Fakten-Check

Jeder vierte Flüchtling mit Job? – Wie ein falscher Faktencheck die Zahlen verdreht

Die „Rheinische Post” meldet: Jeder vierte Flüchtling, der seit 2015 nach Deutschland kam, habe mittlerweile Arbeit. Die Seite „sciencefiles” bezweifelt die Meldung – auf Basis falscher Informationen.

von Cristina Helberg

Der vermeintliche Faktencheck beruht auf falschen Berechnungen. (Symbolbild).© edar / pixabay

Bewertung
Der vermeintliche Faktencheck ist falsch. Er beruht auf Mutmaßungen und falschen Berechnungen. Möglich macht das auch die ursprüngliche Meldung der „Rheinischen Post”, weil sie weder konkrete Zahlen noch die Berechnung offenlegt.

Unter dem Titel „‘25% der Flüchtlinge haben einen Job’: Seltsamkeiten und Wunder der Integration“ berichtet die Seite „sciencefiles“ von einer angeblichen Falschmeldung. Die Seite bezieht sich dabei auf eine Meldung der „Rheinischen Post“ vom 31. Mai, die viele andere Medien aufgegriffen hatten. Der Inhalt: Nach Zahlen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hatte im März 2018 jeder vierte Mensch, der seit 2015 aus Kriegs- und Krisenländern nach Deutschland gekommenen ist, einen Job. Die Meldung basiert auf einem Hintergrundgespräch mit Herbert Brücker, Forschungsleiter zum Thema Migration am IAB.

Der zentrale Vorwurf der Seite „sciencefiles“: Die Berechnungen des IAB, auf denen die Meldung der Rheinischen Post beruht, seien auf Basis einer repräsentativen Befragung von mutmaßlich wenigen tausend Personen entstanden. Deshalb könne man auch nur Aussagen für diese kleine Personengruppe treffen. „Das ist völlig falsch“, sagt der Forscher Herbert Brücker im Gespräch mit EchtJetzt. Für seine Berechnungen nutzte er Daten der Bundesagentur für Arbeit und des Ausländerzentralregisters. Dabei handelt es sich um Vollerhebungen. Eine Befragung von einigen tausend Personen habe es in diesem Zusammenhang nicht gegeben.

Mutmaßungen statt Befragung der Primärquellen

In der Meldung der „Rheinischen Post“ werden weder konkrete Zahlen noch die genaue Herkunft der Daten erklärt. Stattdessen verweist die Autorin auf das IAB und den Forscher Herbert Brücker.

Zur Überprüfung der Aussage hätten die Autoren der Seite „sciencefiles“ den zitierten Forscher oder die Autorin nach der Datengrundlage der Meldung fragen können. Stattdessen stützen sie ihren Artikel auf Mutmaßungen.

Wie rechnete der Forscher?

Forschungsleiter Brücker wollte wissen, wie viele der seit 2015 zugezogenen Migranten aus den acht Kriegs- und Krisenstaaten Afghanistan, Eritrea, Irak, Iran, Nigeria, Pakistan, Somalia und Syrien mittlerweile einen Job haben. Um das zu berechnen, braucht man zwei Zahlen: den Zuwachs der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter seit 2015 und den Beschäftigungszuwachs im gleichen Zeitraum aus der Personengruppe der acht Länder. „Das ist meines Erachtens der beste Indikator für den Anteil der Personen, die inzwischen beschäftigt sind, an den seit 2015 zugezogenen Zuwanderern“, sagt Brücker. Als erwerbsfähig gelten statistisch Menschen im Alter von 15 bis 64 Jahren.

Konkret hat Brücker so gerechnet: Die Bevölkerung zwischen 15 und 64 aus der besagten Ländergruppe nahm zwischen dem 31. Dezember 2014 und dem 31. März 2018 laut Ausländerzentralregister um 747.464 Personen zu. Die Beschäftigung nahm in dieser Gruppe im selben Zeitraum laut der Bundesagentur für Arbeit um 189.872 zu. Das ergibt einen Beschäftigungsanteil von 25,4 Prozent – also jeder vierte.

Auf diesen Zahlen basiert auch die Meldung der „Rheinischen Post“. Für den Leser ist die Berechnung jedoch aufgrund fehlender Links und Zahlen nicht nachvollziehbar. Die Autorin begründet das mit der Übertragung des Artikels von Print nach Online. Die nachträgliche Einfügung von Links sei dabei offenbar vergessen worden.

Was ist mir Praktikanten und Minijobbern?

In einem weiteren Punkt bezweifeln die Autoren der Seite „sciencefiles“ die Aussage des Forschers Brücker. Sie behaupten: Rechne man Praktikanten und geringfügig Beschäftigte aus den Daten heraus, ergebe sich nur noch ein Wert von 13% Beschäftigung. Das stimmt nicht. Im Ausgangstext der „Rheinischen Post wird die Frage bereits beantwortet. Dort steht: „Etwa jeder Fünfte hatte eine sozialversicherungspflichtige Arbeit.“ Rechnet man also Praktikanten und geringfügig Beschäftigte heraus, ergibt sich laut Brücker eine Quote von 20%.