Klimawandel

Stadtwerke treten aus Lobbyverband Zukunft Gas aus

Stadtwerke sind dem Gemeinwohl verpflichtet. Trotzdem zahlen Dutzende hohe Beiträge an den Erdgas-Lobbyverband Zukunft Gas. Einige haben nun ihre Mitgliedschaft gekündigt. Zuvor hatte CORRECTIV ihre Zahlungen öffentlich gemacht.

von Katarina Huth , Annika Joeres

Kurzmeldung

Ein Viertel der fast 100 Stadtwerke und regionalen Energieversorger, die Mitglied des Gas-Lobbyverbandes Zukunft Gas waren, sind ausgetreten. Zuletzt kündigten das Stadtwerk am See in Friedrichshafen, die Stadtwerke Eutin sowie die Gelsenwasser Energienetze GmbH, die Gasnetze von vier Dutzend Städten und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen betreut. Das teilte die Transparenzinitiative Lobbycontrol in einer Pressemitteilung am Montag mit. 

Seit Monaten setzt sich Lobbycontrol gemeinsam mit der Umweltschutzinitiative 350.org, dem Umweltinstitut München und dem WeiterSo!-Kollektiv gegen die Mitgliedschaften der kommunalen Stadtwerke in dem Verband ein. CORRECTIV berichtete im Februar, dass Stadtwerke und regionale Energieversorger gut die Hälfte der 128 Mitglieder bei Zukunft Gas ausmachten. Nur wenige der meist kommunalen Unternehmen wollten offenlegen, wie viel Geld sie im Verlauf ihrer Mitgliedschaft an den Lobbyverband gezahlt hatten. Nach CORRECTIV-Recherchen handelt es sich um vier- bis sechsstellige Beträge – pro Jahr. 

Stadtwerke zahlten Millionen an den Gas-Lobbyverband

Insgesamt flossen über die Jahre Millionen Euro von Stadtwerke-Kundinnen und -Kunden in Kampagnen und Werbung im Interesse von Gas-Konzernen. Das Lobby-Engagement der Stadtwerke ist einseitig: Im Bundesverband Erneuerbare Energien sind nur zwei der 52 Mitglieder Stadtwerke.

Christina Deckwirth von Lobbycontrol fordert, dass sich Stadtwerke „nicht weiter vor den Lobby-Karren der Gaskonzerne spannen lassen.“ Der Gemeinwohlauftrag müsse klar Vorrang vor einseitigen fossilen Lobbyinteressen haben. Nun haben 21 Stadtwerke ihre Kündigung bestätigt. Weitere sind von der Webseite des Verbands verschwunden. Lobbycontrol spricht von einer „Austrittswelle“.

Energieversorger Frankfurt am Main hält an Mitgliedschaft fest

Die Stadtwerke unterstützten teilweise jahrelang die Arbeit des einflussreichen Lobbyverbandes. Dabei steht dieser für eine der klimaschädlichsten Energien: Das Verbrennen von Erdgas ist eine zentrale Ursache für die Erderhitzung. Immer noch sind Dutzende Stadtwerke und regionale Energieversorger unter den knapp 120 Mitgliedern bei Zukunft Gas.

Auch die Mainova AG in Frankfurt am Main, einer der größten regionalen Energieversorger Deutschlands, gehört dazu. Die Umweltorganisation Klimaattac verlangte im Sommer in einer Petition. 

Doch die Frankfurter Stadtverwaltung lehnt die Forderung ab. Gegenüber der Frankfurter Rundschau gibt sie an, dass der Austausch mit Energieverbänden „zum erfolgreichen Gelingen wichtiger Reformvorhaben beitrage, wie etwa der Energie- und Wärmewende“. Vom Engagement der Mainova unter anderem im Verband Zukunft Gas „profitieren schlussendlich die Stadt Frankfurt und damit die Menschen und die Frankfurter Wirtschaft auf dem Weg zu mehr Klimaschutz“.

Wie viel Geld die Mainova dem Lobbyverband zahlt, wollte sie nicht transparent machen.

Erdgas-Lobby kämpft für ihren Markt

Zukunft Gas gehört zu den einflussreichsten Lobbyverbänden der Gas- und Öl-Industrie. Neben den Stadtwerken sind auf der Webseite von Zukunft Gas Unternehmen wie Shell, GASAG oder Wintershall als Mitglieder geführt. Auch Gazprom zahlte an den Verband. 

Mit Kampagnen und direktem Einfluss durch persönliche Treffen mit der Politik hat die Gas-Lobby daran mitgewirkt, dass Deutschland jahrzehntelang auf klimaschädliches Erdgas aus Russland setzte und auch im neuen Heizungsgesetz der Einbau von Erdgas-Heizungen möglich bleibt – so lange diese „h2-ready“ sind, also auf die Verarbeitung von Wasserstoff umgerüstet werden könnten. Diese Option wird von Fachleuten als unsicher eingestuft und kann als jüngster Erfolg der Gas-Lobby gewertet werden.