Eine erfundene Liste mit „Startterminen“ für neue Coronavirus-Varianten kursiert international
Auf Facebook kursiert eine Liste mit angeblichen Startterminen der Varianten des Coronavirus. Es wird suggeriert, die Daten stammten vom Weltwirtschaftsforum, der WHO, der Johns-Hopkins-Universität und der Stifung von Bill und Melinda Gates. Die Liste ist jedoch frei erfunden. Sie soll offenbar den Verschwörungsmythos stützen, die Corona-Pandemie sei geplant.
„Dies sind die geplanten Covid-19-Varianten – schauen Sie sich einfach die Daten an, an denen sie für die Medien ‚veröffentlicht‘ werden“, heißt es auf Facebook. Geteilt wird ein Foto einer spanischsprachigen Liste, auf der die Namen verschiedener Coronavirus-Varianten neben angeblichen Startterminen aufgeführt sind. Die Liste kursiert bereits seit Sommer immer wieder in unterschiedlichen Versionen in Sozialen Netzwerken, wie die belgische Faktencheck-Organisation Knack bereits herausfand.
Neben der Liste zu sehen sind die Logos der Johns-Hopkins-Universität, des Weltwirtschaftsforums, der WHO und in manchen Versionen auch der Stiftung von Bill und Melinda Gates. Das Bild verbreitete sich nach den Recherchen von Knack in mindestens 23 Ländern weltweit. Es wurden bereits zahlreiche Faktenchecks dazu veröffentlicht.
Weder ist diese Liste echt, noch werden für neue Virusvarianten „Veröffentlichungszeitpunkte“ geplant. Die angegebenen Daten stimmen auch nicht mit den tatsächlichen Daten überein, an denen die bisher bekannten Varianten entdeckt wurden. Keine der vier im Bild genannten Organisationen hat etwas mit der Tabelle zu tun.
Liste ist unplausibel: Mehrere angebliche Starttermine weichen von tatsächlichen Entdeckungszeitpunkten ab
Die Tabellenspalten sind überschrieben mit ‚cepa/variante‘ (‚cepa‘ ist das spanische Wort für ‚Stamm‘) und ‚lanzamiento‘, dem spanischen Wort für ‚Start‘ oder ‚Abwurf‘. Die Namen der verschiedenen Varianten sind griechische Buchstaben. Die WHO benennt neu entdeckte Varianten seit dem 1. Juni 2021 auf diese Weise. Die früheste Version der Liste, die die US-Faktenchecker von Factcheck.org finden konnten, tauchte am 8. Juli auf einem spanischsprachigen Twitter-Profil auf. Die WHO wollte bei der Benennung der Varianten chronologisch im Alphabet vorgehen. Man benötigt also kein geheimes Vorwissen, um eine solche Liste aufzuschreiben.
Allerdings hat die WHO dann in der Praxis die griechischen Buchstaben Ny (in der Liste „Nu“) sowie Xi (in der Liste „Ksi“) übersprungen, weil ersterer zu sehr wie das englische Wort „new“ klingt und letzterer ein geläufiger chinesischer Name ist. Stattdessen wurde die in Südafrika entdeckte neue Variante „Omikron“ genannt.
Die „Vorhersagen“ der Liste sind bereits mehrfach nicht eingetroffen. Laut der Liste ist die Delta-Variante angeblich im Juni 2021 aufgetreten. Tatsächlich wurde sie bereits im Oktober 2020 in Indien nachgewiesen. Die Lambda-Variante soll laut Übersicht im Januar (Spanisch: ‚enero‘) 2022 auftreten, wurde jedoch bereits im August 2020 in Peru nachgewiesen.
Über die Omikron-Variante wurde zuerst am 24. November 2021 in Südafrika berichtet – laut Tabelle soll sie erst im Mai 2022 auftreten. Ähnliches gilt auch für weniger bekannte Varianten: Die angeblich im November 2021 geplante Iota-Variante wurde bereits im November 2020 identifiziert.
Woher die Liste stammt, ist unklar. Sie erweckt den Anschein, als habe derjenige, der die Tabelle erstellt hat, mit der Delta-Variante im Sommer 2021 begonnen und hätte einfach jedem folgenden Monat den nächsten Buchstaben des griechischen Alphabets zugeordnet.
Virusvarianten entstehen zufällig durch Mutation
Die neuen Varianten des Coronavirus entstehen durch Mutationen, die wiederum zufällig geschehen, wenn sich Viren vermehren. Auf der Seite der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung heißt es dazu: Bei der Vervielfältigung des Virus „kommt es immer wieder zu kleinen Kopierfehlern. Diese Veränderungen im Erbgut werden Mutationen genannt. Das aufgrund des mutierten Erbguts entstehende Virus wird als Virusvariante bezeichnet.“
WHO, Weltwirtschaftsforum, Johns-Hopkins-Universität und Gates-Stiftung bezeichnen die Liste als Fälschung
Die Faktenchecker der AFP haben alle vier Organisationen, deren Logos neben der Liste aufgeführt wurden, kontaktiert und um Stellungnahme gebeten: Die WHO, das Weltwirtschaftsforum, die Johns-Hopkins-Universität und auch die Gates-Stiftung haben demnach alle erklärt, dass die Tabelle nicht von ihnen stamme. Die Johns-Hopkins-Universität habe ergänzt: „Diese Behauptungen haben sich bereits als offenkundig falsch erwiesen.“
Redigatur: Uschi Jonas, Alice Echtermann
Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck: