“-Webseite wird seit Wochen für die AfD geworben. (Screenshot: CORRECTIV)

Neben weiteren Autoren, die ab und an für Journalistenwatch schreiben, darunter der rechte Publizist Götz Kubitschek, sollen mindestens vier Personen fest zur Redaktion gehören oder gehört haben: Max Erdinger, Iris Kaufmann, Christian Jung (heute Metropolico) und Collin McMahon, der heute für mehrere alternative Blogs tätig ist. Sie alle waren ebenfalls bei der Konferenz der „freien Medien“ im Bundestag anwesend.

Journalistenwatch hat nach Schätzungen von Alexa derzeit täglich 290.000 Seitenbesucher, in den vergangenen sechs Monaten gab es laut „Similarweb“ insgesamt 3,6 Millionen Visits. Die Aufmerksamkeit und Reichweite stieg seit dem Gründungsjahr 2011 stetig, wie sich Alexa (Reichweite), den Google Trends (Google-Suchen) und Crowdtangle (Facebook-Interaktionen) entnehmen lässt.

Daten zur Reichweite von „Journalistenwatch“; sie zeigen den geschätzten Prozentsatz des täglichen globalen Internetpublikums, das diese Seite besucht hat. Am 2. September 2018 gab es einen starken Ausschlag nach oben. (Quelle: Alexa / Screenshot: CORRECTIV)
Die Google-Suchen nach „Journalistenwatch“ steigen seit einigen Jahren stetig an. Hier gab es im September 2018 ebenfalls einen starken Ausschlag nach oben. (Quelle: Google Trends / Screenshot: CORRECTIV)
Die Interaktionen auf der Facebook-Seite „Journalistenwatch“ sind über die Jahre stetig angestiegen. Ausschläge nach oben gab es am 18. Februar 2018 und am 26. August 2018. (Quelle: Crowdtangle / Screenshot: CORRECTIV)

Die Artikel werden überdurchschnittlich häufig auf Sozialen Netzwerken wie Facebook geteilt, Multiplikatoren sind immer wieder AfD-Politiker oder offizielle Seiten von AfD- Landes- oder Kreisverbänden.

Finanziert wird Journalistenwatch unter anderem von einem islamfeindlichen Think-Tank aus den USA: „Middle East Forum“

Journalistenwatch finanziert sich aus Spendengeldern, hat aber auch einen Förderer aus den USA: Den islamfeindlichen Think-Tank „Middle East Forum“ (MEF). Das MEF hatte das 2017 auf seiner Webseite veröffentlicht. Für 75 „Gruppen und Individuen“ – darunter Journalistenwatch – seien jährlich zwei Millionen US-Dollar bereitgestellt. Wieviel Geld davon an Journalistenwatch geht, ist nicht bekannt und lässt sich auch nicht Dokumenten der US-Steuerbehörde entnehmen, die CORRECTIV vorliegen.

In ihrem Buch Netzwerk der Neuen Rechten (2019) schreiben die Journalisten Christian Fuchs und Paul Middelhoff von einem Besuch bei Thomas Böhm im Sommer 2018. Auf die Förderung angesprochen, habe Böhm geantwortet: „Einmal im Jahr überweist das Forum einen kleinen Betrag.“ Die Summe sei aber nicht der Rede wert, wird Böhm zitiert, mehr Geld nehme er durch „Werbung und Spenden“ ein. Würden die 2 Millionen aus dem MEF-Fördertopf gleichermaßen verteilt, würde es sich um rund 26.600 US-Dollar im Jahr handeln.

Das MEF schreibt von sich selbst, es wolle „amerikanische Interessen in Nahost vertreten und westliche Werte gegen Gefahren aus dem Nahen Osten schützen“. Dahinter steht Daniel Pipes, ein Historiker, der unter anderem an der Harvard-Universität lehrte. Pipes gründete das MEF im Jahr 1999. Pipes und Böhm kennen sich laut Recherchen von Zeit Online seit 2011, Pipes hatte demnach damals an der Gründung von Böhms Partei „Die Freiheit“ teilgenommen, die mittlerweile aufgelöst wurde.

Der gute Kontakt zwischen Journalistenwatch und Pipes hält offenbar bis heute und könnte sich womöglich auch für weitere Teile der alternativen Medien auszahlen: Pipes war im März in Berlin und traf sich dort unter anderem mit Journalistenwatch, PI News und Philosophia Perennis. Verbindendes Element war dabei offenbar Collin McMahon, der für all diese Webseiten veröffentlicht und Pipes begleitete, wie ein Foto zeigt. McMahon sagt gegenüber CORRECTIV, er halte Pipes für einen „großen Freund und Unterstützer des moderaten Islam“. Über sich selbst sagt er: „Ich bin selber kein Islamkenner und habe noch nie über den Islam geschrieben. Ich habe viele muslimische Freunde und bin ein Verfechter der Religionsfreiheit.“

Ist Journalistenwatch wirklich gemeinnützig?

Parallel mit den Kontakten zu potenten Geldgebern in den USA gibt es bei Journalistenwatch auch Hinweise auf eine fortschreitende Professionalisierung. So versucht sich das Portal als gemeinnützige Bildungsorganisation zu etablieren. Es wird vom Verein „Journalistenwatch e.V – Verein für Medienkritik und Gegenöffentlichkeit” getragen, der seine Arbeit als Beitrag „zur Volksbildung” versteht. Ein Argument, das oft auch Neugründungen aus dem Bereich des gemeinnützigen Journalismus vortragen, um eine Steuerbefreiung zu erreichen – und Spenden sammeln zu dürfen.

Zunächst in Jena, später in Meißen ansässig, bittet Jouwatch seit Jahren um Zuwendungen von Lesern. Bis 2018 geschah dies mehr oder weniger amateurhaft über eine Kontoverbindung zunächst bei der Commerzbank, später bei einer finnischen Internetbank, beziehungsweise über Paypal. Zum Jahreswechsel 2019 wechselte Jouwatch dann zu einem Konto bei der Sparkasse Meißen.

Gleichzeitig werden professionellere Online-Fundraising-Methoden aufgebaut, um eine so genannte Community-Finanzierung zu etablieren, wie man sie beispielsweise von der taz kennt. Das Wissen hinter dieser Finanzierungsmethode ist nicht trivial. Es werden Pop-Ups ins WordPress eingebunden, Leserkonten hinter einer Zugangsschranke aufgebaut, Direktkontakte gestärkt und Veranstaltungen beworben. Gleichzeitig wird die Seite mit kommerzieller Werbung von Amazon und Google überschwemmt.

Oben: Die Webseite von „Journalistenwatch“ im Anfangsjahr 2011. Unten: „Journalistenwatch“ heute. (Screenshots / Collage: CORRECTIV)

Ob dieses Gebahren noch gemeinnützig ist und der Volksbildung dient, ist zumindest offen. Nach Informationen des Tagesspiegel hat das Finanzamt Jena im Frühjahr 2018 geprüft, ob der steuerbefreiende Status noch zuerkannt werden kann. Kurz darauf zog Jouwatch nach Meißen um. Eine CORRECTIV-Anfrage nach seiner Gemeinnützigkeit ließ der Verein hinter Journalistenwatch offen. Rechenschaftsberichte über seine Finanzen und seine Geldgeber legt er nicht vor.

Nicht nur Geld, auch die Narrative kommen oft aus den USA

Neben den Unklarheiten über die Finanzen gibt es aber zumindest eine weitere offensichtliche Verbindung in die USA: Von dort kommen häufig die Geschichten, die Journalistenwatch in Deutschland verbreitet.

Hierzulande berufen sich einige der einflussreichsten rechten Webseiten wie Journalistenwatch, Philosophia Perennis, Politically Incorrect, Epoch Times und Unzensuriert regelmäßig auf Artikel des „Gatestone Institute“, das ebenfalls Geld von MEF erhält. 2017 verbreitete das Gatestone Institut beispielsweise die Falschmeldung, die Stadt Hamburg habe damit begonnen, Wohnungen für Flüchtlinge zu beschlagnahmen. Journalistenwatch übernahm die Meldung. CORRECTIV hat damals einen Faktencheck dazu veröffentlicht.

Das Gatestone-Institute schreibt über sich selbst es sei ein „internationaler, parteiunabhängiger und gemeinnütziger Expertenrat und Think Tank“, das sich der Unterrichtung der Öffentlichkeit von Angelegenheiten verschrieben habe, „über die die Mainstream-Medien nicht berichten.“ Inhaltlich lässt sich dieser Vorsatz in der Praxis meist mit einem Satz zusammenfassen: Es wird Angst vor dem Islam geschürt. Journalistenwatch bringt diese Angst erfolgreich nach Deutschland.

Lesen Sie hier weiter über den Geschichtenerzähler: das Gatestone Institute.

Update, 28. Mai, 12.25 Uhr:

Wir haben den Text nachträglich um ein Statement von Collin McMahon ergänzt. Außerdem haben wir einen Tippfehler behoben: einer der Gründer von „Journalistenwatch“ heißt Philipp Wolfgang Beyer, nicht Meyer.