Nein – Merkel „hofft“ nicht auf 12 Millionen Einwanderer
Ein Artikel, ein Jahr alt, kursiert wieder auf Facebook: Ein geheimes Dokument soll belegen, dass Deutschland auf 12 Millionen Einwanderer hofft, bis zum Jahr 2060.
Die österreichische Webseite „Wochenblick“ veröffentlichte im März 2017 den Artikel: „Merkel hofft auf 12 Millionen Einwanderer“. Die Quelle ist eine britische Zeitung, dort wurde im Februar ein „geheimes Dokument“ erwähnt, dass diese Hoffnung belege.
Ob der österreichische Artikel stimmt, fragte sich Erika Steinbach. Kurz zuvor war sie aus der CDU ausgetreten. Steinbach ist bekannt durch kontroverse Tweets und ihre Unterstützung für die AfD. Mit einer schriftlichen Anfrage wollte sie der Sache auf den Grund gehen.
Trifft es zu, fragte sie, dass die Bundesregierung ein Strategiepapier erstellt habe, in dem „sinngemäß folgende Aussagen enthalten sein sollen: Bis zum Jahr 2060 sollen 12 Millionen Migranten nach Deutschland kommen, da die Deutschen auf rund 60 Millionen schrumpfen würden, und man jetzt zuversichtlich sei, dass die Zahl von rund 80 Millionen durch die Einwanderung stabil bleiben könnte“. Sie verwies mit einem Link auf den Artikel im „Wochenblick“.
Kein geheimes Papier
Klaus Vitt, Staatssekretär des Innenministeriums, beantwortete die Frage so: „Die Bundesregierung hat kein solches Strategiepapier verfasst.“ Es gebe eine „demografiepolitische Bilanz“, beschlossen am 1. Februar 2017. Sie heißt: „Jedes Alter zählt – Für mehr Wohlstand und Lebensqualität aller Generationen“. Dabei handelt es sich allerdings nicht um ein „geheimes“ Papier, sondern es ist auf der Webseite des Innenministeriums abrufbar.
Darin findet sich tatsächlich eine Berechnung, die laut Vitt aber „nicht amtlich“ sei. Sie stammt vom Statistischen Bundesamt. Demnach würde Deutschland bei einer Einwanderung von 300.000 Menschen pro Jahr bis zum Jahr 2060 den selben Bevölkerungsstand haben, wie heute. Angenommen werden eine Geburtenrate von 1,6 und steigende Lebenserwartungen. Dies entspricht dem Durchschnitt der Einwanderung seit 1990. Zählt man die 300.000 Einwanderer pro Jahr zusammen, ergeben sich zwischen 2017 und 2060 ungefähr 12 Millionen Menschen.
Prognose statt Hoffnung
Bei der Berechnung handelt es sich allerdings um eine Prognose. Nicht um eine „Hoffnung“.
Das Wort „hoffen“ kommt in dem Dokument nur an einer Stelle vor, in der es um die Integration geht: „Nach den vorliegenden Erfahrungen wird [die Integration] nicht einfach sein und länger dauern als zunächst vielfach erhofft.“
FAZIT: Es gibt ein öffentlich zugängliches Dokument des Innenministeriums. Darin kommt folgende Prognose vor: wenn jedes Jahr bis 2060 300.000 Einwanderer nach Deutschland kommen, wäre der Bevölkerungsstand im Jahr 2060 so wie heute. Von Hoffnung ist keine Rede.