Fakten-Check

Möchte Großbritannien die Kritik des Islams mit sieben Jahren Gefängnis bestrafen?

Der britische Rat für Strafzumessungsrichtlinien schlägt neue Richtlinien gegen Hassverbrechen und Hatespeech vor. Die Seite „News for friends“ interpretiert die Vorschläge als Verbot der Kritik am Islam. Britische Medien wie „The Times“ berichten, dass mit diesen Regeln islamistische Hasspredigern zum Schweigen gebracht werden können. Wer hat recht? Ein Faktencheck.

von Jacques Pezet

Mitglieder der britische rechtsradikalen Organisation „Britain First“ demonstrieren in London am 1. April 2017, nach dem Anschlag vom 22. März 2017 gegen das britische Parlament.© DANIEL LEAL-OLIVAS / AFP

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Teilweise falsch
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Der Artikel ist irreführend. Die Vorschläge betreffen Hassverbrechen im Allgemeinen, nicht nur Kritik am Islam.

Am 13. Mai veröffentlichte die Webseite „News for friends“ den Artikel „Großbritannien schlägt sieben Jahre Gefängnis für Kritik am Islam vor“. Der Text ist die Übersetzung eines Artikels auf der Plattform der rechtskonservativen und islamfeindlichen US-Bloggerin Pamela Geller. Peter D’Abrosca, der Autor des englischen Originalartikels, kommentiert eine Pressemitteilung des britischen Rates für Strafzumessungsrichtlinien (Sentencing Council).

Anfang Mai schlug der Rat neue Richtlinien für Fälle der Anstiftung zu Rassen- und Religionshass und Hass aus Gründen der sexuellen Ausrichtung vor. Laut D’Abrosca möchte der „Sentencing Council“ Kritik am Islam mit einer Gefängnisstrafe von sieben Jahren bestrafen. Dies sei eine Bedrohung für die Meinungsfreiheit in Großbritannien und eine Warnung für die USA, dass Gesetze zu „Hate Speech“ eine Gefahr seien. Ein paar Zeilen später gibt er aber zu: „Die Richtlinien sind nicht speziell auf den Schutz des Islam ausgerichtet“.

Das heißt: Der Titel des Artikels ist verzerrt und übertrieben.

Was steht in dem Vorschlag des „Sentencing Council“?

CORRECTIV hat das Dokument des „Sentencing Council“ gelesen, um die Aussagen von  D’Abrosca zu prüfen. Das 114-seitige Konsultationspapier richtet sich an die Öffentlichkeit und möchte „die Meinungen von so viele Menschen wie möglich“ zu den gemachten Vorschlägen bis zum 8. August 2018 sammeln. Der Teil, der uns interessiert sind die Seiten 49 bis 52 über „Straftaten zum Rassenhass und Hass gegen Personen aus religiösen Gründen oder aus Gründen der sexuellen Orientierung“.

Zuerst erinnert der „Sentencing Council“ daran, dass das britische Gesetz Hassverbrechen in verschiedenen Formen bereits mit einer gesetzlichen Höchststrafe von sieben Jahren bestraft. Der Rat erklärt aber, dass „der Umfang dieser Straftaten äußerst gering ist und keine Straftäter wegen solche Straftaten verurteilt wurden“. Trotzdem sei es sinnvoll die Justiz mit Richtlinien für Hassverbrechen „wegen des jüngsten sozialen Klimas und einem verstärkten Fokus auf diese Art von Straftaten“ auszurüsten. Im Oktober 2017 teilte das britische Innenministerium mit, dass die Anzahl der Hassverbrechen nach dem Brexit und den Londoner Anschlägen um ein Drittel gewachsen sei.

Richtlinien für die Beurteilung von Hassverbrechen

Was folgt, sind Vorschläge von Richtlinien für die Bewertung von Hassverbrechen. Dabei soll zunächst die Schuld der Täter in drei Niveaus (hoch, mittel und niedrig) eingeschätzt werden.

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Der „Sentencing Council“ versteht unter „Hoher Schuld“ Fälle, bei denen der Täter eine Vertrauensstellung oder eine Machtposition ausnutzt, um Hass zu schüren. Auch Fälle in denen mit Absicht schwere Gewalt geschürt oder anhaltend gezielt Hass gefördert werden, fallen in diese Kategorie. Der Rat detailliert auch, dass „Hate Speech“, also Reden, die Rassenhass schüren, unter „Hohe Schuld“ fallen – sowohl in der realen Welt, als auch in YouTube Videos oder auf Websites. Im Unterschied dazu wird die niedrigste Schuldkategorie so definiert: „Der Täter schürt rücksichtslos Hass“.

Nachdem die Richter die Schwere der Schuld eingeordnet haben, sollen sie zusätzlich Schadensfaktoren einschätzen. Der „Sentencing Council“ nennt dafür zwei Kategorien.

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Nur die erste Kategorie wird näher definiert:

  • Ein Statement / eine Veröffentlichung / ein Auftritt oder eine Ausstrahlung, die zu Taten animiert, die das Leben bedrohen oder gefährden.

  • Ein Statement / eine Veröffentlichung / ein Auftritt oder eine Ausstrahlung wurde weit verbreitet und / oder hohe Wahrscheinlichkeit, dass viele Personen beeinflusst wurden.

Bis sechs Jahre Haft

In dem Dokument gibt der „Sentencing Council“ diese zusammenfassende Tabelle vor, um Richtern bei ihrer endgültigen Beurteilung zu helfen.

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Einem Hassverbrecher (Schuldkategorie A und Schadenskategorie 1) droht laut der Tabelle eine Gefängnisstrafe von maximal sechs Jahren. Einem anonymen Internetnutzer, der Hassbeiträge weiterleitet, würden 26 Wochen (also knapp sechs Monate) drohen. So interpretiert auch die britische Zeitung „The Daily Mail“ die Vorschläge. Laut der Zeitung könnte „das Teilen von Hate-Posts zu sechs Jahren Haft führen“.

Islamistische Hassprediger sollen auch betroffen werden

Über die Vorschläge des Rates berichteten auch die britischen Zeitungen „Telegraph“ und „The Times“, allerdings interpretieren sie die Ideen anders als die Rechtskonservativen.

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Die beiden Zeitungen illustrierten ihre Texte mit Bildern des fundamentalistischen islamischen Hasspredigers Abu Hamza, der zu Gewalt gegen Juden, Christen und Hindus in London aufrief. Laut dem „Telegraph“ würden die Vorschläge des „Sentencing Council“ die Aktivitäten von solchen Predigern strenger bestrafen. Die Vorschläge des britischen Rates würden also auch den Diskurs der extremsten Islam-Fundamentalisten verbieten.