CumEx Files

CumEx-Files 2.0: Mit diesen Methoden wurde die Summe des Steuerbetrugs berechnet

Die neue CumEx-Files-Recherche offenbart: Mit mindestens 150 Milliarden Euro ist der Steuerschaden deutlich größer als bisher gedacht. So haben wir die Summe des gigantisches Betrugs kalkuliert.

cum-ex-methodologie

von Manuel Daubenberger

Der geschätzte Steuerschaden durch Cum-Ex, Cum-Cum und ähnlichen Geschäften  beträgt mindestens 150 Milliarden Euro für zwölf Länder in den Jahren 2000 bis 2020.

Dies ist eine konservative Schätzung und basiert auf der gemeinsamen Arbeit einer weltweiten Medienkooperation, koordiniert von CORRECTIV, in Zusammenarbeit mit der Universität Mannheim. Wirtschaftsprofessor Christoph Spengel und sein Team haben einen Mindestschaden durch Cum-Cum von 141 Milliarden Euro errechnet. Der Cum-Ex-Schaden beträgt 9,1 Milliarden Euro in drei Ländern. Zum ersten Mal hat das Recherche-Team auch einen Schaden durch Cum-Ex-ähnliche Geschäfte mit einem Ersatzpapier, einem sogenannten American Depositary Receipt (ADR) errechnet. Dieser liegt bei mindestens 556 Millionen Euro in sechs Ländern. In diesem Text erklären wir die Methodik hinter den Summen.

Cum-Cum

Die zentrale Annahme ist, dass Cum-Cum-Transaktionen in allen erwähnten Ländern und Jahren durchgeführt wurden. Für alle Länder hat CORRECTIV mit internationalen Medienpartnern Belege gefunden, allerdings mit unterschiedlichen Zeitspannen, in denen Geschäfte stattfanden. Der längste Zeitraum betrifft die Jahre 2000 bis 2020 für Deutschland, Österreich, Spanien, Italien, die Niederlande, Belgien, Frankreich und Luxemburg. In der Schweiz und den USA gehen wir davon aus, dass die Geschäfte mit den Jahren deutlich zurückgingen oder ganz beendet wurden. 

Die Schätzung des Steuerschadens basiert auf der Annahme, dass alle ausländischen Investoren die Kapitalertragssteuer vermeiden wollen. Es ist allerdings unklar, wie viele dies tatsächlich tun. Deswegen haben wir konservativ geschätzt, dass die Hälfte der ausländischen Investoren sich an Cum-Cum-Transaktionen beteiligt. Diese Annahme basiert auf unseren Gesprächen mit Steuerbehörden, Marktteilnehmern sowie Plausibilitäts-Checks durch die Universität Mannheim. Ein Beispiel: Für Deutschland und Frankreich liegen Hinweise vor, dass dort beinahe alle ausländischen Investoren, die Kapitalertragssteuer vermeiden. Wir haben außerdem mehrere Staaten aus der Kalkulation gestrichen, bei denen wir nicht klären konnten, ob Cum-Cum-Geschäfte so weit verbreitet waren wie in den berücksichtigten Staaten. Eine weitere konservative Annahme ist, dass der Steuerschaden nur auf der Steuerrate von Doppelbesteuerungsabkommen basiert und nicht auf den inländischen Steuerraten. Kurz zusammengefasst ergibt sich der Steuerschaden aus folgender Formel: 50 Prozent der ins Ausland gezahlten Dividenden multipliziert mit der Steuerrate von Doppelbesteuerungsabkommen.

Eine ausführlichere Methodik der Universität Mannheim finden Sie in diesem PDF-Dokument der Universität Mannheim.

Cum-Ex

Die Berechnungen für die Steuerschäden durch Cum-Ex-Geschäfte basieren auf zwei Arten von Quellen: Die Universität Mannheim hat einen sehr konservativen Steuerschaden von 7,2 Milliarden Euro für Deutschland errechnet. Diese Kalkulation basiert auf Marktdaten des Abwicklungsdienstes Clearstream, das dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zu Cum-Ex zur Verfügung gestellt wurde. Zu den deutschen Zahlen addieren wir den offiziellen Steuerschaden durch Cum-Ex in Dänemark (1,7 Milliarden) und Belgien (200 Millionen).

Cum-Ex mit ADRs

ADRs sind Wertpapiere, die auf dem US-amerikanischen Markt ersatzweise für Aktien von Nicht-US-amerikanischen Firmen gehandelt werden können. Ein ADR berechtigt den Besitzer genauso wie eine normale Aktie zu einer Dividende. Offizielle Quellen wie die Kölner Staatsanwaltschaft oder die US Börsenaufsicht SEC weisen darauf hin, dass ADRs genutzt wurden, um Cum-Ex ähnliche Geschäfte durchzuführen.   

Wir konnten auffällige Handelsaktivitäten in sechs Ländern im Zeitraum von 2009 bis 2020 feststellen: Dazu zählen Deutschland, Spanien, die Niederlande, Belgien, Frankreich und Irland.

Dafür haben wir Daten über das Handelsvolumen von ADRs der Leitindizes aller berücksichtigten Länder besorgt. Das Team der Universität Mannheim hat untersucht, ob in einem Zeitfenster von zehn Tagen rund um den Dividendenstichtag ein unnatürliches hohes Handelsvolumen auftrat. Es wird angenommen, dass diese unnatürlichen Handelsvolumina mit Cum-Ex-ähnlichen Aktivitäten zusammenhängen. Wir können diese unnatürlichen Ausschläge in den Jahren 2009 bis 2020 feststellen. Für jedes dieser Handelsvolumina rund um den Dividendenstichtag hat das Team der Universität Mannheim den potentiellen Steuerschaden berechnet, indem sie den Anteil des unnatürlichen Handelsvolumens mit der Kapitalertragssteuer-Rate, dem Verhältnis von Dividende zu Aktie und dem Verhältnis von ADR zur zugrundeliegenden Aktie multipliziert hat.

Das Ergebnis ist die erste Schätzung des Steuerschadens durch diese neuere Form von Cum-Ex ähnlichen Geschäften. Aufgrund der Tatsache, dass der Großteil von ADRs nicht regulär an Börsen gehandelt wird, sind die öffentlich verfügbaren Daten sehr limitiert. Es kann davon ausgegangen werden, dass der Mindeststeuerschaden von 556 Millionen Euro nur ein kleiner Teil des tatsächlichen Verlusts ist.Die gesamte Methodik der Universität Mannheim finden Sie hier.

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