Nein – der Staat bezahlt keine 7.500 Euro für einen „Harem“
Anonymousnews.ru und andere Webseiten berichten über einen Bescheid des Landratsamts Leipzig, wonach eine Familie von Asylbewerbern 7.500 Euro erhält. In den Berichten sind Fehler und Übertreibungen.
Mehrere Artikel mit Titeln wie „Staat zahlt Harem 7.500 Euro im Monat“ werden tausendfach auf Facebook geteilt. Darin sind Fotos eines Bescheids, mit Namen, Geburtsdaten und Geldbeträgen. Das Landratsamt kann die Echtheit des Dokumentes aus Datenschutzgründen nicht bestätigen, schreibt in einer Pressemitteilung aber, dass ihre Bescheide so aussehen.
Sofern das Papier echt ist, handelt es sich bei den Empfängern um eine Frau und neun Kinder. Keineswegs um einen „Harem“. Doch das steht bei „Anonymousnews“ und den anderen nicht.
Die falsche Vermischung des Bescheids mit einem angeblichen Harem kommt von einer anderen Begebenheit.
Zwei Fälle im schleswig-holsteinischen Landkreis Pinneberg, in denen Männer, die Asyl erhalten hatten, eine zweite Ehefrau zu sich holen konnten. In einem Fall weil die Kinder bei ihrer leibliche Mutter sein sollten, im anderen, weil die zweite Ehefrau ihren Mann als Kontaktperson in Deutschland angab, als sie in Griechenland einen Antrag stellte. Diese Fälle haben jedoch mit dem Bescheid über 7.300 Euro nichts zu tun.
„Anonymousnews“ kommentiert den Bescheid so: „Die Kosten der Familienzusammenführung für den Steuerzahler summieren sich, wie ein anderer Fall aus dem Landkreis Leipzig zeigt.“ Das dieser „andere Fall“ nichts mit Bigamie zu tun hat, wird nicht erwähnt.
Zudem ist die Höhe des Geldes irreführend, wie die Faktenchecker von „Mimikama“ und der „Bildblog“ bereits berichtet haben: der Betrag (etwas mehr als 7.300 Euro, nicht 7.500 Euro) beinhaltet nämlich Unterkunft und Nebenkosten, die gar nicht an die Familie ausgezahlt werden. Laut Landratsamt Leipzig, von dem der Bescheid kommen soll, können bei einer Frau mit neun Kindern mehr als 4.000 Euro zusammen kommen. Was danach übrig bleibt, sind ein paar hundert Euro pro Person für den „notwendigen persönlichen Bedarf“, wie es im Asylbewerberleistungsgesetz heißt.
Für eine alleinstehende, erwachsene Person, die in einer Aufnahmeeinreichtung wohnt, wären das 135 Euro pro Monat, außerhalb so einer Einrichtung kämen noch einmal 216 Euro für den „notwendigen Bedarf“ dazu, Kinder erhalten weniger, und bekommen kein Kindergeld. Das stellte das Landratsamt klar, denn Kommentatoren der Artikel hatten spekuliert, dass zusätzlich zu den 7.300 Euro Kindergeld ausgezahlt werde.
FAZIT: Es gibt einen Bescheid, laut dem einer Familie, bestehend aus einer Frau und neun Kindern, 7.300 Euro zugewiesen wurde. Allerdings ist diese Familie kein Harem, und den Großteil des Geldes bekommt sie nicht ausgezahlt.
Nachtrag, 19.2.18: Nachdem verschiedene Webseiten und Nutzer den Bescheid samt Adresse, Namen und Geburtsdaten über verschiedenen Kanäle verbreitet haben, bekam die Familie einen Schwall von Hetze und Bedrohung ab. Wie „faz.net“ berichtet, ermittelt die Staatsanwaltschaft nun gegen jene, die den Bescheid veröffentlicht haben. Auch ein Anwalt steht der Familie bei. Er sagte „faz.net“: „Das ist ein glasklarer Fall. Jeder, der diesen Bescheid hochlädt oder verbreitet, verstößt gegen deutsches Recht.“