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Bundesgerichtshof: Cum-Ex-Geschäfte sind strafbare Steuerhinterziehung

Die Karlsruher Richter hatten über die Berufung zweier britischer Aktienhändler und der M.M. Warburg Bank gegen ihre Verurteilung wegen Cum-Ex-Geschäften zu entscheiden. Wichtiger war jedoch die zugrundeliegende Frage, ob diese Deals als Steuerhinterziehung strafbar sind. Und die Richter entschieden: Cum-Ex ist strafbar. Die Folgen des Urteils sind enorm.

von Olaya Argüeso

Der Bundesgerichtshof in Karlsruhe beriet über die Berufung zweier Aktienhändler gegen ihre Verurteilung wegen Steuerhinterziehung. (Foto: Christoph Schmidt / Picture alliance / dpa)

Die etwa tausend Cum-Ex Verdächtige, gegen die bundesweit ermittelt wird, dürften heute gespannt nach Karlsruhe geblickt haben. Darunter auch Martin S. und Nicholas D., zwei britische Aktienhändler, die das Landgericht Bonn zusammen mit der Privatbank M.M. Warburg im März 2020 verurteilt hatte. Die beiden hatten vor dem Bundesgerichtshof Revision eingelegt. Dieser wies die Berufung jetzt in einem Grundsatzurteil zurück.

„Zum Zeitpunkt der Begehung der Taten sah das Gesetz bereits in den soweit einschlägigen Vorschriften eine klare Regelung vor gegen die die Beteiligten nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Landgerichts verstoßen haben“, sagte der Richter Rolf Raum bei der Verkündung des Urteils in Karlsruhe.

„Dies ergibt sich schon daraus, dass nur die tatsächlich einbehaltene Kapitalertragsteuer zur Anrechnung und Auszahlung angemeldet werden darf“, so der Richter.

Anders ausgedrückt: Die Geschäfte, mit denen Hunderte Beteiligte über Jahre hinweg viele Millionen Euro, wenn nicht Milliarden Euro, verdient haben, sind nach Ansicht des Karlsruher Gerichts strafbar. Diese Entscheidung hat Auswirkungen auf viele Prozesse, die derzeit bei deutschen Gerichten laufen. In den kommenden Monaten und Jahren dürfte es zu weiteren Verurteilungen kommen, bei denen die Hauptverdächtigen mit harten Haftstrafen rechnen müssen.

Bei den sogenannten Cum-Ex-Geschäften wird rund um den Dividendenstichtag eine Steuer einmal an das Finanzamt abgeführt und sich anschließend zweimal oder noch häufiger vom Fiskus zurückerstattet. „Cum“ steht für „mit Dividende“, „Ex“ für „ohne Dividende“.

Wegweisendes Urteil des Landgerichts Bonn

Mittlerweile sind auch Mischformen entstanden. Und neue, noch aggressivere Mutationen, für deren Bezeichnung es noch keine Wortschöpfungen gibt. Cum-Ex ist also nur eine Spielart steuergetriebener Geschäfte. 18 internationale Medien unter Führung von CORRECTIV veröffentlichten im Oktober 2018 die Recherche CumExFiles. Sie zeigte, dass die Täter nicht nur Deutschland, sondern ganz Europa ausgeraubt hatten: mindestens 55 Milliarden Euro insgesamt. Unsere Enthüllungen lösten eine Empörungswelle in den europäischen Institutionen aus.

Das Landgericht Bonn wertete im März letzten Jahres in einem wegweisenden Urteil die Cum-Ex-Geschäfte bereits als strafbare Steuerhinterziehung. Alle am Prozess Beteiligten hatten gegen das Urteil Revision eingelegt. Deswegen hat sich der Bundesgerichtshof jetzt erstmalig mit diesen Geschäften befasst.

Beteiligte am CumEx-Raub hatten immer wieder argumentiert, sie hätten lediglich Lücken im Steuerrecht ausgenutzt. Der Karlsruher Richter Rolf Raum wies das in aller Deutlichkeit zurück.

Die gezielten CumEx-Geschäfte seien nicht „das bloße Ausnutzen einer Gesetzeslücke, weil die gesetzliche Regelung eindeutig war. Es ging vielmehr, übrigens nicht anders als bei dem normalen Umsatzsteuerbetrug, um einen glatten Griff in die Kasse, in die alle Steuerzahler normalerweise einzahlen.“

Täter müssen geraubte Gelder zurückerstatten

Der deutsche Europaabgeordnete Sven Giegold von den Grünen hat keine andere Entscheidung erwartet. „Das ist das eigentlich Überraschende an dem ganzen Vorgang. Dass es so viele Jahre braucht, um etwas festzustellen, was für neunundneunzig Prozent der Normalbevölkerung selbstverständlich ist“, sagt er gegenüber CORRECTIV. Giegold glaubt jedoch nicht, dass dieses Urteil große Veränderungen mit sich bringen wird.

Ein solches Urteil habe kurzfristig einen gewissen abschreckenden Effekt, aber die Branche werde sich aus sich heraus nicht korrigieren. „Dafür braucht man einen Staat, der das nicht einfach hinnimmt und der effizient aufgestellt ist bei der Strafverfolgung genauso wie bei der Finanzaufsicht und bei der Steuerverwaltung. Da haben wir natürlich in Deutschland sehr große Schwächen,“ sagte Giegold.

Einer der beiden in Bonn verurteilten Börsenhändler hatte mit solchen Deals 14 Millionen Euro verdient, die er zurückzahlen soll. Er und sein Kollege hatten letztes Jahr milde Bewährungsstrafen bekommen, weil sie eng mit der Staatsanwaltschaft kooperieren. Auch die Hamburger M.M.Warburg war in die Geschäfte verwickelt. Sie soll noch 176 Millionen Euro zurückzahlen. Nach dem heutigen Urteil müssen alle das Geld zurückerstatten.

CORRECTIV recherchiert weiter über CumEx-Files-Skandal und koordiniert ein Team von fast zwanzig Medienpartnern auf der ganzen Welt.

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