Fakten-Check

Nur Teile des Reinhardswalds dürfen für Windkraft gerodet werden

Vor der hessischen Landtagswahl kursierten Artikel und Bilder auf Facebook, die den Grünen „Heuchelei“ vorwerfen. Es geht um den hessischen Reinhardswald, den die Grünen angeblich abholzen lassen. Die Vorwürfe sind extrem zugespitzt, enthalten aber einen wahren Kern.

von Tania Röttger

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Windräder in einem Waldgebiet (Symbolbild). Foto: Pixel2013 / Pixabay
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Nur bestimmte Teile des Reinhardswaldes sind potenzielle Standorte für Windräder zur Energie-Gewinnung. Nicht der sogenannte Märchenwald, von dem die Bilder stammen. Die Grünen waren an der Entscheidung beteiligt, jedoch zusammen mit CDU, SPD, FDP und den Piraten. Naturschutzorganisationen halten die Gebiete im Reinhardswald für unbedenklich.

Drei Fotos von verwunschenen Bäumen, dazu der Text: „Das ist übrigens der Reinhardswald in Hessen. Ein uralter Märchenwald. Ich mach’s kurz: Dort wird demnächst abgeholzt. Für Windräder und Straßen müssen mehrere hunderttausend Quadratmeter des Waldes mit mittelalterlichen Gerichtseichen, Flora und Fauna gerodet werden. Wer das beschlossen hat? Nun, die Grünen.“ Das postete jemand am 17. Oktober auf Facebook. Der Beitrag wurde mehr als 8000 Mal geteilt. 

Der Wald liegt in Hessen, dort war am vergangenen Sonntag Landtagswahl. Schuld für die angebliche Abholzung des Waldes sollen die Grünen sein. Doch was ist an der Geschichte dran?

Screenshot von Facebook-Post.

Was stimmt: Ein kleiner Teil des Waldes gehört zu den Gebieten in Hessen, in denen Windräder gebaut werden dürfen. Dafür würden im Fall einer Genehmigung auch Bäume gefällt. Ein konkretes Bauvorhaben ist jedoch noch nicht genehmigt. Der Großteil des Waldes bleibt für Windräder tabu, unter anderem auch das als „Märchenwald“ bekannte Gebiet Urwald Sababurg.

Die Grünen waren daran beteiligt, Flächen für diese Bebauung zu bestimmen. Aber sie haben das nicht alleine entschieden. Auch die CDU, SPD, die FDP und die Piraten haben zugestimmt. Nur die Linken nicht – weil sie damals nicht in der Regionalversammlung vertreten waren.

Wie es zu der Entscheidung kam

Hessen möchte Windparks haben, als Beitrag zur Energiewende. Allerdings entschieden die Parteien, dass das Bundesland entscheiden soll, wo es Windräder geben soll – nicht die einzelnen Kommunen oder gar die zukünftigen Betreiber von Windparks.

Heraus kam: Zwei Prozent der Fläche in Hessen dürfen für die Bebauung von Windrädern genutzt werden. 98 Prozent nicht. Die Regionalversammlung entschied im Jahr 2016, wo sich diese Flächen befinden sollten. Und wies sogenannte Vorrangflächen aus. Nur dort dürfen Windräder hin. Naturschutzgebiete oder Naturdenkmäler konnten kein Vorranggebiet sein.

Tatsächlich finden sich Vorranggebiete im Reinhardswald. Ausgeschlossen sind aber Teile wie der Urwald Sababurg.

Email eines Sprechers der hessischen Grünen.
Der Reinhardswald mit blau markierten Vorrangflächen. Screenshot aus: http://rpkshe.de/teilregionalplan-energie/Anhang-STECKBRIEFE_kleiner.pdf

Bisher sei aber noch kein Antrag für eine Rodung und Bebauung des Vorranggebietes im Reinhardswald genehmigt, wie das hessische Umweltministerium per Email mitteilte.

Email des hessischen Umweltministeriums.

Was sagen Naturschutzorganisationen?

Thomas Norgall arbeitet für den BUND in Hessen. Er findet die Vorranggebiete eine gute Lösung, sagt er gegenüber Correctiv – auch das im Reinhardswald. Das teilte die Organisation bereits im Oktober 2016 in einer Pressemitteilung mit. Es gebe immer einen Konflikt bei Windrädern, sagt Norgall. Zwischen Bürgerinitiativen der Anwohner in der Umgebung, die keine Windräder wollen, oder von den Betreibern der Windparks, die noch mehr Fläche beanspruchen. Es komme außerdem zu Konflikten zwischen Klimaschutz – also dem Bau von Windrädern für Windenergie – und Naturschutz – weil mit dem Bau in die Natur eingegriffen wird.

Mark Harthun vom NABU Hessen sagt: „Der Konflikt ist lösbar.“ Indem man Windräder dorthin baut, wo sie am verträglichsten sind. Ihn stört an den aktuellen Behauptungen besonders die Bebilderung. Die Bilder in dem Post seien nämlich Bilder aus dem Urwald Sababurg, der aber gerade nicht für Windräder abgeholzt werden darf.

Er befürchtet, dass Windrad-Bauer diese Falschdarstellungen nutzen könnten, um auch legitimen Naturschützern Lügen vorzuwerfen.

Harthun ist nämlich nicht mit jedem Windrad-Vorhaben einverstanden. Der NABU Hessen hat sogar Klage gegen eines eingereicht. Doch mit dem Teilgebiet im Reinhardswald hat Harthun kein Problem. Solange die alten Bäume wie geplant unberührt bleiben und der Artenschutz beim etwaigen Bau von Windrädern beachtet wird.

Screenshot aus der Email von Mark Harthun, NABU.