CumEx Files

CumEx-Files 2.0: Was eine globale Medienkooperation herausgefunden hat

Von Schweden nach Südafrika hat CORRECTIV investigative Journalistinnen und Journalisten zusammengebracht, und mit ihnen über die CumEx-Files 2.0 berichtet. Hier sammeln wir ihre Ergebnisse. Ein ernüchternder Einblick in die Schwierigkeiten – oder den Unwillen – der Politik, den Steuerbetrug einzudämmen, der uns schon mindestens 150 Milliarden Euro gekostet hat.

von Olaya Argüeso , Sophia Stahl , Isabel Knippel

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Um weltweite Steuerhinterziehung aufzudecken, ist ein globales Team nötig. 16 Medien von allen fünf Kontinenten haben gemeinsam zu Cum-Ex und verwandten Geschäften recherchiert. Die Dimension des Schadens ist in jedem Land unterschiedlich. Unsere Übersicht zeigt, was sie eint: Fast alle Länder scheitern daran, den Steuerbetrug einzudämmen.

Gesamter Steuerschaden
(in Mrd. Euro, 2000–2020)

Belgien: Neues Gesetz lässt Spielraum für Steuerbetrug

Nach der Veröffentlichung der CumEx-Files im Oktober 2018 änderte die belgische Regierung das Gesetz, um steuergetriebene Geschäfte zu verhindern. Theoretisch sollten ab Januar 2019 in Belgien keine Cum-Ex-Deals mehr möglich sein. Unser Kollege Lars Bové von der Zeitung De Tijd berichtet jedoch, dass es immer noch Grauzonen gibt. Es bleibt nicht ausgeschlossen, dass der Steuerraub weiterhin möglich ist. Dieser kostete Belgien bereits zwischen 2012 und 2015 mindestens 200 Millionen Euro.

Die Brüsseler Staatsanwaltschaft hat eine der drei von ihr eingeleiteten Ermittlungen im Zusammenhang mit den Cum-Ex-Deals bereits eingestellt, berichtet De Tijd. Anders im Fall der North Channel Bank: Die Staatsanwaltschaft lädt acht weitere Personen vor Gericht. Das deutsche Kreditinstitut, das mehrere Pensionsfonds als Kunden hatte, einigte sich ursprünglich bereits mit den Steuerbehörden. Der Journalist Bové schreibt auch, dass es 2018 und 2019 noch Auffälligkeiten bei der Dividendenausschüttung in seinem Land gab. Die CumEx-Files 2.0 zeigen, dass Belgien mindestens noch weitere 7,2 Milliarden Euro durch Cum-Cum-Geschäfte, eine weitere Art des Steuerraubs, zwischen 2000 und 2020 verloren hat.

Frankreich: Ein gewaltiger Schaden durch Cum-Cum

Nach Deutschland ist Frankreich am meisten vom Steuerbetrug bei Dividendenzahlungen betroffen. Das Land hat mehr als 33 Milliarden Euro durch den sogenannten Cum-Cum-Betrug verloren, eine Form der steuergetriebenen Geschäfte, die den Cum-Ex-Deals ähnelt. Der Schaden ist gewaltig, wie ein Vergleich zeigt: Die gleiche Summe will Präsident Emmanuel Macron für seinen Investitionsplan zur Förderung der Kernenergie und des Wasserstoffs aufwenden.

Jahrelang haben die französischen Steuerbehörden und die Justiz nichts getan, berichtet unser Kooperationspartner Le Monde. Erst nach der Veröffentlichung der CumEx-Files 1.0 seien vier Banken ins Visier genommen worden: BNP Paribas, Sociéte Génerale, Natixis und CACIB.

Irland: Zentrale für verbotene Cum-Ex-Geschäfte

Das Land spielte eine wichtige Rolle in dem Steuerraub, obwohl die Betrüger nicht die Steuern selbst ins Visier nahmen. In Irland wurden zentrale Strukturen für den Missbrauch geschaffen. Viele Beteiligte richteten die Fonds, die als Vehikel für Cum-Ex-Geschäfte galten, in Irland ein. Hauptziel: Deutschland. Das berichtet unser Kollege Jack Power von der Irish Times.

Banken in Dublin hätten dabei die steuergetriebenen Geschäfte ermöglicht. Es laufen nun strafrechtliche Ermittlungen wegen Cum-Ex-Betrugs gegen das Dubliner Büro der südafrikanischen Bank Investec und gegen die französische Bank BNP Paribas. Diese sollen in Dublin Mitarbeiter von Hedge-Fonds getroffen haben wie Duet und ZFP, die sich auf Cum-Ex spezialisiert haben und gegen die in Deutschland ermittelt wird.

Italien: Cum-Cum-ähnliche Geschäfte bleiben möglich

Für Italien beträgt der Schaden durch Steuerraub rund 13,3 Milliarden Euro. Für ihre Recherche stützte sich die Zeitung Il Sole 24 Ore auf Dokumente der europäischen Finanzaufsichtsbehärde ESMA, die CORRECTIV durch Anfragen nach dem Informationsfreiheitsgesetz erhalten hat. Diese enthalten die Antworten der verschiedenen nationalen Behörden an die ESMA, darunter auch ein Schreiben der CONSOB (Commissione Nazionale per le Società e la Borsa).

In Italien sind immer noch Cum-Cum-ähnliche Geschäfte möglich, schreibt die Behörde. Offen bleibt, was der Staat dagegen unternimmt. Zudem konnte das italienische Rechercheteam neue Belege recherchieren, dass der Steuerraub dort noch größer war als bisher bekannt. Zwischen 1991 und 2000 wurden wahrscheinlich 4,5 Milliarden Euro gestohlen, obwohl es seit 1991 eigentlich ein Gesetz dagegen gab, berichten die Reporter Angelo Mincuzzi und Giulio Rubino.

Japan: Ermittlungen gegen japanischen Konzern in Europa

Die Veröffentlichung unserer Kollegen der gemeinnützigen Redaktion Tansa ist ein großartiges Beispiel dafür, warum grenzüberschreitende Ermittlungen zu einem globalen Thema wichtig sind. Die Akteure des Steuerbetrugs agieren global. So steht die japanische Nomura-Gruppe in mindestens zwei Ländern im Visier der Behörden: in Deutschland, wo gegen sie wegen ihrer Beteiligung an Cum-Ex-Geschäften ermittelt wird, und in Italien, wo ein Verfahren gegen die japanische Bank wegen ihrer Rolle beim Cum-Cum-Betrug läuft. Diese neuen Erkenntnisse recherchierten die japanische Tansa-Journalistin Annelise Giseburt und der italienische Journalist Giulio Rubino, der für CORRECTIV in Rom arbeitet.

Die Aktivitäten der Nomura-Gruppe mit steuergetriebenen Geschäften nahm nach der Finanzkrise besonders Fahrt auf. Es ist jedoch unklar, ob dieser Steuerbetrug um die Dividendenausschüttung auch nachteilig für den japanischen Fiskus war.

Luxemburg: Geschäftssitze der Cum-Ex-Schlüsselfiguren

Das kleine Herzogtum im Herzen Europas spielte eine entscheidende Rolle beim Steuerbetrug, wie unserer Kollege Laurent Schmidt von Reporter berichtet. Alle Drahtzieher der Cum-Ex-Geschäfte hatten Firmen in Luxemburg gemeldet, darunter Hanno Berger, Sanjay Shah, Paul Mora und die Gruppe der North Channel Bank. Der luxemburgische Finanzplatz war eine wichtige Drehscheibe für Cum-Ex-Geschäfte in mehreren Ländern. Deswegen ermittelt die deutsche Staatsanwaltschaft derzeit gegen drei Banken und sieben Investmentfonds mit Sitz in Luxemburg wegen Beteiligung oder Beihilfe zu möglichem Steuerbetrug.

Allerdings haben die Behörden wenig getan, um zukünftige Cum-Ex- oder Cum-Cum-Geschäfte zu verhindern. Die luxemburgische Finanzaufsichtsbehörde CSSF und das Finanzministerium blieben bisher passiv, berichtet Reporter.

Niederlande: Steuerschaden durch Cum-Cum deutlich höher als bekannt

Der niederländische Fiskus war mit 27 Milliarden Euro Schaden viel stärker als bisher gedacht betroffen, meistens durch Cum-Cum-Deals. Das ergaben Berechnungen des Wirtschaftsprofessors Christoph Spengel, der mit seinem Team zu den steuergetriebenen Geschäften forschte.

Im Visier von niederländischen Ermittlungen steht ein US-Händler, wie unser niederländischer Partner Follow The Money berichtet. Dieser ist bereits den dänischen Steuerbehörden gut bekannt. Angeblich war er an unzulässigen Steuerrückforderungen beteiligt. Die niederländischen Steuerbehörden fordern von ihm mehr als zwei Millionen Euro, hat Follow The Money entdeckt. Die Berichterstattung aus Amsterdam zeigt auch, wie dort das Finanzministerium nicht ausreichend aktiv geworden ist.

Österreich: Cum-Ex-Ermittlungen gegen dutzende Beschuldigte

In Österreich wurden die Cum-Ex-Ermittlungen in den vergangenen Monaten massiv ausgeweitet. In Österreich wird aktuell gegen rund 60 Beschuldigte ermittelt, darunter 17 Firmen und 40 Personen aus verschiedenen Staaten.

Der Journalist Stefan Melichar von Profil berichtet über eine Fonds-Struktur in Luxemburg, die über eine Schweizer Privatbank mit Investorengeld versorgt wurde. Aber auch Firmen aus Malta und Irland waren womöglich beteiligt. Die Wiener Ermittler der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) gehen davon aus, dass es sich hierbei um illegale Cum-Ex-Geschäfte gehandelt hat.

Schweden: Bank soll Steuern wegen Cum-Ex zurückzahlen

Die SEB, eine der größten schwedischen Banken, steht im Mittelpunkt der Recherche des CumEx-Files 2.0 Medienpartners SVT. Das Kreditinstitut wurde von den deutschen Steuerbehörden aufgefordert, rückwirkend mehr als 400 Millionen Euro an Quellensteuer im Zusammenhang mit Cum-Ex zurückzuzahlen. Eine Quellensteuer wird für Kapitalerträge wie Zinsen oder Dividenden fällig, die Investoren aus dem Ausland dem Quellenstaat bezahlen müssen. Die Bank SEB bestreitet die Forderungen.

Spanien: Deutsche Staatsanwälte ermitteln gegen spanische Bank

Das Team von El Confidencial fokussiert sich bei seiner Recherche auf die Rolle der Bank Santander, die in der ersten Folge der CumEx-Files bereits im Fokus stand. Die Online-Zeitung mit Hauptsitz in Madrid enthüllt, dass die deutschen Ermittler die Rolle mehrerer Tochtergesellschaften von Santander in Großbritannien untersuchen. Diese sollen bei mehreren Cum-Ex-Geschäften als Vermittler fungiert haben. Die Staatsanwälte haben von der Bank weitere Informationen angefordert, während sie gegen zehn ehemalige Mitarbeiter ermitteln.

Südafrika: Cum-Ex-Geschäfte über Johannesburg

Der Name der Investmentbank Investec taucht häufig in den CumEx-Files 2.0 auf. Die südafrikanische Bank soll den Cum-Ex-Betrug über ihr irisches Büro abgewickelt haben. Aussagen von Zeugen und Unterlagen aus der internationalen Kooperation lassen vermuten, dass die Genehmigung für die Beteiligung der Bank an den Cum-Ex-Geschäften aus der Hauptgeschäftsstelle in Johannesburg kam, berichtet unser Kollege Dewald van Rensburg für amaBhungane.

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