Faktencheck

Neue Angriffe auf Deniz Yücel wegen sieben Jahre alter Kolumne

Wieder einmal kursieren Deutschland-kritische Zitate von Deniz Yücel auf Facebook, Twitter und Whatsapp. Verbunden mit Angriffen gegen den Journalisten wie: „Möge er noch lange sitzen“. Dabei sind die Zitate aus dem Kontext gerissen. Der Text ist viele Jahre alt und war eine Satire.

von Tania Röttger

Der inhaftierte Journalist Deniz Yücel erhält viel Unterstützung, wie hier auf einer Demonstration in Berlin im Mai 2017 – doch andere wünschen ihm die Haft.© John Macdougall / AFP

Seit einigen Tagen sind wieder Bilder und Zitate vom inhaftierten Journalisten Deniz Yücel auf den sozialen Netzwerken zu finden. Zum Beispiel: „Der baldige Abgang der Deutschen ist Völkersterben von seiner schönsten Seite. Mit den Deutschen gehen nur Dinge verloren, die keiner vermissen wird. Etwas besseres als Deutschland findet sich allemal.“

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Twitter-Post vom 9. Januar 2018

Die Verbreiter nennen Yücel einen Volksverhetzer. Und schreiben: „300 Tage Knast sind noch viel zu wenig“. Die Angreifer sind der Meinung, dass Yücel die Unterstützung der deutschen Regierung nicht verdient hat – oder, wenn er aus dem türkischen Gefängnis frei käme, in ein deutsches gehöre, weil er gegen Deutschland hetze.

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Twitter-Post vom 14. Januar 2018

Tatsächlich stammen die provokanten Sätze aus einem Text von Yücel, den er im August 2011 bei der „Taz“ veröffentlichte. Doch der war eine Satire. Das wird deutlich, wenn man den ganzen Text liest.

Und Yücel schrieb den Text vor einem ganz anderen Hintergrund, als Beitrag zu einer damals tobenden Debatte. 2010 veröffentlicht Thilo Sarrazin sein Buch „Deutschland schafft sich ab“. Yücel ist zu der Zeit Redakteur und Kolumnist bei der „Taz“.

Im August 2011 reagiert er auf das höchst umstrittene Buch. Die Geburtenstatistik belege, dass sich Deutschland wirklich abschaffe, so Yücel. Sein Kommentar: „Endlich! Super! Wunderbar!“ Auf diese Worte folgt ein Text, der Klischees von schlechten Deutschen Eigenschaften (die unerotische Sprache, die Besserwisserei, die Meckerei) aufgreift und sie zu einer Satire zuspitzt: es wäre ja gar nicht schlimm, wenn die Deutschen verschwinden würden.

Die Idee, den Text so zu schreiben, hatte Yücel vielleicht von Sarrazin selbst. Der hatte skurrile Behauptungen aufgestellt, unter anderem über Migranten, insbesondere über solche mit muslimischem Hintergrund. Sarrazin erklärte das angebliche Versagen türkischer Migranten in der Schule so: „Clans“ hätten eine „lange Tradition von Inzucht“ und „entsprechend viele Behinderungen“. Er kommt zu dem Fazit, dass viele Migranten schlecht für Deutschland sind. Allerdings hatte Sarrazin das nicht satirisch gemeint.

Bereits bei seiner Verhaftung in der Türkei im Februar 2017 – inzwischen ist er dort Korrespondent der „Welt“ – griffen rechte Medien den Text aus dem Jahr 2011 wieder auf.

„Für diesen Deutsch-Hasser kämpfen unsere Politiker“ („Berlin Journal“) oder „Der Deutschland-Hasser im Türken-Knast“ („Contra-Magazin“).

Politiker von der AfD nahmen den Text zum Anstoß, Yücel einer Straftat zu beschuldigen.

Markus Frohnmaier, Vorsitzender der Jungen AfD und mittlerweile Bundestagsabgeordneter, schrieb im Februar 2017 auf Twitter:

„Yücel hätte in Deutschland schon längst wegen Volksverhetzung Gefängnis von innen erleben sollen“.

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Twitter-Post vom 27. Februar 2017

Auch Anfang 2017 machten Medien deutlich, dass es sich bei dem Beitrag um Satire handelt. Jetzt kursiert der Text trotzdem wieder.  

Fazit: Der Text von Deniz Yücel ist kein Beleg dafür, dass der deutsch-türkische Journalist Deutschland und die Deutschen hasst, verachtet oder verhetzen will, sondern der Text ist eine Satire, die im Jahr 2011 als Teil einer Debatte über ein kontroverses Buch von Thilo Sarrazin geschrieben wurde.

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